25. September 2001

Bloß nicht so bescheuerte Texte schreiben wie Limp Bizkit

Interview geführt von

Die Jungs waren sehr gesprächig und teilten uns gut gelaunt ihre Ansichten über die neue Platte, MTV, derzeit angesagte Bands wie Limp Bizkit, Skateboarden, Fleischessen und andere weltbewegende Dinge mit. Aber lest selber.

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Claus Grabke

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Euer neues Album "3" ist draußen. Ursprünglich wolltet ihr die Aufnahmen in den legendären Mountain Studios in der Schweiz, wo schon AC/DC, Led Zeppelin und die Rolling Stones waren, machen. Wieso seid ihr dann doch im One And One Studio in Köln gelandet?

Claus: Es war einfach marode geworden. Unser Kollege Thomas Kemper, der das Album engineert hat, ist Schweizer und war mal für ein paar Wochen da. Er war unglaublich begeistert, das ist aber schon zehn Jahre her. Aus der Erinnerung hat er gesagt, da gehen wir jetzt mal hin. Er ist dann hingefahren um sich das anzuschauen und rief dann völlig am Boden zerstört an und meinte, dass sich in den letzten zehn Jahren technisch doch viel verändert hat und das Studio inzwischen technisch marode und sehr klein ist. Nach langem Hin und Her und Her und Hin haben wir dann entschieden, es in Thomas' eigenem Studio zu machen und das war eigentlich die beste Wahl.

Wart ihr nicht etwas enttäuscht?

Claus: Wir dachten natürlich auch, dass sich die Magie der Mountain Studios irgendwie auswirkt. Es gibt da die berühmte Zeile "Down to Montreux ..." in "Smoke On The Water" von Deep Purple, der sich auf das Studio bezieht und wir dachten: "Oh, wie geil, jetzt fahren wir da hin, da wohnt noch der Geist von Deep Purple und das wirkt sich irgendwie positiv aus." Das klappte damals dann aber doch nicht.

Seid ihr letztendlich mit dem Album, so wie es geworden ist, zufrieden?

Lupe: Absolut!

Claus: Super!

Ihr habt das Album schlicht "3" genannt. Ist euch kein Name eingefallen oder hat der Titel noch eine tiefere Bedeutung?

Lupe: Es ist jetzt erst mal das dritte Album und "3" ist einfach nur die Zahl. Außerdem ist es so, dass für Claus die Zahl Drei eine schon fast mystische Bewandtnis hat ...

Claus: Kannst du die Fragen immer für mich beantworten, ich find das gut.

Lupe: Beispielsweise wird beim Song "Break me" auf der zweiten Platte auf drei zurück gezählt, weil Claus' früheste Kindheitserinnerungen bis ins dritte Lebensjahr zurück reichen. Ist das richtig?

Claus: Ja, fast. Es ist wirklich so, dass es viel zu viel Dreien bei uns gibt. Wir kommen aus 33330 Gütersloh, mehrere von uns wohnen in der Hausnummer Drei. Es sind noch drei aus der Originalbesetzung dabei und es dreht sich bei mir immer etwas um die Zahl, weil eben meine frühesten Kindheitserinnerungen mit drei begannen, als ich mit geplatztem Blinddarm ins Krankenhaus kam. Bei der Operation wäre ich fast umgekommen und die Erinnerungen sind noch sehr lebendig. Es hat aber auch den Vorteil das Drei ein Symbol ist, was jeder in seiner Landessprache so sagt wie es ist... und es sorgt für Verwirrung. Ein guter Albumtitel muss auch für Fragen sorgen.

Lupe: Für jeden hat das seine eigene Bedeutung. Ich z.B. habe seit drei Jahren meinen Laden. (ein Tattoo-Shop, Anm. d. Red.)

Noch einmal zur Platte zurück. Ich habe den Eindruck der Sound auf "3" ist aggressiver geworden als auf dem Vorgänger "Exposure". Wie viel hat das mit eurem neuen Gittaristen Axel zu tun?

Claus: Wir haben bei den Tiefen und den Höhen bewusst etwas dazu gegeben. Das letzte Album war doch etwas mittig. Dadurch, dass es live in einem großen Raum eingespielt wurde, fehlte etwas der "Wumms". Der ist auf diesem Album Ziel gewesen.

Axel: Ich empfinde es eigentlich nicht so. Soundtechnisch ist es vielleicht wirklich etwas aggressiver geworden. Gitarrenspieltechnisch ist es etwas melodiöser, nicht unbedingt härter geworden. Das ist aber auch Ansichtssache.

Ist das dein neuer Einfluss auf die Band?

Axel: Nöö. Soundtüftelmensch bin ich nicht.

Claus: Er ist mehr das Gegenteil von aggressivem Sound.

Gut, lasst mich noch auf die Texte eingehen. "Migraine" beispielsweise hat einen sehr persönlichen Text. Irgendwas scheint dich dabei sehr zu beschäftigen. Erklär mal!

Claus: Mich beschäftigt im Zweifelsfall immer sehr viel.

Es geht wohl nicht nur um Kopfschmerzen.

Claus: Es ist ganz schwierig, kurz etwas zu einem Song zu sagen. Ich hab mich immer wieder dabei ertappt, dass es sich dann doch banaler anhört als es ursprünglich gedacht war. Ich bin schon jemand, der mit Worten so lange herum balanciert bis sie etwas Größeres ausdrücken. Das muss auch nur für mich verständlich sein. Das Schöne an den Texten ist, dass mich viele Leute darauf ansprechen und es dann auch nachempfinden können. Bei unserer Produktion hatten wir ein Poster von Angelina Jolie, meiner Lieblingsschauspielerin, auf dem Mischpult hängen. Sie hat ein Tattoo: "Was mich ernährt, zerstört mich!" "Migraine" geht, glaube ich, in die gleiche Richtung. Der Refrain heißt: "You are everything inside of me". Es ist das, was mich am Leben erhält und gleichzeitig beschäftigt. Es ist ein Wechselspiel des Unterbewusstseins mit allen negativen Erinnerungen, eine innere Person und ein zweites Ich, das man mit sich trägt. Das ist bei mir jemand, der mich immer wieder aus den etwas negativen Gefühlen heraus zieht. Meine Gefühlswelt kommt mir manchmal wie eine Migräne vor. Es kommt und dann ist es da. Der Song ist eigentlich an mich gerichtet, wenn ich "You're like a migraine" singe.

Viele deiner Songs auf dem Album hören sich an, als ob du mit jemandem abrechnest.

Claus: Ich rechne permanent ab. Letztens hab ich einen Satz von Henry Rollins gelesen, der im übertragenen Sinne sagt: "Meine einziger musikalischer Einfluss, ist der Hass, den mir andere Leute geben." Ich verarbeite viele solcher Momente direkt in meinen Texten, ohne zu sagen, dass ich dir gleich in die Fresse haue. Man kann es dann so oder so auslegen. Es kann auch einfach sein, dass ich sauer auf meine Gefühlswelt bin.

Zu eurem Song "Down Like Me" habt ihr auch ein Video gedreht, das des öfteren zu sehen ist. Wie waren die Dreharbeiten?

Lupe: Ja, wie so Dreharbeiten eben sind. Das Konzept war da und musste umgesetzt werden.

Wessen Idee war es, die Band auf der Glatze des eingegipsten Menschen zu spielen zu lassen?

Lupe: Das war Nick Scofields Idee, er hat das Video gedreht. Bei den Dreharbeiten hat, glaube ich, keiner so richtig Spaß dran, weil wir auf dieser halbrunden Bühne, dem Kopf, standen und ich weiß nicht wie oft Playback spielen und abrocken mussten. So warm wird man damit nicht. Aber man versucht trotzdem alles zu für das Video zu geben. Aber unser aller Hobby wird es nicht werden.

Axel: Wenn man es sieht, ist es eigentlich cool. Nur wenn man wirklich vor der Kamera steht und man muss da abgehen ist es eigentlich ein Fake.

Ihr seid nun schon seit acht Jahren dabei. Das Hardcore-Crossover Ding ist ziemlich groß geworden. Bands wie Limp Bizkit, Linkin Park oder Papa Roach sind zur Zeit absolut hip. Was haltet ihr davon?

Claus: Linkin Park ist ja nicht Hardcore. Papa Roach lasse ich noch gelten.

Lupe: Es ist halt immer so, dass sich die Bezeichnungen ändern. Als wir unsere erste Platte rausgebracht haben, da war es noch Crossover, "Exposure", unser zweites Album lag nicht am Puls der Zeit. Da gab es überhaupt keine Schublade, so dass man jetzt sagen könnte, das ist Emo-Cross-Hardcore, New Metal oder sonst was und New Metal ist eben jetzt das neue Wort. Alle Bands, die da jetzt mitziehen, sind groß am Start, aber im Grunde genommen ist das uninteressant für uns. Wir versuchen, uns da eine eigene Nische zu schaffen und nicht zu sagen, jetzt machen wir eine Crossover-Platte, jetzt eine Emo-Platte und jetzt eine New-Metal-Platte. Ich denke, wir haben uns in den letzten acht Jahren einen Ebene geschaffen, auf der wir nicht mehr eingeordnet werden müssen.

Claus: Ich finde bei diesen Bands gibt es teilweise ganz gute Sachen, aber das Meiste ist etwas oberflächlich. Das Ganze ist so eine Mode.

Und ihr lasst euch davon nicht beeindrucken und zieht euer eigenes Ding durch?

Claus: Ja, im Endeffekt schon. Wir haben bei der Platte versucht, alles was uns nicht sowieso schon beeinflusst hat, so weit von uns zu weisen, dass es keinen Einfluss auf die Platte hat. Also nicht um Himmels Willen so bescheuerte Texte schreiben wie Limp Bizkit, so gestylt herumlaufen, wie ein paar von den Kollegen. Ein gewisser Teil der Szene ist absolut übergestylt, so wie Static X. Die laufen unheimlich verkleidet rum, aber das hat mit Thumb nichts zu tun. Wir sind immer noch so wie wir waren. Das einzig Positive, das ich dem Hype abgewinnen kann ist, dass es momentan allgemein wesentlich mehr rockt wie noch vor zwei Jahren. Was mich an dieser Bewegung nervt, ist, dass ich den Fernseher anmache und mir alle diese amerikanischen Vögel entgegengucken. Die singen irgendwelche Texte, die hier eh keiner versteht, die sehr unpersönlich sind und nur des Reimes wegen in irgendeiner Form zusammen gestückelt wurden. "My way on the highway!" oder "Rollin, rollin, rollin..." Das hat mit niemanden irgendwie zu tun. Das ist gerade nur dufte, das ist Musik, die abgeliefert wird und fertig aus. Die Sender hier nehmen das Video und spielen es blind, weil das Video auch sechs Millionen gekostet hat. Die Ami-Plattenfirmen sind dementsprechend einflussreich und so etwas wird einfach gepusht. Eine Band wie Thumb, die über Jahre ernstzunehmende Musik macht und den Leuten auch etwas bedeutet, kommt mit einem Video, das geil ist und kriegt dann zu hören: "Naja, hättet ihr jetzt irgendeine Live-Situation aufgenommen, so wie alle, dann hätten wir es gespielt." Wir wollten mal was Neues machen und dann sagt irgend so ein Typ bei MTV: "Wir nehmen es nicht. Wenn dann brauchen wir etwas Hartes, bei dem ihr auf der Bühne abrockt." Das machen aber alle und das wollten wir bewusst umgehen.

Lupe: Und dann kriegt man noch zu hören, dass andere innovativere Videos abliefern!

Claus: Ich bin von den ganzen Trittbrettfahrern auch hierzulande nicht so beeindruckt. Da gibt es in der Hip Hop Szene wesentlich eigenständigere und bessere Bands als in der Rock-Szene.

Eine andere Geschichte. Claus, du warst einer der ersten Skateboard-Profis in Deutschland. Ihr habt dreimal auf dem Münster Monster Mastership gespielt. Auf der Vans Warped Tour wart ihr auch dabei. Versteht ihr euch als Skateband?

Axel: Ich war nicht besonders gut, bin aber jeden Tag gefahren. Bei Claus ist das mit Sicherheit was ganz anderes. Von daher verbindet uns schon einiges mit dem Skaten, aber als reine Skateband würde ich uns nicht bezeichnen. Jan und Steffen haben früher auch viel geskatet...

Lupe: Ich auch! Freestyle!

Claus: Wir stehen auf Skateboardfahren, sind aber keine Skateboardband. Da gibt es dann auch wieder so Kollegen... Weltmeister, ey! Der Limp Bizkit-Sänger soll auch Profi gewesen sein, ich hab ihn leider nie auf einem Wettbewerb gesehen und die Dog Eat Dog Jungs bringen dann bei irgendeiner Fernsehshow Ray Cokes das Skateboardfahren bei. Solche Kapriolen finde ich echt scheiße. Dass wir auf diesen Events gespielt haben kommt daher, dass diese Szene relativ früh da war, was Rockmusik angeht. Punkrock und Skateboardfahren haben eine sehr lange Verbindung und Skater mussten, da sie von keinen Verbänden unterstützt wurden, immer alles selber machen. Wenn Skater einen Wettbewerb organisieren, dann geht es nicht darum, wie groß die Pokale sind, sondern wie geil der Wettbewerb ist. Es geht nicht darum, wer gewinnt, sondern was gewinnen alle, die dabei sind. Da wurden sehr früh schon Konzerte veranstaltet und bei solchen Sachen waren wir eben dabei. Wir haben uns aber nie als Skateband gesehen. Im Gegenteil, wir haben unserer ersten Plattenfirma sogar verboten, damit Werbung zu machen und haben erst mit der zweiten Platte einen Weg gefunden, das lockerer zu sehen.

Warum genau wollt ihr nicht in diese Schublade Skateband gepresst werden?

Claus: Ja, weil eben zu viele Bands dies benutzten. Du siehst z.B. ein Bon Jovi-Video und er denkt er braucht einen Imagewandel und dann spielt da ein Skater die Hauptrolle in seinem Video. Dann laufen die mit beigen Dickies und mit breiten Klamotten rum. Das ist ein Style, in dem inzwischen jeder rumläuft. Das ist ja auch nicht so schlecht, besser als Bon Jovi früher rumgelaufen ist. Es ist halt gerade on Top und wird ausgenutzt. Wir versuchen da einen Mittelweg zu finden. Wir sind nun mal Skateboarder, aber wir wissen, was Skateboardfahren wirklich ist.

Gut, als letztes hätte ich gerne noch ein paar Statements von euch zu folgenden Schlagwörtern?

Claus: O.k.

Napster.

Axel: Ich habe Napster nie benutzt.

Jens: Ich bin da fein raus, weil ich keinen Computer habe.

Claus: Ich sehe zwei Seiten. Ich sehe, wie bequem und toll das ist, sich Musik zu holen und an Sachen heranzukommen, die es im Plattenladen vielleicht gar nicht gibt. Aber ich sehe auch so eine Art Mundraub. Ich habe Angst davor, was mit Musik passiert, wenn keiner mehr dafür bezahlt. Eine Band kann dann nicht mehr davon leben. Es bleibt schon so nicht mehr viel übrig. Die Idee von Napster an sich, dass die Musik für jeden, in Alaska oder sonst wo zugänglich ist, ist nicht schlecht. Ich fände es aber gerecht, wenn jeder seinen Obolus bezahlt.

Jens: Außerdem stirbt mit Napster auch ein anderes Medium. Am Anfang gab es LPs und Leute die geile Artwork gemacht haben. Als die CD kam haben schon alle Leute "Scheiße" geschrien. "Wie kann man das Artwork in CD-Format machen, dass ist ja viel zu klein!" Da hat man inzwischen auch einen Weg gefunden. Es gibt stylische CD-Cover. Ich fände es aber furchtbar, wenn ich zu Hause nicht meine Platten hätte, sondern alles irgendwo im Rechner.

Vegetarismus.

Claus: Alle sind Vegetarier, außer Axel.

Axel: Jaaa! Auf Tour esse ich eben auch vegetarisch. Ich habe aber schon immer Fleisch gegessen und fände es assig, wegen der Band das Fleischessen aufzuhören.

Claus: Er ist ja neu in der Band... Was es dazu zu sagen gibt haben wir in den Songs "Cavemen in disguise" und "No more blood" gesagt. Es gab zwei, drei Aktionen mit der P.E.T.A. (People for the Ethical Treatments of Animals, Anm. d. Red.) und wir sind alle, außer Axel, Vegetarier. Nicht aus sozio-politischen oder gesundheitlichen, sondern aus ethischen Gründen.

Drogen.

Claus: Das ist eher unterschiedlich. Steffen, unser Drummer und ich haben noch nicht einmal geraucht, geschweige denn Alkohol getrunken. Noch nie im Leben, das hat aber mit Straight Edge nichts zu tun, sondern ist einfach so.

Aus gesundheitlichen Gründen?

Claus: Mir gefällt einfach nicht, wie Leute sind, wenn sie betrunken sind. Dass sie das untereinander nicht merken, genau wie Leute die Knoblauch essen. Wenn man mit isst, findet man es vielleicht toll, aber wenn nicht, ist es scheiße. Schon als Kind haben mir Betrunkene und der Geruch von Alkohol nicht gefallen und habe es dann nie angefangen. In der Band ist der Umgang damit locker. Axel, Jan und Lupe trinken schon mal ein Bierchen.

Jens: Ich nicht mehr!

Claus: Wir haben aber auch keinen Anti-Drogen-Song oder so. Das ist nicht unser Auftrag. Wenn ich aber so Zwölf-, Dreizehnjährige beim Skaten sehe, dann lache ich die aus.

O.k., danke für das Gespräch.

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LAUT.DE-PORTRÄT Thumb

"Smart" wollen Thumb ihre Message rüber bringen. Die fünfköpfige Hardcore Crossover Band besteht zum großen Teil aus Vegetariern und Anti-Alkoholikern.

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