21. Mai 2001

"Ich muss das alles alleine ausbaden"

Interview geführt von

Eine richtige Rockshow präsentierten Thomas D und seine Mannen bei ihrer CD-Vorstellung im Bahnhof Fischbach am Bodensee: kaum Elektronik, dafür fette Gitarren und ein Sound, der weniger an die Fantas, als vielmehr an Dave Wyndorfs Monster Magnet erinnerte. Am Rande des Konzerts ließ sich Thomas D von LAUT befragen.

Hallo Thomas.

Grüß Gott.

Wie läuft deine Tour bisher?

Gut. Sehr Gut. Wir sind auf jeden Fall im Lernprozess, man merkt jetzt schon nach zwei Tagen, dass es gestern schon besser war als vorgestern. Es war immer erfolgreich, aber es ist jetzt natürlich eine Umstellung. Mit der neuen Platte, mit dem neuen Sound und auch sonst hatten wir mit Fanta 4 mehr Lieder, wo man springen kann, und die Leute sind von Anfang an eigentlich gesprungen und jetzt ist es mehr Mucke, die man nach innen aufnimmt und wo die Leute sich nicht großartig bewegen. Aber der Applaus und der Zuspruch, den wir bekommen zeigen schon an, dass sie es gut finden, obwohl sie sich nicht bewegen. Dann denke ich mir "wieso bewegen die sich nicht, finden die das nicht gut?", aber es gefällt ihnen, und mir gefällts auch sehr, wir hatten gestern auch ab der Hälfte des Konzerts wirklich das Gefühl, Musik zu machen, also ein bewegendes Gefühl und das ist ja sehr erstrebenswert. Am Anfang war alles noch sehr theoretisch, also du hast etwas geübt. Dann hast du das erste Mal Publikum, dann ist das Feeling ein anderes, der Sound ist immer noch sehr schwierig für uns auf der Bühne, draußen ist er Gott sei dank sehr gut, so in Etappen arbeiten wir uns unserem Ziel entgegen, von Anfang an ein Gefühl zu schaffen und das dann auch den ganzen Abend zu halten.

Was für eine Band hast du nun auf deiner Tour dabei?

Die Band ist so ein wenig eine Allstarband. Es sind Caspar Brötzmann, der auch auf der Platte mitgewirkt hat, und And. Ypsilon dabei, mit einem Setup ähnlich wie bei den Fanta 4, also mit einem Sequenzer aus dem Sachen kommen, die wir nicht live umsetzen. Dann haben wir noch Ralf Goldkind dabei, der auch auf der Platte mit Andy (Ypsilon) als Produzent tätig war, der spielt Gitarre und Posaune, Bertill ist dabei, der gute Bertill Mark, der ja schon bei Fruit getrommelt hat und früher bei Headcrash und jetzt bei mir auf dem Mars (Anm. d. Red.: Eine Art Kommune in der Eiffel auf der Thomas D lebt) unser Studio Haus Erika Productions hat. Der Komi ist dabei, der ist MC- und Didgeridoo- UND Posaunespieler, ich spiele übrigens bei einem Stück auch Trompete, worauf ich ziemlich stolz bin, auch wenn ich mal den Ton nicht ganz treffe. (lacht) Dann haben wir noch Axel Hilgenstöhler, der bei Thumb Gitarre gespielt hat, und Florian "Watermelon Man" am Bass. Ich hoffe ich habe keinen vergessen. Es ist eine gute, eine sehr gute Besetzung, da das ja auch alle Proms sind, und die meisten hatten auch direkt mit der Platte zu tun.

Und geprobt habt ihr auf dem Mars?

Geprobt haben wir zwei oder drei Wochen und dann noch vier Tage auf dem Mars.

Jetzt mal zum Thema Reflektor Flake. Wie bist du denn auf die Figur des Reflektor Falke gekommen, und in welcher Hinsicht hat die Figur mit dir zu tun? Bist du der Reflektor Falke?

Reflektor Falke ist meine erschaffene Figur, die uns durch das Album geleitet. Er ist so gesehen eine Art Superheld oder besser ein Mutant, also einer, der besondere Fähigkeiten hat, ob er will oder nicht. Er besteht aus dieser Reflektion, er reflektiert also alles, was ihm entgegen gebracht wird, ob es Emotionen sind oder Strahlen, Gefühle, Vorurteile, egal, alles wird zurück gesendet. Somit nimmt er den Leuten die Maske ab und hält ihnen einen Spiegel vor, lässt sie gleichzeitig sehen wer sie wirklich sind.

Wie Till Eulenspiegel ?

Ja genau, der Hofnarr, der die Wahrheit sagen darf, solange über ihn gelacht wird, wenn nicht, kostet es ihn den kopf. Und in so einer ähnlichen Funktion ist er unterwegs. Er kann den Leuten zwar die Wahrheit sagen, aber wenn sie es nicht hören wollen oder nicht darauf eingehen, kann er auch nichts verändern, es liegt ja an einem selbst, sein Leben zu verändern. Ich hab auf der Platte ein ziemliches Endzeitszenario geschaffen, um Gefühle deutlicher rüberzubringen, um krasser die Trennung zwischen hell und dunkel oder Held und Bösewicht zu ziehen, damit jedem klar wird, ob er ein Bösewicht ist, oder zum Held seines Lebens werden kann. Mit mir hat das Ganze deshalb zu tun, weil es meine Gedanken über diese Welt sind, nur eben in Metaphern oder vor der Kulisse des cineastischen Soundtracks dieser Comicwelt. Aber auch ich bin ein Mensch, der versucht, den Menschen durch meine Texte die Augen zu öffnen, die Masken abzunehmen oder ihnen einen Spiegel vorzuhalten, bin aber natürlich darauf angewiesen, dass die Leute meine Musik trotzdem gut finden und trotzdem hören, weil sonst komm ich ja auch nicht an. Es mischt sich ziemlich genau an dem Punkt, Reflektor hat auch nur das Wort als Waffe und es trennt sich dann wieder, dass er durch seine Reflektion immer richtig liegt, während meine Reflektionen natürlich meine Meinung sind, es ist klar, dass ich nicht unfehlbar bin, wie es mein Comicheld ist. Helden irren sich natürlich nicht.

Das Album heißt ja "Lektion In Demut". Wieso? Braucht die Menschheit Lektionen in Demut?

Der Titel ist sehr hochtragend, vielleicht relativ heftig. Der Arbeitstitel lautete "König Der Narren", aber "König Der Narren" war mir für das Album, als es fertig war und mit den Zeichnungen von Gabriele Del Otto, ein fast schon zu lustiger Titel. "Lektion In Demut" ist ja auch ein Titel auf der Platte, und dort bekommt der Reflektor Falke seine eigene Lektion in Demut, d.h. er hat angefangen, über die Welt zu urteilen, er hat vielleicht erkannt, was vermeintlich schlecht ist, aber man kann die Welt nicht retten, indem man sagt "Ihr seit schuld und ihr macht dies falsch und das falsch", man kann die Welt nur retten, indem man bei sich selbst anfängt und sich selbst verändert und seine eigene Einstellung zur Welt ändert, und das ist die Lektion in Demut die unser Held bekommt. Gleichzeitig ist, glaube ich, eine Rücknahme des Egos heutzutage schon angebracht, weil wir uns ja schon viel leisten können und sehr viel machen, ohne dass es uns sofort betrifft. Und alles kommt zurück, das wissen wir, deshalb müssen wir aufpassen und darum ist die Demut einfach ein bisschen mehr Sorge tragen für sein Umfeld, mehr Verantwortung für die Dinge, die man tut und nicht tut.

Kann man das auch als Kritik an unserer Spaßgesellschaft verstehen?

Ja genau !

Alles ist erlaubt.

Ja genau, es wird viel entschuldigt oder einfach gemacht, weil der einzelne Mensch denkt, dass er eh nichts verändern kann, aber genau dadurch ändern Menschen ja etwas, indem sie in ihrem Leben etwas ändern, und dieses "wenn andere ihren Müll in den Wald werfen dann kann ich meinen Müll auch in den Wald werfen" zählt einfach nicht. Ich habe meinen Spaß überhaupt nicht verloren, aber mein Spaß hört dann auf, wenn er auf Kosten anderer geht. Über Späße auf Kosten anderer kann ICH nicht lachen! Ich habe mich bei der Platte auch bewusst in diesem Bereich des Wachrüttelns oder der Kampfansage gehalten, also es gibt auf der Platte kein Sommerhit, nachdem ich schon gefragt wurde.

Auch die Musik ist ja eher düster !

Ernsthaft.

Hat das etwas mit dem Thema zu tun?

: Ja, das ist genau auf das Thema bezogen. Die Platte ist ein Film, ein Trip, und es wird auch danach wieder lustige Sachen geben, aber momentan ist es wichtiger, zu sagen "entscheide dich, entscheide dich jetzt, wohin dein Leben geht und was sie von dir erzählen werden, wenn du nicht mehr da bist" also es hält sich bewusst da auf. Ich wollte da mal einen Nagel reinhauen, nach Liedern wie "Krieger" und "Millionen Legionen" oder auch "Liebesbrief", wo ich durchweg positiv zu diesem Bewusstsein aufrufe.

Was auch musikalisch positiv ist.

Ja, da war And. Ypsilon schon maßgeblich beteiligt und das hat sich ja auf der Platte auch fortgesetzt, dass ich ihn neben Ralf als generellen Produzenten genommen habe. Nachdem meine Texte nicht so lustig waren, haben sie sich auch stimmungsmäßig darauf eingelassen und haben natürlich einen dementsprechend ernsten, mächtigen, cineastischen, dunklen Soundtrack geschaffen.

Gibt es für sich so etwas wie musikalische Einflüsse, die dich für dieses Album inspiriert haben, und was hörst du zur Zeit für Musik? Etwa Country?

(lacht) Nein, nur weil ich auf dem Land lebe, höre ich noch nicht Country-Mucke. Gut, ich höre nach wie vor Monster Magnet tagaus tagein, sofern ich Gelegenheit dazu habe, oder etwas Ambient zum runterkommen, ruhigere Musik ohne Text. Aber Monster Magnet hat mich textlich schon immer sehr beeinflusst, bewegt oder inspiriert. Aber musikalisch könnte ich es mit nichts vergleichen, ich habe versucht, etwas Neues, Eigenes zu schaffen, mit den Musikern, aber auch mit dem Computer. Wenn man Kritiken liest, in denen es heißt, Synthis spielen düstere Klänge, ist das falsch, da kein einziger Synthi auf der Platte verwendet wurde. Es sind alles echt Instrumente, die dann über den Computer wieder in etwas Neues generiert wurden, weil wir oder vor allem der Andy wollten, dass die Emotion des Musikers oder die Seele des Instruments auf jeden Fall erhalten bleibt. Es sollte nicht so ein technisch verkopfter Kram werden, sondern dass nach wie vor die Emotion da ist.

Wie ist die Arbeit an einem Soloalbum, wenn man sie mit der in einer Band vergleicht? Ist es befreiend, wenn man mal das machen kann, was man will und wo man zu 100 Prozent dahinter steht?

Ja, man muss aber immer Kompromisse eingehen, wenn man etwas mit Musik macht. Die Musik entstand ja auch hauptsächlich unter drei Leuten, aber auch die ganzen Musiker, die einen Input lieferten und es wieder in eine neue Richtung lenkten und eine neue Farbe beigaben, deshalb ist es immer ein gemeinsames Produkt. Aber natürlich hatte ich textlich und von der Vision völlige Freiheit, und das ist auf jeden Fall ein Austoben, auf der anderen Seite lasten die ganzen Kritiken genauso wie die Fans auf meinen Schultern, und dies alles kann ich nicht durch vier teilen, was manchmal auch ein wenig anstrengend ist, weil alles doch wieder zu Thomas D zurück kommt. Ich muss das alleine ausbaden, weil keiner sagen kann "And. Ypsilon hat Scheiß produziert".

Sag mal was zu den Gastmusikern Caspar Brötzmann ist dabei und......

Jaki Liebezeit

... ist von Can.

Ja, ist ein großer Name.

Wieso gerade die? Sind das Helden ?

Ja, das sind echte Helden, die Jungs sind echt shanti drauf, dezent, und machen überhaupt kein Ding. Caspar ist ein sehr großer Künstler, das merke ich jetzt auch mit ihm auf der Tour. Auch wie er Musik beschreibt und das alles sieht, ist wirklich sehr seelenvoll, da geht es einfach um so Sachen, wie wenn er sagt "es geht darum spürbar zu bleiben" das drückt genau das aus, worum es mir auch geht und zeigt, dass wir an der gleichen Front kämpfen und wir beide da gut aufgehoben sind. Und Jaki ist ja auch schon ein bisschen älter, ich weiß gar nicht so genau wie alt, aber ich glaube 58.

Ralf Liebezeit : 59

Ah, ja ich dachte mir ja, er ist schon fast 60. Er ist ein sehr ruhiger Mansch und sehr bedacht, spielt sehr reduziertes Schlagwerk, zumindest bei den Aufnahmen, aber das ist unglaublich, wie tight der Typ ist, wie genau, und welches Verständnis der für Takte und auf Zwischenräume und Groove anwendet, und wie er das dann auch spielt, das war echt ein Erlebnis. Ich habe noch nie jemanden so Schlagzeug spielen gehört wie ihn, obwohl er nicht mehr gemacht als boom und zack.

Gab es irgend jemand, den du gerne gehabt hättest, der aber keine Lust oder Zeit hatte?

Nein, ich habe mir ja sogar meinen großen Traum erfüllt, mit Dave Wyndorf, dem Sänger von Monster Magnet zusammenzuarbeiten, der auch auf zwei Liedern vertreten ist. Das war schon der letzte große Traum. Die Arbeit mit Caspar und Jaki wer relativ kurzfristig und bei Dave hat es sich ja schon lang angebahnt, ich habe ihn dann auch Gott sein Dank getroffen. Er hatte sogar Lust darauf, auf Deutsch zu singen, was für mich total abstrakt war, obwohl ich eher daran gedacht habe, seine Gitarren zu nutzten. Aber als die Platte dann soweit gereift war, war klar, dass das alles ein Sound wird und wir keine andere Band spielen lassen können, dann kam ich zu dem Gedanken, ihn wirklich auf Deutsch singen zu lassen, und er hat das auch schön gemacht. Das war wirklich mein letzter Traum, mit ihm zusammenzuarbeiten. Sonst gibt es da niemanden, der mir einfällt, mit dem ich mal etwas zusammen machen will.

Was sagt Dave Wyndorf denn zu solch einer Musik?

Der fand es gut, er fand es auch mutig. Also, ich habe ihm nur ein Demo vorgespielt und meine Texte auf Englisch übersetzt, und das fand er alles ziemlich gut und hatte echt Bock drauf. Er hat mir auch gedankt für die Zusammenarbeit, was mich sehr geehrt hat, weil es mein Vorbild ist und ich muss ja dankbar sein.

Mal zum Thema Internet, hältst du es für einen Segen oder deinen Fluch?

Internetmania?!

Ja, genau das meinte ich.

Ich finde das Super!

Bist du im Internet?

Nein (lacht), quasi nie, dennoch finde ich dieses Feld super, weil die Möglichkeit besteht, Informationen direkt zu bekommen, und nicht mehr alles über eine dritte Person geht, die das auch verfälscht haben kann. Und der Künstler hat die Möglichkeit, sein Statement klar zu machen und seine Sicht der Dinge noch hinzuzufügen zu dem Bild, das in den anderen Medien wie Zeitungen zu sehen ist. Gleichzeitig ist das Internet auch für Leute, die etwas wissen wollen und sich nicht nur berieseln lassen wollen, die auch etwas tun wollen, mehr als nur das Fernsehen anzuschalten. Das ist eine gute Sache.

Ist im Internet nicht auch die Gefahr, dass die Menschen die virtuelle Welt gegen die Reale austauschen?

Diese Gefahr besteht doch auch beim Fernsehen. Es kommt darauf an, wie man es nutzt. Auch bei Videospielen besteht diese Gefahr, wenn die Kids sich gegenseitig auf dem Bildschirm killen, ist das auch nicht toll. Da denke ich mir auch, dass das die Kids sicherlich nicht positiv beeinflusst. Aber es muss jedem selbst überlassen sein, wie er das nutzt, und mir geht es so, dass ich mich jedes Mal verirre: irgendwann sehe ich eine Blondine mit zwei Riesenbrüsten, die sagt "klick hier", und dann bin ich auf Seiten, die meinen Computer zum Abstürzen bringen, das frustriert dann total. Aber mit dem Mars gehen wir natürlich auch ins Netz.

Wie wird die Adresse sein ?

Das würde ich auch gerne wissen, wir sind noch am suchen, weil Mars an sich geht natürlich nicht, aber marslive oder marsnetz, ich muss da noch mal nachfragen.

So das war’s schon, vielen Dank.

Gern geschehen.

Das Interview führten Dominik Kraus und Arne Brugger.

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