Alles über Harry Styles und Harrys Style: Das Buch über den Pop-Märchenprinz der Teenie-Herzen ist leider nur eine schlecht übersetzte Lobhudelei.
Berlin (jmb) - Seit Harry Styles Anfang der 2010er Jahre auf der Bildfläche erschien und zunächst mit One Direction, danach solo durchstartete, ist er der unangefochtene Pop-Märchenprinz der Teenie-Herzen. In Federboas und Glitzer-Onesies hüpft Styles über die großen Bühnen der Welt, predigt Nächstenliebe ("Treat people with kindness") und verbreitet mit seiner Mischung aus gefühlvollen Balladen und energiegeladenem Retro-Pop eine Menge gute Laune.
Ein Werbedeal mit Gucci, Fotoshootings mit den größten Unterhaltungs- und Modemagazinen und Filmrollen in Hollywood-Blockbustern wie "Don't Worry Darling", "Der Liebhaber meines Mannes" und "Eternals" werden dem Sänger geradezu hinterher geschmissen. Für seine Musik erhielt er in diesem Jahr gleich zwei Grammys.
144 Seiten Fan-Schwärmerei
Niemand erreicht so einen Erfolg im Alleingang. Neben einer umwerfenden Band und einem großen Team im Hintergrund zählt Harry auf seine zahlreichen Fans, mit denen er im Internet zwar wenig, bei seinen Konzerten dafür um so mehr interagiert. Für seine Fans ist Styles das ganze Universum. Besonders, wenn sie Charlotte McLaren heißen. Mit ihrem 2021 erschienenen Erstling "The Book of Harry: A Celebration" widmete die Kulturredakteurin (Grazia, BBC) dem Sänger ganze 144 Seiten uneingeschränkter Fan-Schwärmerei.
Seit Oktober gibt es das Fanbuch auch als deutsche Übersetzung mit dem Titel-Zusatz: "Das große Harry-Styles Fanbuch". Hierbei handelt es sich um eine Styles-Laudatio "von einem Fan für seine Fans". Für McLaren, die nach eigenen Angaben nur deshalb Journalistin wurde, um One Direction zu treffen, ist Harry ein Mann, der nichts falsch machen kann. Nie hegt er auch nur einen schlechten Gedanken. Nein, nicht ihr Harry! Er ist "unglaublich talentiert", "sehr sehr witzig" und "das Musterbeispiel eines Multitalents".
Diese Art der Komplimente reißt nicht ab. Die zehn Kapitel lesen sich wie eine Kreuzung aus einem Tagebuch-Eintrag einer Zwölfjährigen und einem Bravo-Artikel. Das Buch schließt mit einem Quiz-Teil, der für neue Offenbarungen sorgt, zum Beispiel: "Wie gut kennst du Harry?" und "Wie Harry bist du?". Auch optisch erinnert es ein wenig an eine Mädchen-Zeitschrift: Zahlreiche Seiten sind auf buntem Papier gedruckt. Dazu gibt es hin und wieder ein paar Fotos, die teilweise anhand eines Bildbearbeitungsprogrammes in Aquarell-Optik umgewandelt wurden. Leider wirkt die Übersetzung des englischen Original-Textes so lieblos, als habe man ihn einmal durch eine Übersetzungssoftware gejagt und dann nicht noch mal darüber gelesen. Ein besonders schlimmes Beispiel: "A smart fashion style" wird hier mit einem "klugen Stil" übersetzt. Wie sieht bitte kluge Kleidung aus? Eine kluge Übersetzung klingt jedenfalls ganz anders.
What would Harry Styles do?
Aber mal davon abgesehen: Was bietet das Buch einem waschechten Harry-Fan? Zunächst erfährt man einiges zum Werdegang des Sängers, aber vermutlich nichts, was ein richtiger Fan nicht schon längst weiß. Nett ist hingegen, dass die Autorin für jede Laune einen Songvorschlag parat hält. Zum Beispiel empfiehlt sie "Cherry", wenn "du versuchst, nicht den Instagram-Account deiner*s Ex zu durchstöbern" und "Drag Me Down" für Tage, an denen man mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden ist.
Neben Tipps für gelingende Freundschaften, Self-Care und ein neues Modebewusstsein enthält das Fan-Buch zahlreiche Ermutigungen zu mehr Selbstvertrauen. Alles Dinge, die die Leserinnen selbstverständlich von Harry lernen können. Von ihm könne sich eben jede(r), eine Scheibe abschneiden. Die Bewunderung nimmt teils religiöse Züge an. Es würde mich nicht wundern, wenn die Autorin, völlig unironisch, ein Armband mit der Aufschrift W.W.H.S.D ("What would Harry Styles do?") trägt. Gut, dass der Junge (noch) keine Sekte gegründet hat. Es wäre nicht auszudenken, wie sehr er seine Fanatiker im Griff hätte.
Ein Vorbild, das seinesgleichen sucht
Charlotte McLarens uneingeschränkte Styles-Verehrung kann und sollte man nicht sonderlich ernst nehmen. Wer ein Fanbuch kauft, sucht wahrscheinlich nicht nach einer kritischen Betrachtung des Künstlers. McLaren himmelt Harry jedoch so sehr an, dass die zuckersüße Lobeshymne nach spätestens fünf Seiten unerträglich wird. Im Kapitel "Harrys Lektionen in Sachen Gleichberechtigung und Inklusion" erwähnt McLaren Harrys Aussagen zu sozialen Themen. Die gute Absicht ist erkennbar, doch auch hier verklärt sie Styles. Die Autorin präsentiert Harry als das beste Vorbild in jeder Hinsicht: In ihren Augen ist er ein Vorzeige-Feminist, Antirassist und LGBTQ-Ally. Dass nach Styles' berühmtem Vogue-Fotoshooting im Jahr 2020 eine große Debatte über Queerbaiting losbrach, erwähnt sie nicht.
"The Book of Harry" eignet sich für junge Harry-Fans und alle, die es früher geliebt haben, Mädchenzeitschriften durchzublättern und ihre Stars anzuschmachten. Für alle, die nicht zu diesen Kategorien gehören, eignet es sich bestenfalls als "Coffee Table Book", das einmal durchgeblättert und dann für immer vergessen wird. Charlotte McLaren scheint im Übrigen selbst nicht viel Wert darauf zu legen, mit dem Buch in Verbindung gebracht zu werden. Denn eigentlich veröffentlicht die Autorin ihre Texte sonst unter ihrem Spitznamen Bonnie McLaren. Auch in ihrem Instagram-Profil findet das Buch nur eine Randerwähnung. In einem Post vom September 2021 schrieb sie: "Es ist so ein lustiges, süßes kleines Buch - ich würde sagen, dass mein 13-jähriges Ich davon begeistert wäre, aber eher wäre es sehr wütend, dass ich ihn noch nicht geheiratet habe."
"The Book of Harry" in einem Zitat zusammengefasst:"
"Danke, dass du uns zum Lachen bringst, Harry, danke für die Musik und die unglaublichen Fashion-Looks, und danke für all die anderen Gründe, warum wir dich lieben (wenn wir ehrlich sind, sind es zu viele, um sie alle aufzuzählen!)."
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2 Kommentare
Dafür sind Bäume gestorben, wo es doch in einer anderen verrotteten Ecke des Internets 57,256 (Stand heute, 13.12.23) Geschichten mit und über Harry Styles gibt, eine utopischer als die nächste, aber vermutlich kohärenter als dieses Buch. Und wenn man noch nicht vollkommen verblödet davon ist, kann man sich in der Kommentarsektion anschauen, wie sich Fans gegenseitig mit dem Tod bedrohen, falls der fiktive Harry Styles es wagt, etwas anderes zu bumsen als seinen ehemaligen Bandkollegen Tomlinson und damit das "OTP" verrät (was auch immer das sein soll).
Sehr seltsam, dieser Harry. So n Typ, der null Ausstrahlung hat, und von dem ich noch nie was hörte, was hängenblieb. Okay, vielleicht muß man dafür "One Direction" gemocht haben.