Punk ist, ähnlich wie Hip Hop, wesentlich mehr als nur Musik. Punk ist vor allem auch Lebenseinstellung, Attitüde gegenüber Institutionen und Gesellschaft, Punk ist aber auch Mode, ja sogar Design. Vor allem aber, so hat es Rod, der dritte Bassist der Ärzte einmal formuliert, ist Punk das, was im Kopf passiert, nicht das, was man am Körper trägt.

Punk drückt vor allem eine rebellische Haltung aus, ist dabei selten konstruktiv und schon gar nicht gesellschaftskonform. Schon in seinen Wurzeln wendet sich der Punk gegen das, Ende der Sechziger Jahre in den USA weit verbreitete, Hippietum.

Dessen utopistischer Weltverbesserungssicht setzen die Proto-Punks eine desillusionierte Weltanschauung entgegen. In popularmusikalischer Hinsicht setzt in den späten sechziger und den frühen siebziger Jahren eine Entwicklung ein, die zu immer pompöseren Produktionen führt. Stark konzeptuell rezipierte Musik dominiert im Gitarrenbereich, eine starke Solo-Lastigkeit zeugt von weit verbreitetem Muckertum.

Dem setzen die ersten Punks bewussten Dilettantismus entgegen. Tommy Ramone, Drummer der Ramones hat Punkrock einmal so definiert: "Pure, stripped down, no bull-shit Rock'n'Roll." Do It Yourself (DIY) wird über die Jahre zum Credo der Punkbewegung, und in der Tat sind viele der ersten Punkmusiker Autodidakten. Legendär ist die Geschichte von den Anfängen der Toten Hosen, nach der Campino und Co. die Instrumente untereinander ausgelost haben. Nicht umsonst wird Punkrock scherzhaft gerne als Dreiakkord-Sport bezeichnet.

Musikalisch gibt es vor dem Punk eine Art Protophase. In den sechziger Jahren sind in den USA Garagenbands aktiv, die einen sehr minimalistischen Rock-Sound spielen. Viele dieser Bands wurden von den Gruppen der British Invasion, allen voran den Kinks, The Small Faces und The Who, beeinflusst.

1969 beginnt dann die Phase des sogenannten Protopunk. Die Detroiter Formation MC5 veröffentlicht "Kick Out The Jams", wohl der erste populäre Song, der das Wort Motherfucker enthält. Im gleichen Jahr erscheint das Debütalbum einer weiteren amerikanischen Band namens The Stooges. Aber auch The Velvet Underground und ihr Protagonist Lou Reed sollen den Punk späterer Jahre stark beeinflussen.

1971 treten im Big Apple die New York Dolls auf den Plan. Sie spielen eine geupdatete Version des frühen Rock'n'Roll und gelten als erste Vertreter des exotischen Subgenres Glam-Punk. Gruppen wie Suicide, Television (deren "Marquee Moon" als Klassiker gilt), Devo und Pere Ubu weisen zwar eine musikalische Experimentierfreude auf, die man dem Punk nicht per se zuschreiben würde, gelten aber allesamt als Vorreiter des Genres.

Vielen Bands dieser Zeit ist eine ungewöhnliche Ästhetisierung des scheinbar Hässlichen gemein, in New York formiert sich eine ganze Kunstszene um die Protopunks. Rund um den Globus finden sich bereits vereinzelt Vertreter dieser neuen Musikrichtung, in Deutschland kann man gewissermaßen Neu! dazu zählen, in Australien gründen sich Radio Birdman.

In der ersten Hälfte der Siebziger kommt vermehrt der Gebrauch des Begriffs Punk auf. Ethymologisch ist die Geschichte des Worts nicht einwandfrei geklärt, es ist lediglich gesichert, dass es sich dabei um eine herabsetzende Bezeichnung handelt. In ihrer Ablehnung gültiger gesellschaftlicher Konventionen eignen sich die Punks den Terminus an.

1975 erscheint die erste Ausgabe des selbstgemachten Magazins "Punk". Die Musikfans Legs McNeil, John Holmstrom und Ged Dunn veröffentlichen das Heft, das aus kopierten Collagen besteht und prägen somit ein ganz eigenes Publikationsgenre, das Fanzine. Die DIY-Ästhetik des Hässlichen findet auch hier Einzug und hat in den nächsten Jahrzehnten ungezählte Nachahmer. "Punk" erscheint bis 1979 in 17 Ausgaben, 2006 wird es wiederbelebt.

New York ist, wie könnte es anders sein, auch die Geburtsstadt des Punk selbst. 1974 gründet sich hier eine der Formationen, die zu den großen Drei des Punk zählen soll, die Ramones. Sie treten schon bald im CBGBs auf, dem 1973 gegründeten Musik-Club in Manhattan. Besucher des Venues können den Dilettantismus der Band kaum fassen, sind aber ebenso fasziniert wie abgestoßen.

Weitere Bands, die im CBGBs performen und im weitesten Sinne dem frühen Punk oder dem Protopunk zugeordnet werden können, sind Blondie, Television und die Musikerin Patti Smith. Ihr 1975er Album "Horses" zählt zu einem frühen Meilenstein des Punk. Fast zeitgleich erscheint mit "Blitzkrieg Bop" die erste Single der Ramones. Punk ist geboren.

Quasi bei der Geburt dabei war ein Engländer namens Malcom McLaren. Er sollte einer der Protagonisten des britischen Punk werden. In New York hatte der kurzfristig die Dolls gemanagt, das Wissen wendet er in Zukunft bei den zweiten der Großen Drei an, den Sex Pistols.

Zunächst aber eröffnet er auf der Londoner King's Road den Modeladen SEX, den er zusammen mit einer der wichtigsten Modedesignerinnen des zwanzigsten Jahrhunderts führt, Vivian Westwood. Hier verkaufen sie sogenannte Anti-Fashion, Kleidung, die integraler Bestandteil der Punk-Szene wird. Hier muss allerdings klar unterschieden werden zwischen Fans und Musikern. Die Anhänger kleiden, schminken und piercen sich bald nach strengen Vorgaben der Szenepolizei, um aufzufallen und zu schockieren.

Als Erkennungszeichen für einen "echten" Punker stehen gefärbte, hochgestellte Haare, mitunter ein Irokesenschnitt (ein schmaler, hochgestellter Haupthaarstreifen auf dem Scheitel des Kopfes, der Rest rasiert), gepiercte Ohren, Nase und Wangen, evtl. selbstgemacht mit Sicherheitsnadel, bunte, manchmal zerrissene Kleidung, karierte Hosen bzw. Röcke, Stiefel. Wert gelegt wird auf Individualismus und Anderssein. Im Laufe der Zeit erwächst daraus natürlich ein immenser Konformismus.

Die ersten Punk-Musiker selbst hingegen zeichnen sich zwar durch einen lockeren bis leicht verranzten Kleidungsstil aus, legen aber keinerlei Wert auf eine stringente Uniformierung. Ebenfalls bezeichnen sich die Aktivisten anfangs nicht als Punks.

Anfang Juli 1976 spielen die Ramones einige Gigs in London, viele Punks und Musiker sehen die New Yorker und sind inspiriert. Unter den Konzertbesuchern sind auch Mitglieder der Sex Pistols und von The Clash, der dritten großen Band des Genres. Der Juli 1976 gilt als Startschuss der Punk-Ära in der alten Welt.

Während die Ramones einen sehr poppigen Punk spielten, minimalisieren die Sex Pistols den Sound und gelten so als die typischste aller großen Punkbands. The Clash zeichneten sich durch eine besondere Experimentierfreude aus, sie inkorporierten andere Musikstile, vor allem Dub und Reggae in ihre Stücke.

Die Pistols, 1975 gegründet, bringen in ihrer kurzen Karriere bis 1978 lediglich vier Singles und ein Studioalbum (das legendäre "Never Mind The Bollocks, Here's The Sex Pistols") heraus, haben aber mit "Anarchy In The U.K.", "Pretty Vacant" und "God Save The Queen" drei epochale Punkhits produziert. Spätere Wiederbelebungsversuche der Band scheitern kläglich.

Die beiden Bandmitglieder John Lydon aka Johnny Rotten und Sid Vicious sind über ihr Genre bekannt geworden, ersterer wegen seiner markanten Stimme und seinem legendär großen Maul, letzterer wegen seines exzessiven Lebensstils und dem Selbstmord nach dem wohl von ihm begangenen Mord an seiner Freundin Nancy Spungen. Und wegen seiner Interpretation des Sinatra-Klassikers "My Way".

Während die Ramones zusammenbleiben, bis die Mitglieder nach und nach wegsterben (Joey stirbt 2001, Dee Dee 2002, Johnny 2004), ist auch The Clash nur eine begrenzte Karriere beschert. Sie kommen in zehn Jahren Bandgeschichte bis 1986 immerhin auf sechs Studioalben, entfernen sich auf Grund ihrer Experimentierfreude im Laufe der Zeit aber immer mehr vom originären Punkrock.

Singles wie "London Calling", "Rock The Casbah" oder "Should I Stay Or Should I Go" haben sie unsterblich gemacht. Den Pionieren folgen in den Jahren 1976 und 1977 viele andere Bands, die wichtigsten sind wohl The Damned, The Vibrators und The Buzzcocks.

Die Punkmusikszene leidet, wie andere Genres auch, unter einer starken Männerdominanz. Punkerinnen der ersten Stunde sind relativ rar gesät: Siouxsie und ihre Banshees, Patti Smith, Chrissie Hynde von den Pretenders, die Slits als reine Frauenband, Poly Styrene von X-Ray Spex und Blondies Debbie Harry sind die wichtigsten Vertreterinnen.

Ein politisch-emanzipatorisches Element im Punkrock entwickelt sich erst später. Während die Punkbands der ersten Stunde noch gemeinsam auf Tour gehen und in althergebrachten Venues und Universitäten auftreten, fangen die Bands der zweiten Welle (die 1977 schwappt) an, sich selbst zu organisieren.

DIY beschränkt sich nicht mehr allein auf die Musik. Konzerte und Venues werden in Eigenregie organisiert, Flyer, Plakate und Fanzines werden gedruckt, die Szene ist aktiv wie nie.

In Kalifornien formieren sich bereits 1976 die ersten Bands, unter ihnen die Dickies. Auch die Szene in der Hauptstadt Washington, kurz D.C., erwacht. In der Folgezeit entwickelt sich der Sound weiter. Härter, schneller, tiefer. Mehr Aggressivität ist das Credo, das ein ganzes neues Subgenre schafft: Hardcore.

Auch hier gibt es drei große Vertreter: Black Flag mit ihrem charismatischen Sänger Henry Rollins, die afro-amerikanischen Bad Brains und Minor Threat um Ian MacKaye. Währenddessen entwickelt sich in New York ein weiteres Genre, das unter anderem von Punk beeinflusst wird: No Wave.

In Großbritannien findet Punk, anders als in den USA, den Weg in die Charts. Und eine weitere Entwicklung zeichnet sich ab: Punk wird politisch. Auch wenn The Clash auf ihrem Debütalbum Themen wir Arbeitslosigkeit, Polizeigewalt und Diskriminierung ansprechen, gilt Crass als die wohl erste wirklich politische Band des Genres. Andere Bands wie Sham 69 und Angelic Upstarts folgen. Wegen ihrer populistischen Texte wird die Musik dieser Bands in das Subgenre Streetpunk eingeordnet.

Mehr Bands folgen jetzt dem Beispiel von The Clash und ziehen Einflüsse aus Reggae, aber auch aus Ska in ihre Musik ein. 2Tone entsteht und der Punk setzt international zum Siegeszug an. In Deutschland gibt es einige Bands, die eine Art Protopunk, orientiert an der Neuen Deutschen Welle, spielen, wie zum Beispiel Abwärts oder die Fehlfarben.

Während sich weltweit der Punk etabliert, entwickelt er sich in den Mutterländern bereits weiter. Die Bands entwickeln sich musikalisch weiter und schlagen zum Teil zugänglichere Richtungen ein. Sie läuten die Post Punk-Phase ein, das Genre New Wave ist geboren.

Zu bekannten Post Punk-Bands gehören The Fall, Joy Division, Gang Of Four und Public Image Limited von John Lydon, dem ehemaligen Sex Pistols-Sänger. In den USA ist immer noch Hardcore angesagt. Ian MacKaye und Mitstreiter Jeff Nelson gründen das Dischord Label, Minor Threat wird zur musikalischen Speerspitze der Straight-Edge-Bewegung. Straight Edger entsagen in der Regel dem Genuss von Alkohol, Tabak, illegalen Drogen und ernähren sich vegan. Strengere Auslegungen verlangen auch die Abstinenz von Koffein und eine gewisse sexuelle Enthaltsamkeit.

Neben den großen Drei des Hardcore entstehen Bands wie die Circle Jerks, die Germs, TSOL, Dead Kennedys, Hüsker Dü und Angry Samoans. Auch die Beastie Boys fingen als Hardcoreformation an. Diese Ausrichtung des Punk zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie von Anfang an politisch ist. Dies verstärkt sich, als 1981 Ronald Reagan zum Präsidenten der USA gewählt wird und einen konservativen Backlash auslöst.

Im Laufe der Jahre diversifiziert sich auch der Hardcore, und auch er verbreitet sich über den Planeten. No Means No, Neurosis und Slapshot gehören zu wichtigen Achtziger-Hardcorebands. Während diese Formationen (Neurosis mit Abstrichen) den Spielregeln des Hardcore folgen, schlagen Bands wie Snapcase innovativere Wege ein. In den Neunzigern entwickelt sich unter Hinzunahme von Metal-Elementen Metalcore.

Nach dem Jahrhundertwechsel bekommt der Hardcore eine, mit Bands wie Rise Against und Strike Anywhere, melodischere Note. Dem Hardcore verdanken wir übrigens nicht nur Straight Edge, sondern auch das Moshen und das Stage-Diven, respektive Crowd-Surfen. Trotz allem aggressiven Auftreten wird Solidarität miteinander in der Szene groß geschrieben.

Gleichzeitig leiden Hardcore wie Punk unter den engen Selbstbeschränkungen der Szene, die zum Beispiel von Straight-Edgern Intoleranz gegenüber Nicht-Straight-Edgern hervorbringt, oder kommerziell erfolgreiche Bands als Sell-Out verstößt. Grundsätzlich aber dominieren Offenheit und linksliberale bis anarchistische Werte Punkrock und Hardcore.

Aus dem britischen Streetpunk erwächst 1980 der Oi!-Punk. Berühmte Vertreter sind beispielsweise die Cockney Rejects, The Business und The 4-Skins. Parallel dazu entstand Poppunk. Die Ramones hatten vorgemacht, wie man Pop im Punk einbauen kann, die Buzzcocks und die Undertones folgen.

In den USA formieren sich Bad Religion (1980) und NoFX (1983), auch sie tragen ein großes Maß an Poppigkeit im Songwriting, auch wenn man es beim ersten Hören vielleicht nicht feststellt. Die kommerziell erfolgreichste poppige Punkband soll aber Green Day werden. In ihrem Fahrwasser stoßen auch Blink 182 und Good Charlotte in obere Chartregionen vor. Punk kommt im Mainstream an, das zeigt sich ab den Neunzigern zum Beispiel auch in der Mode. Höhepunkt der Vereinnahmung von Punk-Insignien ist wohl der schwarz-rot-goldene Irokesenschnitt von Christian Ziege bei der WM 2002.

Auch musikalisch gibt es ab der zweiten Hälfte der Achtziger kein Halten mehr: Der Punk dividiert sich in immer mehr Subgenres. Psychobilly, Punkabilly, Horror Punk, Ska Punk/Ska Core, Fun Punk, Skate Punk, Punk'n'Roll, Beat Punk, Melodic Punk sind nur einige Beispiele.

Auch in Deutschland hat sich die Szene in verschiedene Richtungen entwickelt, Bands wie Slime oder die Terrorgruppe haben einen ganz anderen Ansatz als beispielsweise Die Ärzte oder Die Toten Hosen. In einer ganz eigenen Liga spielen Die Kassierer, ebenso wie Die Goldenen Zitronen. In ganz Europa gibt es Szenen, vor allem in Schweden, in denen das renommierte Burning Heart-Label aktiv ist. Millencolin macht sich einen Namen, eine richtungsweisende schwedische Hardcore-Band ist Refused. Ihr Album "The Shape Of Punk To Come" gilt als eines der innovativsten Genre-Alben der Neunziger.

Heute halten Bands wie eben Bad Religion, NoFX, Rancid, The Offspring oder Green Day im Licht der Öffentlichkeit die Fahne des Punk hoch. Kommerzialität und Underground existieren nach wie vor nebeneinander, die Szenepolizei gibt es auch immer noch. In den Jahren der Bush-Regierung erfährt auch der politische Punk/Hardcore in den USA eine Erweckung.

Wer sich eingehender mit der Materie beschäftigen möchte, dem seien folgende Publikationen ans Herz gelegt: "Please kill me! Die unzensierte Geschichte des Punk" von Legs McNeil und Gillian MacCain, "Englands Dreaming" von Jon Savage, "Verschwende deine Jugend" von Jürgen Teipel und "If the kids are united - Von Punk zu Hardcore und zurück" von Martin Büsser. Sie dokumentieren den Punk generell, während John Lydon ein Buch über die Sex Pistols veröffentlicht: "Rotten - No Irish, No Blacks, No Dogs".

Halb Fiktion, aber trotzdem schön zu lesen, sind Rocko Schamonis "Dorfpunks" und Tony Parsons "Als wir unsterblich waren". Filmdokumentationen zum Punk gibt es sicher viele, zu den sehenswerten gehören: "American Hardcore" von Paul Rachman und "Punk Attitude" von Don Letts. Über die Sex Pistols gibt es den Dokumentarfilm "The Filth And The Fury" von Julien Temple, der ebenfalls einen sehenswerten Film über The Clashs Frontmann Joe Strummer gedreht hat, "The Future Is Unwritten". Einen Film über The Clash selbst gibts auch, Don Letts "Westway To The World".