12. Juli 2017

"Die Jennifer-Rostock-Sängerin hat sich furchtbar aufgeregt"

Interview geführt von

"Keine Nacht für Niemand" heißt die aktuelle Platte der Chemnitzer Band Kraftklub, auf dem sie sich ausgiebigst vor ihren musikalischen Helden verbeugen, mehr noch: diese zum Teil sogar als Gäste mit dabei haben. Auch der dritte Streich ist der Band um Sänger Felix Brummer geglückt: "Keine Nacht für Niemand" ging schnurstracks auf 1.

Dabei machte das Album im Vorfeld mit einer Kontroverse um den Song "Dein Lied" von sich reden. In dem beschimpft der Protagonist seine Ex-Freundin als "verdammte Hure" – das stieß erwartungsgemäß nicht überall auf Verständnis und brachte der Band einiges an Kritik ein.

Wir trafen Kraftklub-Sänger Felix Brummer, Bassist Till Brummer und Schlagzeuger Max Marschk in Berlin zum Gespräch.

2012 habt ihr den Song "Ich will nicht nach Berlin" veröffentlicht, euer neues Album habt ihr aber wieder hier aufgenommen. Wars arg schlimm?

Felix Brummer: Nein, im Gegenteil. Es war sehr schön. Wir sind ein bisschen wie Montagearbeiter. Kulturmontage. Während der Woche sind wir nach Berlin gefahren und haben Musik gemacht von früh bis abends. Dann haben wir abends noch Konzerte angeguckt.

Till Brummer: Wir haben die anderen beiden Alben auch in Berlin aufgenommen, mit dem selben Produzenten. Insofern war das nichts Neues. Dieses Mal waren wir im Studio eine Etage weiter oben, alles ein bisschen größer, aber ansonsten: fester Ablauf.

Wir läuft die Arbeit im Studio?

Max Marschk: Völlig langweilig und unromantisch. Wir hatten schon viel vorher im Proberaum erarbeitet und sind dann mit fertigen Songs ins Studio gegangen. Dann haben wir alles nur noch runtergespielt, wir haben im Studio gar nicht mehr lange daran rumgetüftelt und dies und das ändern müssen.

Felix: Das letzte Album ist mehr oder weniger im Studio entstanden, das haben wir auch im Studio geschrieben. Das Album davor entstand zwischen Tür und Angel, als wir zum Beispiel von Festivals zurückgefahren sind, da haben wir da und dort noch schnell eine Gitarre eingespielt. Für dieses Album hatten wir unglaublich viel Zeit, weil wir uns eine Pause genommen hatten und gesagt haben, wir machen solange, bis wir wieder was haben.

Wir waren dann überraschend schnell und haben die Songs in Chemnitz fertig gemacht, so, dass wir sie spielen konnten und dass sie sich gut angefühlt haben - und sind dann zum ersten Mal so richtig in ein Studio gegangen und haben die Songs eingespielt. Natürlich ist hier und dort noch ein bisschen was dazu gekommen, aber mehr oder weniger hatten wir ein fertiges Album, bevor wir ins Studio sind. Das war für unsere Herangehensweise Gold wert.

Es ist euer drittes Album, die ersten beiden liefen wirklich fantastisch. Habt ihr eine Art Druck verspürt?

Till: Eher weniger, beim zweiten war das schon schwieriger. Weil ja alle hoffen, dass man es beim zweiten verkackt. Die Erwartung waren da hoch. Beim dritten ... Also ich als Bassist jetzt sowieso nicht, aber (zu Felix) hast du Druck verspürt?

Felix: Nein, es war eher befreiend. Wir haben erst bei den Aufnahmen für dieses Album gemerkt, wie unentspannt eigentlich die Arbeiten an der zweiten Platte waren. Man hat wirklich so dieses Debüt, das Platin gegangen war, im Nacken. Im Vergleich ist das superentspannt – aber auch, weil wir diese Pause hatten. Niemand hat damit gerechnet, dass wir etwas machen.

Till: Beim zweiten haben wir aber auch gesagt: Entweder es finden jetzt alle scheiße, weil es dasselbe ist oder es finden alle scheiße, weil es was anderes ist. Deswegen finden es eh alles scheiße.

Felix: Ja, hatten wir halt so gesagt. Aber im Hinterkopf hatten wir doch irgendwie 'Ach naja, das wäre schon nicht schlecht, wenn da so ein Song drauf wäre, den sie auch im Radio spielen könnten'. Davon haben wir uns dieses mal wirklich komplett frei gemacht.

Die Leute haben sich also nichts Neues von euch erwartet – und plötzlich kamt ihr mit dieser lustigen PR-Aktion, dem mehrstündigen Livestream, bei dem so gut wie nichts passiert ist.

Felix: Die Idee gabs schon länger. Wir hatten überlegt, was wir machen könnten, um nicht sagen zu müssen, 'Hey Leute, jetzt sind wir wieder da, ab morgen könnt ihr unser Album vorbestellen'. Die Vorstellung, dass man die Leute zehn Stunden lang am Screen zugucken lässt, wie man was baut, was man dann in drei Minuten abbrennt ... Das waren ja echt zehn Stunden. Da mussten wir schon lachen.

Max: Ich weiß noch, als wir das finalisiert haben, nach der zweiten, dritten Studiowoche – und ein halbes Jahr später stehst du davor. Da hatte man Angst, dass das nicht alles zusammenbricht beim Aufbau ...

Felix: Das war so eine Schnapsidee. Und das K, das musste so groß sein wie ein Haus. 15 Meter hoch. Und brennen musste es auch.

Max: Der, der es gebaut hatte, hat uns am Ende gefragt, wie wir denn auf 15 Meter gekommen seien - woher sollen wir das denn wissen!

"Ich finde Bands gut, die sich nicht in ein Korsett schnüren lassen"

Es gab ja eine Kontroverse um die Single – beziehungsweise um die Textstelle, in der der Protagonist seiner Ex eher uncharmant "Du verdammte Hure" an den Kopf wirft.

Felix: Ja, es gab Artikel, die sich sehr negativ geäußert haben, wiederum andere hatten auch eine andere Position. Das war schon interessant zu sehen, wie die Leute das wahrnehmen. Zu beobachten, dass manche deswegen wütend waren, weil sie nicht erwartet hätten, dass wir so einen Song machen. Dass sie das bei irgendeinem Rapper durchwinken würden, aber nicht bei uns. Wie können die bloß so schlimme Wörter sagen? Und dann meinten manche in ihrem Ärger, das liege daran, weil sie einfach nicht gesehen hätten, dass wir schon immer Chauvinisten waren! Den naheliegenden Gedanken, dass es vielleicht einfach eine Distanz zwischen Protagonist und Autor gibt, haben sie nicht gefasst. Dass das lyrische Ich eine Perspektive sein könnte, die wir gewählt haben.

Till: Es kann auch daran liegen, dass Felix in den meisten Liedern das lyrische Ich war. Und dass das jetzt ein Song war, bei dem das nicht mehr so ist. Er versucht ja diese andere Person maximalst möglich zu beleidigen. Dass das für uns aber natürlich kein alltäglicher Gebrauchsbegriff ist ...

Felix: Da uns vorher ja immer dieser Gedanke der vermeintlichen Authentizität umweht hat, dass Leute dachten, okay, deren Songs sind authentisch – von diesem Gedanken haben wir uns auf dieser Platte ja deutlich emanzipiert. Weil es auch langweilig wäre. Wir haben zwei Platten gemacht: Die eine handelt davon, wer man ist und wo man herkommt, auf der die Jugend verarbeitet wurde. Auf der zweiten Platte konnte man noch mal dieses Phänomen 'Huch, wir sind ja wirklich Rockstars geworden, diese Unwahrscheinlichkeit ist tatsächlich wahr geworden' reinpacken.

Und dann steht man textlich vor der Frage: Was kommt danach? Wiederholt man sich, versucht man das nach wie vor aus dem eigenen Leben zu ziehen? Da stellt man relativ schnell fest, dass es unglaublich langweilig wäre, sich auf das eigene Leben, die eigenen Erfahrungen zu beschränken. Sondern dass man sich als Songwriter sieht und Songs aus interessanten Perspektiven schreiben, die wir aus verschiedenen Gründen interessant finden. Und da ist natürlich die Figur des gebrochenen Ex-Freundes eine davon. Aber es gibt auch die Figur des drogensüchtigen Typen, die Figur des Lohnsklaven ... es hat wohl irritiert, weil es unvermittelt kam. Wir wollten als erstes Lebenszeichen einfach den Song nehmen, der musikalisch am weitesten davon weg ist, was wir davor gemacht haben. Dass das auch inhaltlich so schockieren konnte, hatten wir gar nicht so auf dem Zettel.

Ihr konntet das entspannt beobachten?

Felix: Ich war entspannt, als es die ersten Artikel in der Zeit und der Welt gab. Wo ich dann der Begriff des lyrischen Ichs mal auftauchte. Weil ich dachte: Das können die doch nicht sehen. Dass es eine Distanz zwischen Autor und Protagonisten gibt. Und dann gabs da Leute ... eine Künstlerin, Jennifer von Jennifer Rostock, die auf ihrer Instagram-Seite sich unglaublich über diesen Song echauffiert hat. Eigentlich gings wohl darum, dass sie nicht auf das Kosmonaut-Festival (das Festival der Band, Anm.) gebucht wurde, aber sie hat sich furchtbar aufgeregt und hat etwas Interessantes gesagt. Sie meinte, dass es ja in Ordnung wäre, wenn die Frau weggelaufen ist, im Freundeskreis so zu schimpfen. Aber das könnte man doch nicht in einem Song machen. Wir sehen es genau anders rum. Man kann es in einem Song sagen, aber privat irgendjemanden "Hure" zu nennen, Alter was geht ab bei dir?

Die Platte ist sehr referenziell. Beim Titel angefangen.

Felix: Eigentlich endet es eher mit dem Titel. Die Platte ist deshalb die Platte geworden, die sie ist und voller Referenzen und Verbeugungen vor Künstlern, die uns begleitet haben auf unserem Weg – und am Ende haben wir gesagt, die Platte braucht einen Titel, der das unterstreicht, der dazu passt. Und dann kamen wir auf den Titel, der ja auch in einem Song vorkommt. Rio Reiser und Ton Steine Scherben waren für uns immer ein Pfeiler, ein Orientierungspunkt. Nicht nur, weil sie großartige Songs geschrieben haben, sondern weil sie es auch geschafft haben, das Politische unpeinlich mit Liebeslieder zu verbinden.

Ich fand das immer gut, wenn sich Bands nicht in ein Korsett schnüren ließen: Das sind die Ironischen, das sind die Ernsten, das sind die Hochintellektuellen, das sind die Prolligen. Wenn wir Lust auf einen todernsten Song haben, machen wir das. Und wenn wir danach Lust darauf haben, uns als Priester selbst abzufeiern, dann machen wir das. Weil das funktioniert für uns. Deshalb auch der Titel: Eine Verbeugung vor einer Band und vor allem einem Texter, der uns sehr beindruckt hat.

"Depeche Mode waren nicht bei uns im Studio"

Unter anderem ist Sven Regener zu hören. Ein Sample oder war er tatsächlich im Studio?

Felix: Fast auf jedem Song sind Leute drauf – mehr oder weniger gut zu hören – die den Weg für uns bereitet haben, auf die wir uns beziehen. Manche sind direkt auf der Platte drauf, haben Sachen eingesungen, manche Leute sind nicht auf der Platte drauf, vor denen haben wir uns mit einem Textzitat oder einer musikalischen Anspielung verneigt. Einige sind zu uns in Studio gekommen, wir haben ein Bier getrunken, denen Sachen gezeigt und sie gefragt, ob sie Lust haben mitzukommen. Und manche ... nun, Depeche Mode waren nicht im Studio, sind aber trotzdem auf der Platte vertreten (lacht).

Bassist: Manche sind auch so gut versteckt in Chören, dass du sie gar nicht raushören kannst.

Felix: Das ist dann fast schon esoterisch. Weil es uns wichtig war, dass sie mit drauf sind. Weil sie für uns wichtig waren in den vergangenen Jahren. Und damit mein ich seit ich 13 bin. Wenn diese Platte anhört, weiß er: Da kommen Kraftklub her. Die musikalische Identität steckt in dieser Platte.

Wer war denn tatsächlich im Studio?

Felix: Na, der Sven, der war im Studio. Der Farin, der war im Studio. Und ganz viele mehr. Aber wir wollen auch nicht alles verraten, weil ich die Vorstellung unglaublich reizvoll finde, dass Leute die Platte fünfmal anhören und beim sechsten Mal draufkommen: 'Hey das ist doch der und der'. Das steht auch nirgendwo im Booklet drin!

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5 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Wer ist das? Die sehen die wie die größten Hurensöhne aus?

  • Vor 6 Jahren

    Warum musste die Headline geändert werden? Wurden nicht genug KLicks generiert?

  • Vor 6 Jahren

    Jennifer Weist ging es nicht ums Kosmonaut-Festival. Es ging ihr darum, dass Kraftklub viele junge Fans hat, denen sie mit diesem Song falsche Signale schicken. Jemanden maßlos zu beleidigen und zu beschimpfen sollte niemals eine Reaktion auf eine Trennung oder einen Betrug sein und vor allem sollte man sowas nihct in die Welt hinausposaunen. Es reicht völlig in sich selbst hineinzuschimpfen. Mal abgesehen davon wurde die betrogene Figur des Songs nicht nur von seiner Exfreundin, sondern auch von seinem Kumpel betrogen, was in keinester Weise erwähnt wird. Der ganze Sinn des Songs erschließt sich mir einfach nicht, aber hauptsache schön Publicity damit gemacht.

    • Vor 6 Jahren

      Absolute Zustimmung !

    • Vor 6 Jahren

      Uuuaahrgh, da kommt einem ja echt alles hoch.

      Passt ma auf, ihr SoWi-Studenten. Kraftklub haben keinen Bildungsauftrag, sondern sind primär Künstler, die das aufführen, worauf sie Bock haben. Wie unendlich anmaßend ist es, von denen zu verlangen, die Erziehung eurer Kinder zu übernehmen?
      Da kommt mir wirklich die Potzwut. Sollen die Eltern das halt als Anlass nehmen und mit ihren Blagen mal über 'Huren' sprechen, ihnen den Kontext erklären.
      Aber kann doch nicht sein, dass jetzt alle nur noch über Rosen und Veilchen singen, weil sich die verdammte Hure isabel_sunny vor ihrer Verantwortung drückt und lieber in einer Welt leben will, in der jeder jederzeit aufpassen muss, wie und vor allem was er sagt. Sei nicht so fucking feige und lerne, über kontroverse Themen zu reden, lerne, auch mal in einen Konflikt zu gehen. Fotze.

      Ich habe Kraftklub übrigens nie gehört.

    • Vor 6 Jahren

      'Falsche Signale'... richtiger Kevin-Kommentar.

    • Vor 6 Jahren

      Wäre besser gewesen hätte deine Hure von Mutter dich mal erzogen statt die ganzen Alkis die sich bei dir zu Hause abwechselnd die Klinge der Schlafzimmertür in die Hand gedrückt haben.... Hmmm.... Obwohl?..... Vielleicht doch nicht....
      Höre Kraftklub auch nicht

    • Vor 6 Jahren

      Siehste, und genau weil wir hier jetzt mit offenen Karten reden, kann auch endlich mal eine ehrliche Diskussion stattfinden. Da is jetzt mal Dampf im Kessel.
      Wenn wir immer nur aufpassen, dass wir nicht irgendwem irgendwie und auf irgendeine Art und Weise 'falsche Signale' zusenden, dann wird es a) keinen Meinungsaustausch mehr geben, aus dem heraus man eigentlich immer noch was lernen kann, und b) führen wir eine Form von Zensur ein, für die wir Heiko Maas gar nicht erst brauchen.

      In diesem Sinne, lieber tanze ich in einem Regen aus AIDS, als mir nur Fotos deiner Hure von Mutter anzuschauen.
      Und du Scientologe siehst bestimmt aus wie ein Last-Minute-Geschenk vom Pekinger Flughafen, wie ein halbfertiger und dann entsorgter Klon.

    • Vor 6 Jahren

      scientologe sieht eher aus wie der niko_laus.

    • Vor 6 Jahren

      Aids wird in deiner Familie sicherlich ein grosses Thema sein. Hätte deine Mutter das mal lieber professionell gemacht dann wäre auch noch Geld für Kondome übrig gewesen statt dem täglichen Karton Aldi Weißwein. Netter Nebeneffekt wäre deine Nichtexistenz.
      Höre Kraftklub übrigens immer noch nicht die sind mir zu vulgär!

  • Vor 6 Jahren

    Würde auch privat nie jemanden eine Hure schimpfen. :O