16. Juli 2014

"Lieber soll der Nazi sterben!"

Interview geführt von

Wer einen guten Gesprächspartner sucht, gerät bei form an den Richtigen. Die Themen gehen jedenfalls nicht aus: Wir kamen über seine aktuelle EP auf Identität, Individualität und Wir-Gefühl, auf die Großmäuligkeit im Rap und die Dummheit der Menschen, auf Montags-Demos, Nazis, Gewalt, Gegengewalt, Gründlichkeit und christliche Werte und definierten nebenbei das Gutmenschentum neu.

"Dies ist die total seriöse Mailbox-Ansage von David Häußer", informiert die Stimme vom Band. "Bitte nehmen Sie das ganz arg ernst und lachen Sie nicht." Na, gut. Dann eben nicht. Zwei Minuten später habe ich den Herrn, der mir viel eher wahlweise als form, prim oder mit seinem Projekt Musik für Menschen ein Begriff ist, dann aber doch an der Strippe. Mit total seriösen Fragen im Gepäck, versteht sich.

Mist. Ich musste über die Ansage doch tatsächlich lachen.

Ich mach' das eigentlich ganz gern, so richtig schwachsinnige Mailboxansagen aufzunehmen. Aber das funktioniert halt teilweise bei Leuten, die mich nicht kennen und die eher in Amt und Würden und Vertragsscheiße denken, voll dumm. Die haben keinen Humor und fangen dann an, dumme Sachen zu sagen. Deswegen überlege ich, demnächst die Mailbox leider abzuschaffen. Ich hab' dann auch dreißig Mailbox-Nachrichten ... blah!

"form ist voll sehr gut und entzieht sich ziemlich stark einer Festlegung." Mit diesem Zitat beginnt dein Porträt auf laut.de. Empfindest du diese Selbsteinschätzung immer noch als zutreffend?

(Überlegt) Einerseits ja, andererseits nein. (Lacht) Was natürlich irgendwie der Beschreibung entspricht. Ich empfinde das Konzept der Identität jetzt nicht völlig absurd. Ich bin aber andererseits dafür, dass man mehrere Identitäten hat. Diese Komplett-Festlegung, "Ich bin jetzt nur so und so und werd' nie anders sein, ich bleib' immer der, der ich bin", das ist ja eh Unsinn. Das ist Quatsch! Man bleibt nie der, der man ist. Man wird ständig jemand anderes, durch Erfahrung, durch das, das passiert. Das ist ja auch wichtig. Ich meine damit eher: Ich will nicht starr bleiben. Ich denke immer, man kann noch was machen. Man kann, was einen an einem selber nervt, ändern. Man kann natürlich potenziell auch verlieren, was an einem cool ist. Man kann scheiße werden. Da muss man eben aufpassen, dass man das nicht wird. Dass ich mich einer Festlegung entziehe, das mach' ich ja sowieso. Ich hab' ja verschiedene Künstlernamen, mach' verschiedene Arten von Musik, noch viel mehr Dinge außer Musik und innerhalb dieser Dinge noch viel mehr Dinge. Also ... ja. Ja, ich würde sagen: Das gilt noch.

Du sprichst selbst deine unterschiedlichen Namen und Künstleridentitäten an. Bezieht sich diese Einschätzung auf alle davon, nicht nur auf form?

Auf jeden Fall. Auch innerhalb von form. Ich weiß gar nicht, wie das die anderen Rapper machen, die immer nur komplett eine Schiene bedienen, die immer nur so und so sind. Niemand ist so! Ich bin mal wütend. Dann mach' ich ein wütendes Lied. Ich bin auch mal traurig. Dann mach' ich ein trauriges Lied. Ich bin gut drauf. Dann mach' ich ein Lied, das völliger Quatsch ist. Keine Ahnung, das findet sich halt auch da wieder. Ich hab' politische Ansichten, da kommt auch mal ein politischer Track dabei raus. Das passiert alles in der Musik. Ich mach' das so, wie ich eigentlich denke, dass es immer sein sollte. Natürlich, klar, wenn Leute meinen, dass nur eine Sorte Lied für sie cool ist, dann ist das auch okay. Aber bei form - oder auch insgesamt bei mir - ist logisch, dass ich alles, worauf ich Bock hab' und was ich ausdrücken will, auch in einem Lied ausdrücke.

Betrachtest du deine verschiedenen Identitäten - form, prim, Musik für Menschen und weiß der Kuckuck, was du noch alles so machst - als unterschiedliche Facetten deiner Person oder eher als eigenständige Persönlichkeiten?

Irgendwie sind das schon alles Facetten einer Persönlichkeit. Das bin ja alles ich, der Mensch, der jetzt gerade hier mit dem Handy durch die Gegend läuft. Es sind ja nicht zwanzig verschiedene Menschen. Es ist miteinander verbunden und nicht so, dass die eine Sache der anderen total widerspricht. Es finden sich sowohl Musik für Menschen-Elemente bei form und prim als auch prim-Elemente bei form. Diese Trennung habe ich tatsächlich eher vorgenommen, weil von außen dieser Blick kommt: "Öööh, was soll das? Wir können dich nicht einordnen." Es war schon ein bisschen der Einfachheit halber. Um es nicht noch komplizierter zu machen. Musik für Menschen - da steckt die Zielgruppe schon im Namen drin. Es hängt auf jeden Fall alles zusammen. Ich bins ja trotzdem. Diese Auftrennung hat wahrscheinlich schon damit zu tun, wie ich von außen wahrgenommen werde.

Dann ist die Unterscheidung ein Dienst am Hörer? Damit er weiß, was er jeweils kriegt?

Auch. Jetzt nicht hauptsächlich, aber schon auch. Es ist aber natürlich auch für mich gut. Wenn ich Sachen mach', die so ausgelagert sind, dann passieren die bei prim. Es hat schon etwas von einer Abtrennung. Sonst bräuchte ich ja nicht extra einen Namen dafür, sondern könnte tatsächlich alles unter einem Dach vereinen. Es ist nicht nur so ein Dienstleistungs-Ding. Wobei das natürlich mit reinspielt. Aber der Versuch, das alles ein bisschen greifbarer zu machen, was - scheint mir manchmal - als komplett unverständlich und gar nicht nachvollziehbar wahrgenommen wird. Aber das liegt halt auch daran: So übertrieben hardcore oder boom-bap-klassisch ist es halt nicht. Dann fehlt den Leuten der Referenzpunkt und sie verstehen es nicht sofort.

Vielleicht bietest du dem durchschnittlichen Rap-Hörer auch ungewöhnlich viel inhaltlichen Input.

Ja, anscheinend ist das so.

Gerade eben habe ich noch "Im Richtigen Leben Lebe Ich" gehört. Spätestens jetzt habe ich nicht mehr das Gefühl, dass du die Bühnenfigur von der Person dahinter trennst. Stimmt das?

Ja, schon. Ich versuche zwar schon, die Trennung zu haben. Ich bin auf der Bühne schon teilweise noch ein bisschen anders. Ich hab' schon eine extrovertierte Seite, die völlig durchdreht und alles. Aber gerade die prim-Sachen: Zum Release-Konzert gibts live prim, aber sonst wird es das nicht mehr geben. Ich trau' mich das einfach noch nicht. Diese Seite existiert aber auch. Ich weiß es nicht. Ich kann mich da nicht für eine Sache entscheiden. Aber natürlich stimmt das. Wie gesagt: Das bin ja ich. Also: Sowohl ja, als auch nein. (Lacht)

Da wars wieder. Stimmt ja auch meistens. Du siehst also offenbar die Notwendigkeit, deine Privatsphäre zu schützen?

Ja, auf jeden Fall. Ich bin ja sowieso schon so dumm, dass ich viel zu viel (unterbricht sich) ... wobei, was heißt 'dumm'? Ich kann das halt gar nicht anders. Ich finde das anstrengend, wenn ich mich so hardcore verstellen muss. Das klappt irgendwie nicht. Ich versuche zumindest, da irgendwie eine Balance zu finden. Ich find' natürlich die Kunst, die sich komplett öffnet und voll tiefe Blicke zulässt, viel interessanter als dieses klassisch oberflächliche Dummgelaber. Ich bin halt auch ein Mensch. Ich find' interessant, wenn Leute etwas von sich preisgeben, auch künstlerisch interessanter. Ich komm' auch nicht damit klar, so zu tun, als sei ich so ein Block, an dem alles abprallt, der über allem steht. Das macht Spaß in der Battlerap-Sphäre, aber es ist auch Unsinn, weil: Niemand ist so. Und die Leute, die sagen, sie seien so, die lügen halt.

Aber das weiß ja auch jeder. Ich schätze, der einzige Unterschied liegt darin, wie gut jemand mit Anfeindungen umgehen kann.

Ja. Ich hab' mich, glaub' ich, noch nicht entschieden, wie gut ich das kann. Manchmal stresst mich die Dummheit der Leute schon. Weniger die expliziten Angriffe. Eher so richtig dumme Sachen. Wo man sich echt denkt: "Hä??! Bist du jetzt völlig ... dumm?" Klar, davor muss man sich irgendwie schützen. Andererseits will ich mir meine Kunst nicht davon diktieren lassen, wie dumm andere Leute sind. Zumindest manche. Das ist ja auch albern. Außerdem bin ich viel zu trotzig, um mich deswegen völlig abzuschotten und so zu tun, als wäre ich ein Backstein.

Die Angst, sich angreifbar zu machen, wenn man sich öffnet, spielt aber mit?

Ja, die Angst ist da. Das Ding ist aber halt: Wenn ich die Angst verstecke, dann geb' ich ja schon wieder den Arschlöchern nach. Dann muss ich mich schon wieder danach richten, wie scheiße die Leute - manche Leute - sind. Das will ich nicht. Deswegen lass' ich das so, wie es ist und mach' mich davon ein Stückchen frei. Dadurch, dass ich die Angst nämlich ausspreche, ist sie schon ein Stück weit besiegt. Weil man dann nicht mehr damit alleine ist.

"Ohne Rap wäre ich ausgetickt."

An einer Stelle in deinen Texten heißt es: "Ich rappe, also bin ich." Liefert dir Rap tatsächlich eine Definition deiner selbst?

Auf jeden Fall. Dazu kommt ja noch: "Ihr hört mich, also bin ich nicht allein." Das ist auch noch wichtig. Ich merke einfach, was mich so umtreibt, was mich so beschäftigt. Gerade Rap mit seiner aufmüpfigen Attitüde: Hier, ich bin cool, hört mir zu! Ich hab' was zu sagen. Blah, ich bin der Geilste seiner Art ... das hat mir tatsächlich bei meiner Persönlichkeitsentwicklung extrem viel geholfen. Dabei, ein Selbstbewusstsein zu entwickeln, das sich jetzt natürlich nicht nur aus völlig überheblichem Größenwahn speist, sondern auch aus einer realistischen Einsicht darin, was man kann und was man nicht kann. Dieses Ding, überhaupt auf der Bühne "Ich!" zu sagen, das hat mir sehr viel geholfen. Deswegen ist mir Rap - und auch Hip Hop - einfach sehr wichtig. Dadurch, dass mir Leute zuhören, bin ich nicht allein. Ich kann mich austauschen, bekomm' Feedback, es passiert irgendwas mit der Musik - das ist super. Daher rührt auf jeden Fall ein Teil meiner Identität, ganz sicher.

Was wär' wohl aus dir geworden - ohne Rap?

Hmmm. (Überlegt) Könnte sein, dass ich ausgetickt wäre. Ich bin wahrscheinlich ein bisschen empfindlicher als andere Menschen. Rap gibt mir ein Ventil, damit umzugehen, mit der Scheiße, die passiert, mit der Aggression und mit der Dummheit der Menschen. Wenn ich dieses Ventil nicht hätte ... ich weiß nicht, wie verzweifelt ich dann geworden wäre und was ich dann gemacht hätte. Mir gehts auf jeden Fall besser so. (Lacht) Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre. Ist ja auch schwierig, das herauszufinden. Ich bin aber froh, dass ich es nicht herausfinden musste.

Du machst auf jeden Fall einen ganz ausgeglichenen Eindruck.

Das freut mich. Wäre ja auch möglich, dass ich mir da selber was vorlüge. Ich tendiere auf jeden Fall schon dazu, mich hardcore zu stressen, mir viel zu viel vorzunehmen und dann natürlich nicht alles zu schaffen, weil es ja Unsinn ist, so viel machen zu wollen. Komplett ausgeglichen bin ich also nicht. Aber .... pfffft!

Na, es gibt ja positiven und negativen Stress. Wenn man Sachen macht, die man sich selbst aufgeladen hat, klar, das kann einen auch stressen. Aber das ist trotzdem etwas anderes, als wenn man von allen Seiten von außen unter Druck gesetzt wird und Dinge tun muss, auf die man gar keinen Bock hat.

Ja, schon. Den meisten Stress mach' ich mir selber. Aber das ist trotzdem ziemlich viel. Beziehungsweise: Ich hals' mir das halt auf und muss dann damit leben, das auch alles abzuarbeiten. Dann hab' ich einfach den Anspruch, das, was ich mir aufgehalst habe, gut zu machen. Und das ist dann teilweise richtig irrational.

Kommt mir vage bekannt vor. Zum Bedürfnis, gehört zu werden: Würdest du Kompromisse eingehen, wenn sich so der Kreis deiner Hörer erweitern ließe?

Das wird tatsächlich öfter gefragt. Ich finde, ich mach' schon voll viele Kompromisse. Ich denk' schon seit 32 Releases: Das ist total massentauglich, das ich da mache. Ich hab' auch noch andere Musik, die noch nicht rausgekommen ist. Die ist halt anstrengend! (Lacht) Ich weiß manchmal gar nicht, was diese Beschwerden sollen. Kompromisse find' ich per se jetzt nicht schlecht. Es bleibt halt immer die Frage, was für ein Kompromiss das ist. Ich hör' ja auch Musik, die gar nicht nur voll der Krach ist. Es kommt drauf an. Wenn es ein Kompromiss zwischen etwas ist, das mir nicht schmeckt oder das ich scheiße finde, und etwas, das ich gut finde, dann halt nicht. Aber wenn es ein Kompromiss ist zwischen etwas, das ich mag ... Musik für Menschen, zum Beispiel: Das ist schon in einem weiteren Sinne Popmusik. Bloß, weil das gesungen ist und die Beats zum Teil ein bisschen eingängiger, bisschen einfacher sind, ist das für mich kein Kompromiss, sondern genau das, das ich haben will. Wenn ich etwas mach', auf einem Beat, der total abgespacet und aggressiv klingt, dann will ich das auch genau so, weil: Ich will ja etwas ausdrücken. Was ich im Text sage, spiegelt sich ja auch im Beat wider und andersherum. Der Beat beeinflusst den Text.

Ja, ich mach' schon Kompromisse. Find' ich. Kompromisse in dem Sinne von: Funktioniert das, was ich ausdrücken will, durch die Form, die es hat? Wenn ich zum Beispiel ein trauriges Lied mache, kommt da rüber, was ich sagen will? Ich finde, es funktioniert. Jedenfalls vom Feedback her. Weil: Leute nehmen das so wahr, wie ich das möchte. Deswegen: Ich mach' Kompromisse, aber keine Kompromisse aus Hype. Das einzige, wo ich tatsächlich Kompromisse mach', ist, wenn mich Leute irgendwo auf einen Beat einladen. Dann nehm' ich auch Beats, bei denen ich sage, ich selber hätt' den jetzt nicht unbedingt genommen. Aber scheiß drauf. Ich bin gerade eingeladen worden. Da fang' ich nicht an, rumzumäkeln. Das ist vielleicht noch am ehesten das, wo ich wirklich Kompromisse im Sinne von Abstrichen mache. das würde ich bei meinem eigenen Zeug nicht unbedingt machen. Ansonsten mach' ich schon Kompromisse - halt nur zwischen coolen Sachen.

Huarr. Jetzt interessiert mich natürlich das kompromisslose unveröffentlichte Zeug, das du für anstrengend hältst.

Ich hab' mit Illoyal ein Album angefangen, vor einiger Zeit. Ich kann dir mal was schicken. Das ist ... was anderes. Aber ich find' das immer noch geil. Ich mag das. Ich mag ja auch Punk und was weiß ich, was es an Krach-Action-Musik gibt. Deswegen: Dieser Vorwurf, der immer über mir schwebt, ich sei ja sooo kompliziert, das könne man ja überhaupt nicht verstehen ... keine Ahnung. Als hätten die Leute noch nie etwas abseits von Jay-Z gehört. So kommt es mir zumindest manchmal vor. Wobei das ja gar nicht stimmt. Wahrscheinlich sollte ich solche Fragen gar nicht mehr beantworten, weil ich damit selber dazu beitrage, diesen Mythos am Leben zu halten.

Musikalisch finde ich es gar nicht so anstrengend. Zumindest nicht diese aktuelle EP.

Ja, eben!

Ich halte die Platte inhaltlich für sehr anspruchsvoll, aber musikalisch strengt die mich jetzt nicht so furchtbar an.

Na, cool. Immerhin schonmal etwas.

Dafür hab' ich wahrscheinlich zu viel Techno Animal gehört, in meiner wilden Zeit. Du dagegen sagst, in "Yo Yo Area": "Zu viel Busdriver gehört". Geht das überhaupt?

Ähem ... nee. Natürlich nicht.

Was hörst du denn außerdem? Woher beziehst du musikalische Inspiration?

Puh ... was hör' ich sonst noch ... When Saints Go Machine hab' ich gerade für mich entdeckt, BadBadNotGood ... Ich hör' alles, das so rumfliegt. Was mir Leute empfehlen, was mir gefällt ... Body Count haben 'n neues Album, yeah! Ich hör' System Of A Down. Ich hör' ganz viel Rap, auch viel Instrumentalmusik ... wenn ich solche Fragen beantworten könnte! Ich hab' jetzt meinen MP3-Player nicht dabei. Was is'n da drauf? Chet Faker, das neue Album ist geil, die neue Fatoni-EP ist cool ... Was denn noch alles? Ich hör' auf jeden Fall ganz viel Musik. Schon auch deutschen Rap.

Verfolgst du diesen Zirkus dann auch abseits des Musikalischen?

Ja ... nicht so ganz. Komplett alle Beef-Updates krieg' ich nicht mit. (Lacht) Aber so ein bisschen verfolg' ich das schon.

Das verraten ja auch Zeilen wie "Lass' mal Rückgrat statt Rücken haben". Die herrschende Oberflächlichkeit kritisierst du aber ganz unverblümt. Kannst du dir erklären, wie sich in einer Kultur, die eigentlich einmal den Anspruch hatte, Botschaften zu vermitteln, Phrasendrescherei und Selbstdarstellung so arg breit machen konnten?

Phrasendreschen, das hats ja schon immer gegeben. Auch im Hip Hop. Es kommt halt darauf an, was für Phrasen das sind. Selbstdarstellung muss es auch geben. Wovon sollten sich die aufstrebenden Rapper sonst nähren? Man braucht ein Feindbild. Das ist prinzipiell alles okay. Oberflächlichkeit ... das ist ja kein Rap-spezifisches Phänomen. Es ist ja nicht so, dass außerhalb von Hip Hop die Leute total deep wären und voll interessante Dinge besprechen. Ich finde, das ein gesellschaftliches Problem, das dadurch, dass Hip Hop größer geworden ist, natürlich auch bei Hip Hop stattfindet. Natürlich hat man da auch dementsprechende Leute mit dementsprechender Musik, Klamotten, Essensgeschmack, was auch immer, die halt dementsprechend drauf sind. Aber ich glaube, das ist ganz allgemein ein Kulturproblem. Jetzt auf Deutschland bezogen: Wenn das Bachelor/Master-System solche Voraussetzungen bietet, kommen halt die entsprechenden Menschen bei raus, die davon geformt werden.

Ich seh' das aber halbwegs entspannt. Für mich ist das nicht so, dass es mal besser war. Es ist für mein Empfinden so, dass sehr viele Menschen nicht das beste aus sich und ihrem Leben machen. Die Welt hat durchaus viel Potenzial, deutlich besser zu werden, und hat das auch teilweise genutzt. Ich will das gar nicht so pessimistisch sehen. Aber sehr viele Menschen machen das einfach nicht. Sie sind schlecht gelaunt, unglücklich und natürlich auch ziemlich oberflächlich, sich dessen teilweise sogar bewusst. Die meisten sind noch eher traurig, darüber. Weil sie das selber auch checken, dass ihnen einfach etwas fehlt. Dass sie traurig sind, heißt ja, dass sie immerhin eine Einsicht haben, dass das irgendwie nicht so geil ist, wie sie es machen. Die können ja auch nicht unbedingt alle was dafür. Wenn du in einem Freundeskreis bist, die alle nur ... mir fällt jetzt gar kein Beispiel ein, das nicht irgendwie arrogant oder ignorant Leute beleidigt ... Wenn du in einem Freundeskreis bist, der etwa nichts besseres kennt als sich in der Freizeit die Birne zuzusaufen, und du hast eigentlich andere Interessen und Bock, etwas anderes zu machen, dann ist das sauschwer. Weil du die entsprechenden Leute nicht kennst.

Mir gings ja selber so! Ich hab' ziemlich lange keinen einzigen Hip Hop-Menschen gekannt. Ich mag meine Freunde alle total. Auch die von früher, voll! Aber mir hat das extrem gefehlt. Ich hab' voll darunter gelitten, dass ich weit und breit der einzige wirkliche Hip Hopper war. Es gab zwar ein paar Menschen, aber das waren halt so dumme Realkeeper-Vollidioten, die es auf so eine falsche, verbissene Weise gemacht haben. Aber es gibt ja das Internet, zum Beispiel. Da kann man sich vernetzen, mit Leuten, die nicht so sind. Hoffentlich beantwortet das die Frage erschöpfend.

Wenn man der einzige ist, hat man wenigstens kein Problem mit dem Individuell-sein-Wollen. Wenn das jeder will, wird das ja ganz schön schwierig.

Ja! Ja, ja ... ich weiß nicht. Es ist natürlich eine Frage zwischen Kollektivität und Individualismus. Ich mag das Individuum, aber ich sehe das Individuum nicht als Gegenstück zum Wir. Ich finde, es gibt immer noch ein Wir. Ich hab' voll die Wir-Gefühle, bei manchen Dingen. Nicht so extrem statisch, nicht, dass man jetzt Betonmauern einziehen müsste. Sondern einfach so, ja, alle hier, die jetzt hier zum Beispiel gerade auf der Straße sind und diese Sternschnuppe sehen. Freuen wir uns. Das ist okay. Danach gehen wir wieder anderer Wege und sind nicht mehr Wir. So ein fluides Wir. Nicht entweder alle gleich, alle in H&M-Klamotten gleich eingekleidet, oder alle nur komplett gegensätzlich. Das gibts ja auch nicht. Man ist halt irgendwo zum Beispiel durch Helge Schneider geprägt, und das sind dann halt Leute, die sich in einer gewissen Weise ähneln.

Ich finde, das ist nicht unbedingt so ein extremer Gegensatz, sondern man kann das vereinen. Es gibt dieses tolle Gedicht von Nâzım Hikmet, wo er sagt: Frei sein, wie ein Baum, aber so geborgen, wie im Wald, sinngemäß. ["Leben einzeln und frei / wie ein Baum und dabei / brüderlich wie ein Wald / Diese Sehnsucht ist unser", "Davet" / d. Red.] Dass halt beides geht. Ich finde: Es geht beides. Man kann ein Wir haben, kann aber trotzdem gleichzeitig andere Menschen in ihrer Individualität akzeptieren. Das ist auch meine Wunschvorstellung: dass das geht. Dass man sagt: Okay, du siehst das und das anders, du hast einen anderen Musikgeschmack, was auch immer. Aber wir haben fundamentale Dinge, die wir teilen. Dass das und das nicht geht, zum Beispiel. Oder dass wir uns bei Risiko geil beschimpfen können und uns hinterher trotzdem noch mögen.

Das heißt, du bist eigentlich eher ein Versöhner als einer, der draufhaut?

Ja, voll!! Eigentlich bin ich auf jeden Fall daran interessiert, dass Leute miteinander klar kommen, dass Verständigung herrscht und sich alle in einem gewissen Rahmen zumindest austauschen und nicht die Fresse einschlagen. Auf jeden Fall!

Erst mal Tee trinken und reden?

Genau. Einfach hinhocken, und dann kuckt man mal. Und dann merkt man auch: Oh, das ist ja gar nicht so die Person, wie ich dachte. Sondern: Die hat ja auch Bock auf Çay.

"Die Leute sollen sich wehren!"

Nächste Stufe: subversives Auslachen?

Die nächste Stufe der Eskalation, oder was?

Wenn man festgestellt hat: Miteinander Tee trinken und reden funktioniert nicht, braucht man ja eine neue Waffe.

Ja. Wobei ... miteinander reden geht nicht, das hab' ich gerade bei diesen Montags-Demos erlebt. Wir haben es echt versucht, über Wochen. Ich hab' jetzt einfach keine Lust mehr, mit diesen Leuten zu diskutieren, weil die so aggressiv sind und so null einsichtig, was Argumente angeht. Ich will da nicht mal mehr stehen und die auslachen, weil mich das allein schon traurig macht. Ich glaube, für mich persönlich, für meine Emotionshygiene, ist es besser, dann einfach woanders hinzugehen und zu sehen: Okay, es gibt auch noch andere Menschen. Das sind jetzt nicht die einzigen auf der Welt. Auslachen ist ja auch fast schon aggressiv, irgendwo. Ich kann das halt eigentlich gar nicht brauchen. Ich brauch' echt ein bisschen Ruhe.

Erzähl' doch noch kurz, inwiefern du bei den Montags-Demos involviert warst, bitte.

Bei FICKO ["FICKO - Magazin für gute Sachen. Und gegen schlechte.", d. Red.] haben wir uns schon länger damit befasst. Dann kamen die Leute natürlich auch zu uns, das wurde kommentiert, damit haben wir uns auseinander gesetzt. Dann sind wir vernetzt mit einigen Kritikern, deutschlandweit zumindest, die diese Demos halt auch beobachten. Ich hab' zu dem Thema schon zwei Interviews gegeben. Dann gibts das seit ein paar Wochen auch in Mainz. Da haben wir uns auch damit beschäftigt. Ich hab' mit diesen Anmelder, dem Organisator versucht zu diskutieren. Es kam halt wenig bei rum. (Einigermaßen verzweifelt) Es funktioniert einfach nicht. Da werden einfach Sachen gelöscht, statt auf Argumente eingegangen.

Wir haben wirklich ganz ernsthaft versucht, normal mit denen zu sprechen und zu fragen: Ey, da hat zum Beispiel einer einen Link von Ernst Zündel, Holocaust-Leugner, der saß schon im Knast deswegen, gepostet - noch bevor in Mainz diese erste Montags-Demo stattgefunden hat. Dann haben wir gefragt: Ja, hier - wie siehts aus? Was meint ihr dazu, so als Orga? Dann hat der Organisator uns angegriffen, also mich, ich sei ein Spalter, ein Hetzer, mit so einem drohenden Unterton, er werde mich verklagen, und blah! Kein Stück ist er darauf eingegangen, dass da ein Nazi Holocaust-Leugnung betreibt! So war es ständig. Da versucht man immer wieder, auf Argumente einzugehen, die da so kursieren, und es kommt nichts bei rum. Du fragst: Warum sind denn so viele Nazis bei euch im Publikum? Es hat doch vielleicht etwas damit zu tun, was da gesagt wird! Es ist sehr unspezifisch, einfach nur "für Frieden" zu sein. Für was für einen Frieden? Für wen? "Wer hat diesen Frieden verdient?

Das hat einfach nicht funktioniert. Es klappt irgendwie nicht. Wir haben es echt oft genug versucht, aber es kam kein Dialog zustande. Argumente werden nicht erhört. Du kriegst das Wort im Mund umgedreht. Irgendwann sind wir plötzlich selber die "bezahlte Mainstream-Presse" ... wir! Das kleine FICKO-Magazin. So ein Unsinn! Das ist einfach verschwendete Zeit. Ich mach' das jetzt nicht mehr. So, fertig.

Aufgegeben?

Nö, nicht aufgegeben. Ich kuck' schon immer mal wieder rein. Es gibt schon auch Leute, die sich damit noch beschäftigen. Aber ich weiß für mich persönlich: Es bringt mir nichts. Ich hab' jetzt schon echt oft genug, Hunderte Male, ausgeholt, was daran zu kritisieren ist, und da kam immer nur dumme Scheiße als Antwort darauf. Da werd' ich jetzt nicht noch mehr Energie investieren. Es ist so eine Rechnung: Okay, ich habs gemacht. Es hat nichts gebracht. Warum sollte ich weitermachen? Es bringt ja nichts.

Du bezeichnest dich selbst als "Gutmensch mit der Machete". Zwar propagierst du erst einmal das Teetrinken, dann das Lachen, aber an vielen Stellen deiner Texte schimmert eine kämpferische, auch kampfbereite Haltung durch. "Ein Gutmensch kann auch zuschlagen." Gibt es Momente, in denen du Gewalt und ihre Anwendung für gerechtfertigt hältst?

Ja. Auf jeden Fall. Gerade zur Selbstverteidigung, da find' ich das sehr legitim. Ja, es gibt legitime Gewalt, das finde ich sehr wohl. Wenn man angegriffen wird, darf man sich zur Wehr setzen. Hier in Mainz gab es zum Beispiel am 10. März einen Tötungsversuch. So ein Ende-50-Jähriger wollte einen Schwarzen abstechen, mehr oder weniger aus dem Affekt heraus. Der hat den mit allen rassistischen Beleidigungen bedacht, hat ihn in den Hals und die Brust gestochen - der wäre fast verblutet! Nur weil ein paar Passanten eingegriffen haben, und dann noch die Türsteher von einem Bordell um die Ecke, als der wiederum die Passanten angegriffen hat, wurde dessen Leben gerettet. In dem Fall, ohne Scheiß, soll lieber der Nazi sterben, als dass irgendein Passant aus rassistischen Gründen getötet wird. Das ist natürlich Gewalt. Aber ich find' es sehr unterkomplex, zu sagen: Gewalt per se darf nicht sein, deswegen muss man sich verprügeln lassen.

Auch die ganz klassischen Sachen wie zum Beispiel Polizeigewalt: Ich kann jeden verstehen, der da ausrastet. Ich find' es auch sehr legitim, wenn du von der Polizei verprügelt wirst, dass du dann zurückschlägst. Die sind hundertmal stärker, haben alle Staatsanwälte der Welt auf ihrer Seite und kommen eh ungeschoren davon. Das Ding ist halt: Wahrscheinlich bringt es nix. Dann kriegst du hinterher noch 'ne Anzeige, bist verprügelt worden, und politisch gehts auch nach hinten los, in der Regel. Aber es gibt AUF JE-DEN FALL legitime Gewalt.

Ich bin als Kind ganz oft verprügelt worden. Ich habe das in mir, dass ich keinen Bock hab', mich noch weiter dumm anmachen zu lassen. Ich will mir nichts mehr bieten lassen und ich kenne einige Leute, denen es genau so geht. Ich finde es sehr gerecht, sich zu wehren. Wenn du als Frau in jedem Club angegrapscht wirst, finde ich es voll gerechtfertigt, wenn so ein Typ einfach krass aufs Maul kriegt, wenn er jemanden angrapscht. Ganz normal, völlig legitim! Es sollte halt nicht ausarten - und das ist ein sehr schmaler Grat. Man muss dann aufpassen, dass man nicht in so einen Gewaltfetisch reinstürzt.

Ich versuche auch, sehr deutlich zu machen, dass ich im Prinzip Frieden möchte, für alle. Peace, und alles. Ich mag das! Aber ich will auch nicht einfach nur in Demutshaltung dastehen und sagen: Schlag' mich. Ich will kein Opfer sein, und ich will, dass niemand Opfer ist. Alle Leute sollen sich wehren. Das wäre meine Wunschvorstellung. Da die Welt nun mal rassistisch, sexistisch und ignorant ist, finde ich es sehr legitim, dass man zum Selbstschutz in bestimmten Fällen auch zurückschlägt. Sonst macht man sich zwei Wochen lang Gedanken darüber, bloß weil ein Arschloch im Vorbeigehen extrem abfällig war oder dir voll ekelhafte Scheiße erzählt hat, und du hast nichts dagegen gemacht. Oder was halt sonst so an dummer Scheiße passieren kann, wenn man so durch die Welt geht.

Und diese Einstellung verträgt sich gut mit deinem Gutmenschentum?

Voll! Auf jeden Fall! Dieser Gutmensch-Begriff, der ist ja falsch definiert. (Lacht) Ich definier' den neu. Wir haben den neu definiert, und da gehört auf jeden Fall nicht dazu, eben einfach nur so dazustehen und sich abschlachten zu lassen. Auf gar keinen Fall, ganz bestimmt nicht. Das würde ja auch nicht zum Erfolg führen, wenn man sich nicht wehrt. Natürlich, man sollte nicht hauptsächlich darauf aus sein: So, jetzt gibts Gegengewalt! Das ist Quatsch. Aber man darf auch nicht dastehen und warten, bis man abgeschlachtet wird.

Dieses Christen-Ding, die andere Wange hinzuhalten, entspricht dir offenbar nicht.

Für mich persönlich ist es das nicht. Ich will jetzt nicht sagen, dass sei allgemeingültig, aber ich kann das nicht. Ich weiß, dass es mir damit nicht gut geht. Ich respektiere und bewundere jeden, der das wirklich kann. Das ist auch ein total revolutionärer, schlauer Weg, das so zu machen. Ich glaube auch, das ist politisch viel erfolgreicher. Aber: Find' mal so viele Leute, die sich ständig nur verprügeln lassen wollen. Das ist halt schwierig. Aber ich glaube, zum Beispiel in Sachen Polizeigewalt spielt es natürlich der Bild-Zeitung in die Hände, wenn man dann anfängt, Blumenkübel umzuschmeißen. "Ooouuwh, da ist voll die extreme Gewalt! Natürlich muss die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke und Wasserwerfer einsetzen und Leute halbtot prügeln. Weil: Da wurde ein Blumenkübel umgeworfen." Deswegen, find' ich, sind so Straßenschlachten voll der Unsinn, weil: Du verlierst sowieso, und hinterher hast du auch noch politisch verloren. Wie gesagt: Dieses Gewalt-Thema ist sehr delikat. Da muss man sehr aufpassen, dass man sehr genau bleibt. Aber ich finde es auch Unsinn, zu sagen: Gewalt ist schlimm. Ohne Gewalt hätte sich auch ein Hitler nicht aufhalten lassen.

Wobei die Grenze zur Selbstjustiz da aber auch extrem verschwimmt.

Voll. Das mein' ich ja auch! Ich prügel' mich nie. Ich mach' das ja nie! Ich habe aber trotzdem die Haltung: Ich lass' das nicht mit mir machen. Und das ist wichtig: dass man nicht passiv bleibt. Es muss nicht unbedingt Gewalt sein. Es geht aber trotzdem um die Haltung, dass man sich nicht alles bieten lässt. Wie gesagt: Es ist ein bisschen schwierig, das auszudrücken. Trotzdem nochmal: Ich finde, es gibt sehr legitime Gewalt. Wenn ich angegriffen werde, hab' ich ein Recht darauf, mich zu wehren. Ich sollte am besten halt selber nie angreifen, ganz einfach.

Zurück zum Christen-Thema: Du zitierst die Bibel, du zitierst christliches Liedgut. Du scheinst also zumindest irgendwann mal christlich sozialisiert worden zu sein. Richtig?

Im weiteren Sinne: ja. Nicht so, dass meine Eltern großartig gläubig wären, aber klassisch schwäbischer, protestantischer Schuldkomplex auf jeden Fall.

Hängt ja möglicherweise auch mit deiner ländlichen Herkunft zusammen. Die hast du - früher zumindest - immer ziemlich in den Vordergrund gestellt. Legst du darauf immer noch so riesigen Wert?

Ach, was heißt riesigen Wert? Ich hab' das nicht so empfunden. Ich mach' das eher aus Spaß und aus Provokation, weil immer alle so stark betonen, wie geil sie sind, weil sie sich so hardcore mit ihrer Großstadt identifizieren. Dabei sind sie aus dieser Stadt noch nie rausgekommen, haben de facto nichts von der Welt gesehen, und das find' ich immer bisschen lächerlich. Und ich mag einfach die Idee, dass Cottenweiler bekannt wird und mit dem Namen form verknüpft ist.

Schönes Ziel.

Um nochmal auf dieses Christliche zurück zu kommen: Ich möchte schon auch sagen, dass ich mich selber als überhaupt nicht christlich definiere. Es gibt ein paar Dinge, die mit Jesus verbunden werden, die ich cool finde. Aber Religion per se ist nix für mich. Ich kenn' einige Menschen, die sehr schlau sind und die religiös sind und cool, kein Problem für mich. Aber ich hab' mit der Kirche ein riesiges Problem. Und das kommt auch von meiner Sozialisation. Dieses Verdruckste, Heuchlerische, Verschwiegene, daran hatte ich sehr viel zu leiden. Da bin ich auch geprägt.

"Gründlichkeit ist eine Tugend". Bist du ein gründlicher Typ?

In gewisser Hinsicht auf jeden Fall, ja. Jetzt nicht bei allem, aber in manchen Dingen bin ich sehr, sehr genau und möchte sehr gründlich sein. Wobei ich das vielleicht nicht immer schaffe.

Pingelig auch?

Ja, bestimmt.

Oder eher perfektionistisch?

(Seufzt) Ja. Vielleicht perfektionistisch. Pingelig in Bezug auf mein eigenes Zeug. Ich will das schon ganz genau so haben, wie ich es mir vorstelle. Jetzt nicht so pingelig bei anderen. Ich kann sehr, sehr, sehr gut Fünf gerade sein lassen. Pingelig trifft es also nicht, eher perfektionistisch. Ach, ich weiß auch nicht. Auch überhaupt nicht immer. Manchmal sag' ich auch: Okay, scheiß drauf, passt! Dann ist mir völlig egal, ob der Flyer jetzt den Gestaltungskriterien von irgendwelchen Werbefuzzis entspricht. Wenn es mir einfach nicht wichtig genug ist, bin ich nicht perfektionistisch. Aber im Prinzip bin ich schon sehr oft sehr genau.

Andere Tugenden, die du dir zuschreiben würdest?

(Lacht) Ähem ... nein. Ich glaub', ich mach' das schon oft genug. Das sollen mal besser andere tun.

Kein Eigenlob, heute?

Nein. Aus Mangel am Lob der anderen macht man das dann halt oft selber. Wie gesagt: diese Rap-Attitüde! Ich hab' nicht immer so furchtbar viel Zuspruch erhalten. Da hab' ich eben irgendwann angefangen, mich selber zu loben. Ich halte das auch für eine sehr probate Strategie. Diese Selfie-Idee. Dadurch gewinnt man ja auch Selbstbewusstsein. Irgendwann glaubt man dran. Das funktioniert! Wenn man das nicht übertreibt und nicht völlig den Sinn für die Realität verliert, dann find' ich das sehr gut.

Ein Freund von mir pflegte zu sagen: "Feature dich selbst wie die Hölle." Wenn du dich selbst nicht feierst, wer soll es denn dann machen?

Eben! Wie gesagt: Man muss aufpassen, dass man nicht total in komische Regionen abdriftet. Aber in einem gewissen Maß find' ich das extrem wichtig, weil man sonst teilweise Schwierigkeiten hat, in dieser Konkurrenz zu bestehen.

Abschließend die Frage, die du selbst gestellt hast: "Was würdest du tun, wenn du nur noch 60 Jahre zu leben hättest?"

Dopen Rap-Scheiß veröffentlichen. Und die Welt retten!

Hast du dafür schon Strategien?

Ja. Die Gutmenschlichkeit ist eine Strategie!

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