Porträt

laut.de-Biographie

Dexys Midnight Runners

Die Dexys Midnight Runners werden hierzulande gern als klassisches One-Hit-Wonder in der Prä-Casting-Ära abgestempelt. "Come On Eileen", der Smash Hit der Band vom 1982er-Album "Too-Rye-Ay", dudelt noch heute den lieben langen Tag unter dem Oberbegriff 'Das Beste der 70er, 80er und 90er' auf Populär-Radiostationen und lässt die nachwachsende Generation am Verstand der vorhergehenden zweifeln.

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In ihrem Heimatland England hingegen sorgte die Band für deutlich mehr Furore. Gegründet wird sie 1978 von zwei ehemaligen Mitgliedern der Punkband The Killjoys, Kevin 'Al' Archer und dem irischstämmigen Kevin Rowland, auf den die Irish Folk-Einflüsse in der Musik der Gruppe zurückgehen. Den Namen leitet man kurzerhand von dem Amphetamin Dexedrin ab, das in dieser Zeit einen Boom erlebt.

Die Idee, die Zugehörigkeit zur arbeitenden Schicht mit Bühnenoutfits im Stil von New Yorker Dockarbeitern (inspiriert durch den Scorsese-Film "Mean Streets") zu symbolisieren, stellt die Band vor ein ernstes Problem: Woher die Kohle für immerhin acht Kostüme nehmen? Gerüchten zu Folge soll Rowland selbst Ladendiebstähle organisieren, um Geld aufzutreiben - ironischerweise genau im selben Jahr, in dem in Amerika die legendären Blues Brothers gegründet wurden.

Nach dieser unkonventionellen Problemlösung dauert es auch gar nicht lange bis zum Release der ersten Single. "Dance Stance", eine Kritik an der Diskriminierung von Iren, bleibt jedoch weitgehend unbeachtet. Doch schon das zweite Release, "Geno", ein Tribut an den Soulsänger Geno Washington, stürmt 1980 in den UK-Charts auf die Spitzenposition.

Der nächste kleine Skandal der Bandgeschichte lauert in der Entstehung ihres Debütalbums. Die Musiker stehlen angeblich die fertigen Tapes aus dem Aufnahmestudio, um einen besseren Deal mit Label EMI auszuhandeln. Passend zum Namen der Scheibe übrigens: "Searching For the Young Soul Rebels" wird später auch Pate für das Erstlingswerk des deutschen Rap- und Reggaeartisten Jan Delay, "Searching For The Jan Soul Rebels" (2001), stehen.

Die Platte selbst sorgt im Vereinigten Königreich für helle Aufregung: Die Dexys werden als die Retter des organischen Rock in der New Wave-Ära hochstilisiert. Obwohl auch die dritte Single wieder in die Top Ten einsteigt, löst sich die Band kurz darauf mehr oder weniger auf. Nachdem Rowland gegen den Willen der anderen durchsetzte, dass die Flopsingle "Keep It, Part Two" veröffentlicht wird, hat der größte Teil der Besetzung die Nase voll von dessen absolutistischer Herrschaft.

Lediglich Big Jim Paterson (Trombone) bleibt seinem sprichwörtlichen Bandleader treu. Passend zum neuen Line-Up hat Rowland auch eine Outfit-Idee parat: Mit Pferdeschwänzen und Boxstiefeln verlässt man 1981 EMI und unterzeichnet bei Mercury.

Die folgenden Singles schlagen erneut nicht sonderlich ein, und so kommt Rowland, glaubt man den Gerüchten, der nächste geniale Einfall: Nachdem er ein Demotape der Blue Ox Babes, der neuen Band Kevin Archers, hört, pisst er seinem Ex-Kollegen gleich doppelt ans Bein. Er orientiert sich nicht nur an den Folk-Einflüssen der Babes, sondern rekrutiert sich auch noch deren Geigenspielerin Helen O'Hara für die eigene Besetzung.

Beim Release des Zweitlings "Too-Rye-Ay" (1982) wird diese Umstellung deutlich hörbar. Neben dem gewohnten souligen Rock sind nun verstärkt irische Einflüsse zu hören. Und wieder schlägt sich der Wechsel auf die Bühnengarderobe nieder: Der heruntergekommene Gammellook soll sich seinerzeit sogar auf die Hemmschwelle mancher Türsteher von Londoner Clubs ausgewirkt haben. Auch bei MTV schindet das neue Image mächtig Eindruck: Mit Unterstützung des Fernsehsenders schafft es die Single "Come On Eileen" nicht nur als zweiter Track der Bandgeschichte an die Spitze der englischen, sondern auch an die der US-amerikanischen Charts.

Trotz dieses Durchbruchs wirft ein paar Monate später die gesamte Bläsersektion inklusive Paterson das Handtuch. Auch der Rest der Musiker, mit Ausnahme von Gitarrist Adams und Geigerin O'Hara, überwirft sich mit Rowland. Dennoch reist die Kapelle gemeinsam nach New York, um dort an ihrem dritten Studioalbum "Don't Stand Me Down" zu arbeiten. In der gleichen Zeit veröffentlicht EMI eine Singlesammlung mit dem Namen "Geno".

Paterson tritt der Gruppe nach Zugeständnissen Rowlands in puncto musikalische Marschrichtung schließlich erneut bei, das Line-Up wird kurzerhand mit Gastmusikern ergänzt. Als "Don't Stand Me Down" 1985 erscheint, erreicht es jedoch nicht die erhofften Verkaufszahlen, wohl auch weil Rowland darauf verzichtet, Singles auszukoppeln.

Miese Kritiken tun ihr Übriges, 1987 löst sich die Band schließlich auf. Rowlands Pechsträhne soll auch mit dem Beginn seiner Solokarriere anhalten: Sein Debüt "The Wanderer" (1988) verkauft sich trotz guter Kritiken nicht, die nächsten Jahre leidet er unter schweren Depressionen, steht vor dem Bankrott und kämpft mit einer Kokainsucht.

Auch seine zweite Solo-Studiomühe, das reine Coveralbum "My Beauty" (1996), erweist sich als Flop. Böse Zungen behaupten, das liege an der beinahe schon traditionellen Modeverirrung, diesmal mit Kleidern und Strapsen zum Ausdruck gebracht. 2003 erweckt Rowland seine alte Band wieder zum Leben. Mit Bassist Pete Williams steht ein weiteres Gründungsmitglied neben ihm auf der Bühne, um in den folgenden Jahren auf Best Of-Tour zu gehen.

2012 erscheint gar das neue Album "One Day I'm Going To Soar" - mit dem gekürzten Bandnamen "Dexys". Mit dabei sind von der alten Garde neben Williams auch Big Jim Paterson und Keyboarder Mick Talbot, der nach seinem Ausstieg 1982 mit Paul Weller The Style Council mitgegründet hatte.

Für "Let The Record Show: Dexys Do Irish and Country Soul" (2016) krempelt Rowland erneut seine Band um. Dass es sich dabei im Wesentlichen um Coverversionen handelt, stellt für den exzentrischen Sänger keinen Rückschlag dar: "Wir haben mehr Arbeit reingesteckt als bei unseren eigenen Songs. Es war uns wichtig, sie richtig hinzukriegen um zu zeigen, wie relevant sie für uns sind", erklärt er auf der Webseite der Band.

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