7. März 2018

"Es gibt nicht mehr diesen einen Hip Hop"

Interview geführt von

Stell dir vor, du wachst auf und schaltest als erste Amtshandlung des Tages "Die Farbe von Wasser" an. Dann hörst du die siebte Solo-Platte von Curse, die der Mindener MC so in dieser Form erst jetzt schreiben konnte.

Nach einer mehrjährigen Auszeit aufgrund einiger Blockaden in seinem Leben veröffentlichte Curse 2014 sein Comeback-Album "Uns". Darauf referiert er über seine zwischenmenschlichen Beziehungen und das Thema "Sich finden". Vier Jahre später ist Michael Kurth nicht mehr nur Rapper, sondern auch erfolgreicher Podcaster und Bestseller-Buchautor. Und er hat mit "Die Farbe Von Wasser" ein neues Album. Es gibt also genügend Gesprächsstoff, als ich zwei Tage vor Release mit Curse telefoniere.

Lass uns zunächst über Musik und dein neues Album "Die Farbe von Wasser" sprechen. Ich hatte den Eindruck, dass es inhaltlich darum geht, mit positiven Vibes das Glück in den kleinen Dingen des Lebens zu finden ...

Das ist sicherlich ein Teil des Albums, aber interessanterweise hab ich mir vorher gar nicht wirklich vorgenommen, das als Message bei diesem Album raus zu pusten. Eigentlich ist es dadurch entstanden, dass ich über das geschrieben habe, was in meinem Leben wichtig ist. Im Prinzip ist es eine Reflektion auf all das, was in meinem Leben passiert.

Schon seit deinen Anfangstagen im Hip Hop geht es in deinen Texten viel um Reflektion und darum, dein Innerstes nach außen zu kehren. Was beeinflusst deine Texte konkret?

Die Inspiration kommt bei mir einerseits durch die Beats. Aber auch eben durch das, was zurzeit so in meinem Leben stattfindet. Ganz oft sind es einzelne Fragmente, die man auf eine gewisse Art und Weise betrachtet und die dann einfach zu einem Song werden. Nimm zum Beispiel den Song "Bis Wir Uns Wieder Sehen" von meinem neuen Album: Das ist keine Geschichte, die ich eins zu eins so erlebt habe. Der Text setzt sich hier aus fünf bis sechs verschiedenen Positionen zusammen, die ich dann wie bei einem Puzzle zusammenfüge.

Wie läuft bei dir der Schreibprozess ab?

Mittlerweile ist es so, dass ich ganz konkret auf die Beats schreibe, die dann auch letztendlich zum Song werden. Bei "Feuerwasser" und auch noch teilweise bei "Von Innen Nach Außen" hab ich die Texte in den seltensten Fällen auf die Beats geschrieben, die ich dann auch tatsächlich benutzt habe. Erst bei "Innere Sicherheit" hab ich so wirklich angefangen auf die Beats zu schreiben, die ich dann auch fürs Album genutzt habe. Aktuell ist es bei mir in 99 Prozent der Fälle so, dass ich den Beat habe und mich davon inspirieren lasse. Der Beat löst bei mir ein Gefühl, ein Bild oder eine Story aus und gibt vor in welche Richtung es geht. Mittlerweile ist es auch so, dass ich nur noch sehr wenig aufschreibe. Ich rappe die meisten Zeilen einfach direkt ein. Erst dann fange ich nochmal an drüber nachzudenken, schleife die Dinge nach und bau mir noch mal ein paar Sätze um.

Du hast diesmal auch einige deiner Markenzeichen wieder stark rausgekehrt: die Rap-Technik, den Flow, aber auch die Anzahl der Zeilen wieder maximiert, die beim letzten Album doch stark reduziert waren. Wie wichtig war es dir, dass "Die Farbe Von Wasser" einen gewissen 'Hip Hop-Anspruch' erfüllt?

Für mich ist mein letztes Album "Uns" genauso zu einhundert Prozent Hip Hop wie mein neues Album. Der Unterschied ist eine etwas andere Herangehensweise ans Schreiben und ans Produzieren. Nimm ein A Tribe Called Quest-Album. Das hat auch schon immer anders geklungen als ein N.W.A.-Album. Und trotzdem ist beides Hip Hop. Diese Hip Hop-Frage stellt sich gar nicht so krass. Was dieses Mal anders ist, ist, dass die Platte wieder mehr Silben hat, mehr durchgängige Flows. Das kam daher, dass ich bei "Uns" die Dynamik mehr über die Instrumente erzeugt habe. Dieses Mal wollte ich die Dynamik wieder mehr über den Rap und über die Stimme erzeugen, mit mehr Silben und anderen Pausen. Ich hatte da einfach wieder Bock drauf. Genauso wie ich beim letzten Album Bock hatte, so viele Wörter wie möglich zu streichen und ein Wort nur einzusetzen, wenn es wirklich wichtig ist. Diesmal hat es mir Spaß gemacht wieder komplexere Flows auszupacken. Die Beats sind natürlich auch anders als bei "Uns" und haben zusätzlich noch zu anderen Flows animiert.

Du hast mit Samy und Savas zwei Rap-Veteranen auf die Platte geholt. Du hättest sicher auch einige andere Deutschrap-Legenden dazu holen können. Was zeichnet die beiden aus?

Sam, Savas und ich kommen einfach aus derselben Generation von MCees. Wir sind mehr oder weniger gleich alt, unsere Debüt-Alben kamen fast alle zur selben Zeit raus. Wir sind auf die gleiche Art und Weise mit Hip Hop und Rap sozialisiert. Da gehören natürlich auch noch andere Leute wie Azad, Afrob oder Moses Pelham dazu. Savas und Sam gehören für mich einfach zu den besten Rappern der deutschen Rapgeschichte. Ich hab vor beiden großen Respekt und bin mit beiden über die Jahre schon sehr verbunden. Ich würde sie auch als Freunde bezeichnen, was ja auch nicht selbstverständlich in diesem Game ist. Ich hab mit Samy Sachen gemacht, ich hab mit Savas Sachen gemacht, die beiden haben zusammen Songs gemacht. Aber es gab noch nie diese Dreier-Kombination und deswegen war es eine große Freude, dass es diesmal geklappt hat. Der Song steht einfach für eine bestimmte Art und Herangehensweise an Rap.

Wie siehst du die Entwicklung von Hip Hop?

Hip Hop ist heutzutage eine der erfolgreichsten Musikrichtungen in Deutschland, wenn nicht sogar die erfolgreichste. Es gibt eine riesige Bandbreite von verschiedenen Stilen und Künstlern. Deutscher Rap füllt Stadien und Arenen. Das ist natürlich schon echt crazy, wenn ich an die Jams von früher zurückdenke, wo vielleicht im besten Fall tausend Leute da waren. Ich finde es sehr cool und ich freue mich darüber, weil Hip Hop als Musik und als Kultur wahnsinnig viel zu bieten hat, was Style, Message, Identität, Lebensgefühl oder Party angeht. Das bedeutet aber auch, dass es nicht mehr diesen einen Hip Hop gibt, sondern super viele verschiedene Stile und Richtungen. Für die einen ist das eine Rap und das andere schon nicht mehr, für andere ist es umgekehrt. Ich glaube, es würde uns gut tun, wenn wir das noch mehr genießen würden und einfach akzeptieren, dass es grade so eine krasse Bandbreite gibt.

Du hast in einem Interview mit Visa Vie vor einigen Jahren mal gesagt, dass du gerne mal ein Feature mit Celo & Abdi machen würdest. Kommt in dieser Richtung noch was, oder auch mal mit Künstlern der jüngeren Garde, die man nicht unbedingt erwarten würde?

Klar, auf jeden Fall. Auf meinem Zettel steht noch der ein oder andere. Ich muss unbedingt mal einen Song mit Megaloh machen, und ich würde gerne einen Song mit MoTrip machen. Wenn ich zum Beispiel einen Manuskript-Mammut-Remix machen würde, dann wären die beiden auf jeden Fall dabei. Chima Ede wäre drauf, Tua wär drauf, Amewu und Fatoni wären drauf. Celo & Abdi, Olexesh und Haftbefehl feier' ich überkrass, Kalim find ich geil, Ufo sowieso. Also es gibt schon viele Leute aus der heutigen Zeit, die ich gut abfeiern kann. Das wird ja wahrscheinlich nicht mein letztes Album sein. Ich hab grade einen ganz guten Lauf, was Lyrics angeht und wer weiß – vielleicht passiert ja auf dem nächsten Album gemeinsam mit einem der genannten Künstler etwas. Und ja: Der Track mit Celo & Abdi und Marteria steht absolut noch aus. Ich hoffe, dass wir das irgendwann machen. Das wäre einfach Killer!

Haben sich nach all den Jahren die Rapgesetze verschoben oder gelten sie nach wie vor? Gibt es vielleicht auch schon Gedanken zu 'Rapgesetze 21-30'?

Nee, ich glaube die Rapgesetze 1-10 reichen. Die Rapgesetze 11-20 waren, glaub ich, schon fast überflüssig. Ich sag' natürlich immer aus Spaß, dass das letzte Rapgesetz "Stell dich nie gegen Curse!" immer noch steht, aber das ist natürlich auch Battlerap. Ich sag ja zum Beispiel auch "Gib Respekt an die Breaker, die DJs und an Graffiti" – und das machen die Leute heutzutage auch nicht mehr automatisch. Ich finde aber, dass auch das heute noch steht, denn wenn man etwas ausübt sollte man sich dafür interessieren, wo es herkommt. Selbst wenn ein Künstler heute Afro-Trap macht, heißt das nicht, dass er seine Historie oder Kultur unter den Teppich kehren muss. Ich meine, Ufo ist auch Writer, einer von den Hitnapperz kommt auch vom Breaken. Du kannst sicherlich auch ein guter Rapper sein ohne Breakdancen zu können. Aber warum sich dieser Kultur und den Einflüssen verschließen?

Du hast in deiner Karriere immer sehr viel für Hip Hop getan. Was könntest du in Zukunft, abgesehen von der Musik, noch im Hip Hop tun?

Sehr interessante Frage. Also ich hatte ja eine Zeitlang mit Alles Real Records ein Label. Ich glaube aber nicht, dass ich der allerbeste Labelmanager bin, das überlasse ich mittlerweile lieber anderen. Ich hab dafür meine Qualitäten zum Beispiel beim Songwriting oder in anderen Dingen. Ich interessiere mich natürlich voll für neue Leute die da kommen. Aber ich hab auch eine Familie und einfach nicht die Kapazität, um mich jetzt als Manager oder Mentor um die Karriere eines Nachwuchskünstlers zu kümmern. Was ich zum Beispiel immer gerne mache sind Songwriting-Sessions mit anderen Künstlern. Wie baue ich Songs auf, wie finde ich meine eigene Sprache. Mein Ding geht sehr viel in Richtung Sprache und Formulierung, quasi seiner inneren Stimme eine äußere Stimme geben.

Du hast es gerade schon angesprochen: Du bist auch als Songwriter für andere Artists ein gefragter Mann. Wie gehst du ans Songwriting für andere Künstler heran?

Was ich nur einmal gemacht habe ist, was zu schreiben, was ich dann weggeschickt habe. Da ging es um einen Popsong. Da hab ich dann wirklich einfach nur die Strophen geschickt. Wenn ich schreibe, dann schreibe ich schon in 90 Prozent der Fälle mit den Leuten, für die ich da arbeite. Das heißt wir treffen uns im Studio, reden miteinander. Das Interessante für mich ist, herauszufinden, wie Leute reden, welchen Humor sie haben, welche Wörter sie benutzen. Dann versuche ich im Anschluss daran die Texte so zu schreiben, dass es zu ihnen passt. So dass die Leute da draußen hinterher sagen: Ach ja klar, das klingt ja wirklich absolut nach Künstler XY. Ich finde es weniger spannend, irgendwelchen anderen Leuten meine Texte aufzudrücken. Ich sehe den Job oder den Anspruch darin, die jeweilige Sprache der Leute so gut wie möglich zu sprechen.

„Mir hat es eine ganze Zeitlang überhaupt keinen Spaß gemacht, Musik zu verkaufen“

Nach dem Album "Freiheit" kam es zum Break in deiner musikalischen Vita. Was war damals der genaue Knackpunkt dafür?

Es war eine Mischung aus Business und Privatem. Ich hatte vorher zehn Jahre in einer festen Struktur gelebt. Ich hatte einen Geschäftspartner, der mein Manager war. Ich hab mit ihm die Touren gemacht, das Merch, wir haben mein Label damals geführt und so weiter. Ich hab dann nach zehn Jahren gemerkt, dass diese Strukturen so festgefahren sind, dass da nicht mehr viel Spielraum für Bewegung ist. Ich hab lange und oft versucht, das anzupassen und zu verändern, aber irgendwann hat es einfach nicht mehr funktioniert. Etwa zur selben Zeit sind dann die ganzen Business-Deals ausgelaufen und das war für mich dann der Zeitpunkt, wo mir klar wurde, okay hier gehe ich jetzt nochmal auf null zurück. Bevor ich von einem ins andere stolpere, nehme ich mir erst mal eine Auszeit und reflektiere, was will ich überhaupt, wo will ich überhaupt hin. Musikalisch war es auch so, dass ich nie ein Problem damit hatte, Musik zu machen oder auf der Bühne zu stehen. Mir hat es aber eine ganze Zeitlang überhaupt keinen Spaß gemacht, Musik zu verkaufen und immer Curse sein zu müssen. Persönlich kam noch dazu, dass ich durch die Musik mein Privatleben zehn bis zwölf Jahre lang total vernachlässigt habe. Ich habe mich selten gefragt, wie geht's mir eigentlich wirklich und bin ich in meinem Leben an einem Punkt, wo ich gerne sein möchte. Dann war es einfach auf jeder Ebene so, dass ich einen Cut machen musste, um zu gucken, wie geht es mit mir als Mensch und als Künstler weiter. Ich bereue keine Sekunde, dass ich das gemacht habe.

Du hast dann während deiner Abwesenheit zunächst mit Systemischem Coaching begonnen. Worum geht's dabei genau?

Systemisches Coaching ist eine gewisse Form von Psychologie und eine gewisse Form von Herangehensweise, um Menschen dabei zu begleiten, Lösungen für schwierige Situationen in ihrem Leben zu finden. Dabei geht's weniger darum gute Tipps oder Ratschläge zu geben. Du gibst eigentlich gar keine Ratschläge, sondern begleitest die Leute dabei, dass sie klarer auf ihre Situation gucken können. Das bedeutet, dass sie vielleicht selber auf Lösungswege kommen, die sie vorher nicht gesehen haben. Ich habe als Coach da eher die Einstellung, dass ich erst mal gar nichts über die Person weiß, die zu mir kommt. Du bist der Experte für dein Problem, denn du bist irgendwie in die Situation reingekommen und weißt deshalb auch am besten, wie du da wieder rauskommst. Ich helfe einfach dabei, die Situation, die Expertise oder das Wissen zu aktivieren, dass jeder die perfekte Lösung für sein Problem finden kannst. Diesen Ansatz fand ich so spannend, dass ich irgendwann gesagt habe: Ich will das lernen und anderen Menschen weitergeben, weil es mir so gut getan hat.

Es ist spannend, dass du sagst, dass es dabei nicht in erster Linie um Ratschläge geht. Meine nächste Frage wäre nämlich gewesen, ob du es als eine der Aufgaben im Leben ansiehst, anderen Menschen zu helfen oder sie zumindest zu beraten?

Das ist ein mega klassischer Hip Hop-Ansatz. Nimm "Each one, teach one": Das heißt für mich übersetzt, jeder der was gelernt hat, der eine bestimmte Fähigkeit oder Erfahrung hat, hat auch die Verantwortung, das weiter zu geben. Aber bei "Each one, teach one" steckt ja auch drin, dass es genauso in der Verantwortung liegt, Dinge von anderen anzunehmen und zu lernen. Ich habe weniger das Gefühl, dass ich was Krasses erreicht habe, was die anderen nicht wissen und jetzt von oben herab sage... Hey, pass mal auf... Ich hab eher das Gefühl, dass mir in meinem Leben und auf meinem Weg Dinge begegnet sind, die anderen vielleicht nicht begegnet sind und die ich dann mit anderen teilen kann. Das ist einfach meine Inspiration. Wenn ich so offen bin und darüber rede, dann können sich die anderen vielleicht auch mehr öffnen. Wenn ich zum Beispiel meinen Podcast mache, dann ist das für mich immer eine Unterhaltung, die in zwei Richtungen geht. Ich gebe immer etwas raus, aber es kommt auch immer wieder etwas rein. Das, was mein Leben total schön macht, ist Kommunikation, Austausch mit anderen Menschen. Das ist für mich eines der wertvollsten Dinge.

Du hast dann auch den Podcast "Meditation, Coaching & Life" gestartet. Welche Idee steckte dahinter?

Nachdem ich meine Coaching-Ausbildung absolviert hatte, gab es die Möglichkeit, noch tiefer ins Coaching einzusteigen. Ich hatte aber parallel auch schon so langsam wieder angefangen Musik zu machen. Ich dachte dann, jetzt musst du dich entscheiden: Entweder Fulltime-Coach und dann ist die Musik nur noch ein Hobby oder du machst jetzt Musik und dann ist das Coaching ein Hobby. Dann hab ich mich zunächst dafür entschieden Musik zu machen und hab das "Uns"-Album rausgebracht. Irgendwann habe ich aber gesagt ich will das nicht mehr trennen, ich will beides machen. Beides sind eben Sachen, die mich total interessieren und zu denen ich mich austauschen will. Dann hab ich angefangen Workshops und Seminare zu geben und daraus hat sich dann auch das Podcast-Format ergeben. Ich dachte mir, ich mach es einfach mal, teile das mit Leuten und gucke mal, was passiert. Und wenn das niemanden interessiert und ich keine Lust mehr darauf habe, dann höre ich halt einfach wieder damit auf.

Ich finde, dass du eine sehr ausgeprägte Stimme und eine gute Rhetorik hast, der man nicht nur beim Rappen, sondern auch im Podcast sehr gerne zuhört. Was kann Kommunikation schaffen und wie schafft sie es?

Guru von Gang Starr hat ja früher immer gesagt: "Its mostly the voice". Ich höre Rappern oder Menschen einfach gerne zu, bei denen ich das Gefühl habe, dass man ihnen gerne folgt. Für meine Stimme kann ich ja nichts. Da sage ich danke an meine Eltern oder die Biologie. Was Sprache angeht: Meine Eltern haben immer sehr viel mit mir geredet, haben mir ganz viel erklärt. Die haben nie gesagt, sei ruhig, das geht dich nichts an oder das verstehst du nicht. Das heißt ich hab die Welt als Kind schon durch Sprache kennengelernt und wahrscheinlich kommt das daher. Ich hab viel gelesen und mich dafür interessiert Kurzgeschichten zu schreiben und solche Sachen. Es hat mich schon immer fasziniert Geschichten zu erzählen oder Sprache als Ausdrucksform zu nutzen. Auf der andere Seite glaube ich aber auch, dass man mit Sprache vorsichtig sein muss, denn Sprache kann Dinge komplizierter machen als sie sind. Manche Dinge sind so einfach und so klar, dass die Sprache da überflüssig ist. Obwohl ich so viel Sprach-Output habe, glaube ich, dass es manchmal auch besser ist, weniger zu sagen oder zu schweigen.

„Ich wollte kein hochtrabendes Werk schreiben, das irgendeinen Literaturnobelpreis gewinnt“

Jetzt hast du ja auch noch ein Buch geschrieben: "Stell dir vor, du wachst auf". Ist die Idee aus dem Podcast heraus entstanden und wie grenzt sie sich vielleicht noch mal zu den Inhalten daraus ab?

Das Buch ist aus dem Podcast heraus entstanden, aber der Podcast ist aus meinen Workshops und Seminaren entstanden. Die Workshops sind aus dem entstanden, was ich den Jahren zuvor erlebt oder gemacht habe. Das heißt, das ist so ein kontinuierliches Ding. Natürlich kann man das Buch auch lesen ohne den Podcast zu hören und man kann auch den Podcast hören ohne das Buch zu lesen. Ich glaube aber, wenn man sich für eins von beiden interessiert ist das andere sicherlich auch interessant, weil es um dieselben Themen geht. Die Idee zum Buch hatte ich schon sehr lange, und als ich mit dem Podcast angefangen habe, habe ich auch angefangen mir zu den Themen, die jetzt im Buch sind, Notizen zu machen. Nachdem ich den Podcast angefangen habe, war es dann so, dass mehrere Verlage auf mich zugekommen sind und gesagt haben: Hey, wir mögen deinen Podcast. Könnest du dir vorstellen ein Buch zum Podcast zu schreiben? Da ist es dann ganz konkret geworden. Ich hatte da Bock drauf und wollte das machen. Aber die Idee, über diese Themen etwas zu schreiben, hatte ich tatsächlich schon seit einigen Jahren.

Warum ist das Aufwachen DER eine Moment des Tages?

Das ist eine Metapher. Ich finde immer, man sollte am Anfang anfangen. Viele Leute sagen zu mir, ich interessiere mich ja für Meditation, aber wo soll ich denn anfangen? Ich würde ja gerne anfangen, aber ich kann ja nicht, weil. Oder ich steh nicht so auf Räucherstäbchen. Oder ich wache morgens auf und da fängt schon der Kopf an zu rattern und dann habe ich für so was gar keine Kapazität. Deswegen hab ich mir gedacht, fangen wir ganz am Anfang an. Wenn wir unseren Alltag etwas anders gestalten wollen, beispielsweise aufmerksamer, achtsamer, dankbarer, glücklicher – was auch immer das heißt – dann lass uns doch mal mit dem Aufwachen anfangen. Das ist ja das Erste was wir tun. Zum Beispiel aufs Handy gucken: Lass doch mal gucken, was denn da eigentlich passiert. Ist das wirklich gut? Ist das wirklich was, was wir tun sollten? Oder können wir das mal ein bisschen infrage stellen? Dadurch ist das Ganze dann entstanden. Im Buddhismus bedeutet aufwachen, dass man eine gewisse Form von spiritueller Erkenntnis bekommt. Das ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen und ich will damit in keiner Weise sagen, dass ich sowas habe. Dem ist nämlich nicht so. Was ich damit sagen möchte: Dass es durchaus im Alltag möglich ist. Ich sag ja zum Beispiel auf meinem Album: "Der Buddha ist schon in dir drin, Erleuchtung kann im Späti kommen, du musst nicht nach Indien". Und die Message des Buchs ist schon so ein bisschen die gleiche, denn trotz unserem ganzen Struggle können wir alle ein bisschen was für unsere geistige und spirituelle Gesundheit tun. Das kann manchmal sehr einfach sein. Also ist dieses Aufwachen oder dieses Stückchen mehr an Präsenz total möglich. Und dieses Buch ist eine Option. Man kann auch andere Sachen machen. Aber mit dem Buch könnte man anfangen. Das Aufwachen morgens, als auch immer wieder die Augen aufmachen für das, was das Leben ausmacht.

Du erzählst im Buch eben auch von einer Reise nach Indien, die dein Leben komplett verändert hat. Was ist dort genau passiert?

Das ist eher so ein Symbol. Ich bin nach Indien gefahren und habe dort eine klarere Sicht auf mein Leben bekommen. Dasselbe hätte aber auch in Remscheid oder Malibu stattfinden können. Es geht nicht darum, wo man ist. Es geht darum, was man macht und was in einem passiert. Die Leute picken sich das natürlich immer gerne raus, weil das in einer spirituellen Biografie immer ganz gut klingt: Oh, er war in Indien ... Aber eigentlich hätte das überall passieren können.

"Stell dir vor, du wachst auf" steht in der Spiegel-Bestsellerliste zurzeit sehr weit oben. Wie ist die Resonanz auf dein Buch?

Wie du schon sagst: Es scheint so zu sein, dass sich das Buch zurzeit sehr konstant in der Bestsellerliste hält, was ich super krass finde, weil ich das niemals erwartet hätte. Daraus schließe ich, dass die Leute, die das Buch lesen, das auch anderen weiterempfehlen. Weil sonst wäre es ja wahrscheinlich so, dass die Leute, die meine Musik feiern, vielleicht mein Buch kaufen, und in der zweiten Woche interessiert es dann keinen mehr. Das Feedback ist bisher äußerst positiv. Und das Schöne daran ist, dass ich ja gerade kein hochtrabendes Werk schreiben wollte, das irgendwie einen Literaturnobelpreis gewinnt. Ich wollte was schreiben, was real ist, was praktisch ist. Das Feedback, das ich vereinzelt von Leuten bekomme ist: Hey, find mich da und darin wieder und die Sachen, die du beschreibst, hab ich ausprobiert und ich kann damit was anfangen. Das ist so ziemlich das geilste Feedback, was man bekommen kann.

Jetzt, wo Podcast und Buch so krass eingeschlagen sind: Ist das der Weg, auf den du dich in der Zukunft weiter fokussieren willst oder bleibst du Rap für immer treu?

Ich weiß nicht, ob ich mit 90 Jahren noch ein Rap-Album machen werde, aber ich bleib Rap immer treu, weil ich diese Musik einfach liebe. Ich guck' einfach, was jetzt grade passiert und hab mega Spaß an Mucke, freu mich derbe auf meine Tour und hab auch schon Ideen für neue Songs. Ich hab aber auch riesigen Spaß an der Podcast-Sache, an der Meditation, an den Kursen und am Buch. Nach der Tour werde ich wahrscheinlich eine kleine Lese-Reise mit dem Buch machen. Aber bevor es soweit ist, mach ich erst mal ein bisschen Urlaub.

Dann wünsche ich dir einen schönen Urlaub – egal ob in Malibu oder Remscheid. Vielen Dank für das Interview, Curse!

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