Porträt

laut.de-Biographie

Wilco

Wilco gehören wie Radiohead oder Giant Sand zu jenen beneidenswerten Bands, deren Werke schon vor ihrer Veröffentlichung zu Meisterwerken erkoren werden. Lange nur in Independent-Kreisen eine feste Größe, schaffen sie 2002 mit "Yankee Hotel Foxtrot" den Sprung in die Charts - in Deutschland sogar von 0 auf die 29.

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Die Chicagoer Band formiert sich 1994 aus den Resten der Alternative Country-Gruppe Uncle Tupelo, die 1993 das beachtete Album "Anodyne" heraus gebracht hatte. Die zentrale Stellung nimmt Sänger und Gitarrist Jeff Tweedy ein, der die Combo nach seinen Bedürfnissen um sich schart. Schon das Debutalbum "A.M." begeistert 1995 die Kritiker, ein Erfolg, der sich mit "Being There" (1996) und "Summer Teeth" (1999) fortsetzt. Die ursprüngliche Orientierung wird mit Blues und Pop angereichert, aber auch mit bombastischen Geräuschkulissen und sonorem Wirrwarr, der für Fans ein Zeichen von Genialität darstellt, auf andere Zuhörer eher anstrengend wirkt.

Tweedys Tätigkeit beschränkt sich dabei nicht nur auf die Band. Neben mehreren Arbeiten für die Filmindustrie - er ist Produzent mehrerer Soundtracks, zudem Komponist der Musik zu Ethan Hawkes "Chelsea Wall" - nimmt er 1998 mit Billy Bragg das Album "Mermaid Avenue" auf, das unveröffentlichtes Material des US-Barden Woody Guthrie enthält. Weitere Aufnahme erscheinen 2000 mit "Mermaid Avenue Vol 2" und 2012 mit "Mermaid Avenue - The Complete Sessions" fort - pünktlich zu dessen 100. Geburtstag.

Bezeichnenderweise haben Wilco ihren Erfolg nicht nur Tweedy, sondern auch einem Vertreter ihres ehemaligen Labels zu verdanken, der 2001 ihr fertig gestelltes Album "Yankee Hotel Foxtrot" mit der Begründung durchfallen lässt, dass kein Hit darauf sei. Die Band bleibt hartnäckig, löst den Vertrag auf, kauft sich für 50.000 US$ die Rechte an den Aufnahmen zurück und stellt sie auf ihrer Homepage ins Internet. Die Antwort der Fans ist überwältigend, die anschließende US-Tournee gipfelt in einem Konzert vor 40.000 Zuschauern im heimischen Chicago. Schließlich unterschreiben sie einen neuen Vertrag, 2002 ist das Album auch im Handel erhältlich.

Nach einer ausführlichen Tour, die sie auch nach Europa führt, widmen sich die Mitglieder mehreren Seitenprojekten. Während Tweedy mit Schlagzeuger Glenn Kotche und Produzent Jim O'Rourke Loose Fur ins Leben ruft, tut sich Bassist John Stirrat mit dem Multi-Instrumentalisten Pat Sansone unter dem Namen The Autumn Defense zusammen. 2003 treffen sich alle im New Yorker Studio Sears Sounds wieder und nehmen ihr fünftes Werk "A Ghost Is Born" auf. "Ich glaube, das ist unser schlüssigstes Album, zumindest, was unsere Herangehensweise angeht. Wir wollten uns und unsere Musik so menschlich wie möglich in einer völlig der Künstlichkeit verfallenen Welt präsentieren", erklärt Tweedy diesbezüglich.

2004 ist ein einschneidendes Jahr für Jeff Tweedy. Er macht keinen Hehl aus seiner Medikamentensucht, der er beim Versuch, Angststörungen und Depressionen zu bekämpfen, verfallen ist. Noch vor der Veröffentlichung von "A Ghost Is Born" liefert er sich selbst in eine Klinik ein. Aus dieser entlassen, ist er sich seines schwierigen Daseins bewusst:

"Wenn man einmal unter einer Abhängigkeit gelitten hat, oder unter Panikattacken und Depressionen, dann ist unmöglich, nicht zu befürchten, dass das alles zurückkehrt. Bei mir ist rein biologisch klar, damit muss ich irgendwie umgehen, für den Rest meines Lebens. Aber die Abhängigkeit muss ich nicht noch einmal ertragen - solange ich dann entsprechend reagiere. Ich weiß jetzt, dass es schlimmere Dinge gibt als depressiv zu sein."

Wilco - Cousin
Wilco Cousin
Ein Cousin ersten Grades.
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Tweedy macht einen auf Solo und reist mit seinen Songs durch die Staaten. Ihn begleiten die Regisseure Christoph Green und Brendan Canty (Fugazi), sie drehen den Konzert-/Tourfilm "Sunken Treasure Live", der 2006 erscheint. Die musikalische Arbeit spendet ihm während dieser Zeit Trost, die Planungen für ein weiteres Wilco-Album schreiten voran.

Dieses sechste Studio-Album der Band, "Sky Blue Sky", kommt 2007 auf den Markt und überrascht mit dem gänzlichen Verzicht auf elektronische Experimente und klangliche Störfaktoren. Das liegt auch daran, dass Wilco die Produktion dieses Mal selbst übernehmen und auf die Zusammenarbeit mit dem Produzenten und Musiker Jim O'Rourke, der die beiden Vorgängeralben produziert hat, verzichten.

Zur Ausarbeitung seiner Songs hat Tweedy musikalische Mitstreiter an seiner Seite, die dem Werk ihren Stempel aufdrücken. Für die Instrumentierung gewinnt er John Stirratt (Bass, Gesang), Glen Kotche (Schlagzeug, Percussion), Mikael Jorgensen (Keyboards), den Multi-Instrumentalisten Pat Sansone und Nels Cline (E-Gitarren) für sich. "Sky Blue Sky" (2007) ist ein harmonisches, am Southern Rock orientiertes Album, dem die gute Stimmung innerhalb der Band anzuhören ist.

Mit "Wilco (The Album)" (2009), das zu weiten Teilen in Neil Finns (Crowded House) Studio in Neuseeland eingespielt wird, setzt Tweedy erstmals auf jene Bandbesetzung, mit der er bereits ein Album ("Sky Blue Sky") aufgenommen hat.

2011 folgt mit "The Whole Love" ein weiteres höchst kreatives Werk, bevor sich Wilco eine Auszeit nehmen. Ende 2014 melden sie sich mit zwei Zusammenstellungen und einer Tour zum 20. Bandjubiläum zurück. Im gleichen Jahr nimmt Tweedy mit seinem Sohn Spencer das Album "Sukierae" auf, das sich mit der Krebserkrankung der Ehefrau und Mutter Susan Tweedy auseinander setzt.

2015 veröffentlichen Wilco das deutlich kantigere und gitarrenlastige "Star Wars" zuerst als kostenlosen Download. Nähert sich der raue Sound auch deutlich dem Noise-Rock, bleiben Tweedys melancholische Melodien deutlich erkennbar. Umso mehr auf den Alben "Together At Last" (2017), "Warm" (2018) und "Warmer" (2019),auf denen sich der Frontmann im Wesentlichen mit Akustikgitarre begleitet.

Im selben Jahr erscheint mit "Ode To Joy" wieder ein Wilco-Album, auf dem es nicht ganz so melancholisch zugeht. Dennoch führt der Albumtitel etwas in die Irre, denn mit fröhlichen Popmelodien hat das nur am Rande etwas zu tun.

Statt mit Sleater Kinney auf Tour zu gehen, muss Tweedy seine Wilco im Frühjahr 2020 coronabedingt pausieren lassen. Im März 2020 erscheint sein zweites Buch mit dem Titel "How To Write One Song", anschließend nutzt er die Zeit im Lockdown, um täglich auf Instagram mit seiner Familie seinen Backkatalog und Coversongs vom heimischen Sofa Revue passieren zu lassen. Parallel nimmt er mit seinen Söhnen Spencer und Sammy das Album "Love Is The King" auf, dass digital im Oktober 2020 erscheint. CD und Vinyl folgen im Januar 2021.

Wilco - und Tweedy - stellen eine feste Größe dar. Eine stilistisch ungebundene Band, die sich wie kaum eine zweite amerikanische Musiktraditionen aneignet, um sie auf einer höheren Ebene zu zeitgenössischem, facettenreichem Alternative Rock zu verbinden.

Wie ungebunden sie sind, beweisen die Chicagoer 2022 mit dem Country-Album "Cruel Country" und dem inhaltlich viel grausameren, düsteren "Cousin" von 2023. Dieses wurde von Cate Le Bon produziert und damit durfte zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder ein Externer an Wilcos Regler.

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Wilco - Ode To Joy: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2019 Ode To Joy

Kritik von Stefan Mertlik

Das Gegenteil von "Freude, schöner Götterfunken". (0 Kommentare)

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Düsseldorf, 2016 Headliner beim New Fall Festival.

Headliner beim New Fall Festival., Düsseldorf, 2016 | © laut.de (Fotograf: Simon Langemann) Headliner beim New Fall Festival., Düsseldorf, 2016 | © laut.de (Fotograf: Simon Langemann) Headliner beim New Fall Festival., Düsseldorf, 2016 | © laut.de (Fotograf: Simon Langemann) Headliner beim New Fall Festival., Düsseldorf, 2016 | © laut.de (Fotograf: Simon Langemann)

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