laut.de-Kritik

Guter Querschnitt durch das aktuelle Dancehall-Treiben.

Review von

Ob man im Hause Greensleeves wohl einen Limbo-Wettbewerb ausgeschrieben hat? Die Messlatte für die Covergestaltung der "Ragga Ragga Ragga"-Reihe liegt jedenfalls von Jahr zu Jahr niedriger. Kaum zu glauben, dass sich tatsächlich jedes Mal eine noch netzhautzerfetzendere Scheußlichkeit ausgraben lässt, als im Vorjahr.

Der Titel zeugt ebenfalls nicht gerade von überschäumendem Einfallsreichtum. Immerhin macht er unmissverständlich klar, womit wir es zu tun bekommen: Die Selektion präsentiert einen Querschnitt durch das aktuelle Dancehall-Treiben, damit der trendbewusste Ragga-Hase weiß, wohin er 2008 zu bouncen hat.

Was sich dieser Tage in den Bashments abspielt, stammt wirklich nicht von schlechten Eltern. Auf ordentlich Wucht sollte sich ohnehin gefasst machen, wer sich in die Dancehall wagt. Schwachbrüstiger ist das Genre über die Jahre nicht geworden.

Entsprechend druckvoll legt Mavado mit einer hymnischen Nummer los. Im für den "Gangsta For Life" charakteristischen Tonfall erfleht er Führung von oben: Zum Einstieg durchaus sinnig. Die Kombination von drängendem Instrumental und klagendem Gesang macht "On The Rock" zwar weniger tanzbodentauglich, bildet aber doch einen recht reizvollen Kontrast.

Gegensätze scheinen ohnehin schwer angesagt: Da treffen im repetitiven, hypnotischen Rhythmus von Busy Signals "Jail" dumpfe Bässe auf filigranes Saitenspiel. Die tiefe, warme, samtige Stimme eines Bungle hätte man eher in einer Schnulze denn in einem schnurgerade voran hämmernden Riddim erwartet. Vybz Kartel schert sich in "My Scheme" einen Dreck um den Piano-Hintergrund, der so nahe an einer Ballade entlang schrammt, wie es einem Dancehalltune nur möglich ist. Er explodiert geradezu ins Mikrofon.

Insbesondere mancher Rapper dürfte angesichts der demonstrierten Zungenfertigkeit vor Neid die Gesichtsfarbe wechseln. Bei allen Bedenken, die bei einer Begegnung mit einem Elephant Man nie fehl am Platz sind: Hörenswert war der Kerl schon immer. "Cater To The Poor" fügen deswegen auch die überfrachteten Background-Gesänge kaum Schaden zu, sondern verblassen gegen einen Vokalisten, der ein Reibeisen gefressen und zu Dynamit verstoffwechselt hat.

Im Gegensatz zu Mykal Roze, der in "Shoot Out" das alte Police & Thieves-Motiv in aller Deutlichkeit neu interpretiert und wieder einmal klar stellt, dass er seinen Legendenstatus ganz sicher nicht grundlos inne hat, höre ich von Serani zum ersten Mal. Möglicherweise ein Fehler, die raue Stimme, die ab und an in höhere Tonlagen kippt, verdient durchaus Beachtung.

Seinem "Study People" liegt Fire Links Drum Lane-Riddim zugrunde, den wir noch in zwei weiteren Versionen um die Ohren geballert bekommen: Einmal von Matterhorn im Verbund mit Fire Links höchstpersönlich ("This Is How We Grow"), einmal vom bereits erwähnten Bungle ("Cyaan Look Inna Mi Eye").

Auch Black Ryno toastet sich in "Ay Ya Ay Ya", dem Stephen McGregor einen orientalischen Touch mit auf den Weg gab, fast einen Knoten in die Zunge. Collie Budz brilliert mit kratzigem Organ in "Rise It", das gezielte Handkantenschläge ins Genick setzt.

Am beeindruckendsten präsentiert sich allerdings Busy Signal, der gleich dreimal zum Zuge kommt. Die Silben, die dieser Mann auswirft, überholen sich schier gegenseitig. Andere mögen Flammen spucken, Busy speit knallbuntes Feuerwerk.

Mit Ausnahme des doch arg zweidimensionalen "Buddy Buddy", mir dem Charlie Blacks den Sack eigentlich hätte zumachen sollen, wird überall kräftig zugelangt. Manchmal läuft dabei jedoch die Dosierung aus dem Ruder: So gerät die musikalische Grundlage für Vybz Kartels "Money Fi Spend" arg hektisch und zerfahren. Ohne die Vocals fehlte diesem Tune jeglicher roter Faden.

Ja, die privaten Vorlieben ... Ich für meinen Teil jedenfalls freu' mich, dass der Gebrauch von Vocodern wieder salonfähig wirkt. Weniger schön, dass "Ragga Ragga Ragga" den Eindruck erweckt, als befände sich die Szene 2008 nach wie vor fest in Männerhand. Wo stecken die Ladys? Es gibt sie, ich weiß es.

Trackliste

  1. 1. Mavado - On The Rock
  2. 2. Demarco - Duppy Know Who Fi Frighten
  3. 3. Busy Signal - Jail
  4. 4. Serani - Study People
  5. 5. Mykal Roze - Shoot Out
  6. 6. Busy Signal - Wine Pon The Edge
  7. 7. Vybz Kartel - Money Fi Spend
  8. 8. Collie Budz - Rise It
  9. 9. Bugle - Cyaan Look Inna Mi Eye
  10. 10. Elephant Man - Cater To The Poor
  11. 11. Vybz Kartel - My Scheme
  12. 12. Black Rhino - Ay Ya Ay Ya
  13. 13. Busy Signal - Knocking At Your Door
  14. 14. Fire Links & Matterhorn - This Is How We Grow
  15. 15. Charlie Blacks - Buddy Buddy

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