laut.de-Kritik

"Chansons d'amour" - fast wie im Depardieu-Film.

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Singt da etwa Brigitte Bardot auf dem Album-Opener? Nein, nein, nein! Langsam müsste doch bekannt sein, dass es sich die Samplerreihe "Le Tour" nicht zur Aufgabe gemacht hat, altgediente und teilweise verschollene Aufnahmen aus den französischen Musikboxen der 60er zu Tage zu fördern. Vielmehr wirft Thomas Bohnet zum dritten Mal einen kenntnisreichen Blick hinüber ins Wein- und Käse-Land, um uns mit begeisternder Haltung zu erzählen, was dort in den Cafés und Discos gerade angesagt ist.

Die eingangs verdächtigte Bardot entpuppt sich bei näherem Hinsehen (denn wieder einmal wurde Wert auf ein informatives Booklet gelegt) denn auch als Frédéric Pradelle, die Sängerin bei der 2005 in Frankreich zu Ruhm gekommenen Band La Position Du Tireur Couché ist. Die Indie-Band stammt aus Clermont-Ferrand in der Region Auvergne, wo sich derzeit auch Gerard Depardieu im sehr lohnenswerten Kinofilm "Chanson d'amour" als heruntergekommener Chansonsänger durchschlägt.

Hätte der seiner Angebeteten die tolle Eingangsnummer "Bête" vorgetragen, wäre der Film vermutlich um einiges kürzer geworden. Hier liegt tatsächlich so viel 60s-Feeling in der Luft, dass man sich glatt auf dem einschlägigen French Pop-Retrosampler "French Cuts" wähnen könnte. Anais führen den Weg des leichten, weiblichen Gesangsvortrags munter fort, und langsam dämmert einem auch in Kombination mit dem Cover, dass nach den ersten beiden "Le Tour"-Ausgaben (1/2) nun den Frauen ein gesonderter Platz eingeräumt wird. Dass Olivia Ruiz, die Sängerin des betörenden Stücks "J'traine des pieds", vor fünf Jahren in Frankreich bei der Castingshow "Star Academy" teilgenommen hat, erscheint unglaublich. Oder erinnert sich noch jemand an Juliette Schoppmann?

Charmanter Pop(Marc Lavoine, Sandrine Kiberlain, Cali) gibt auf "Le Tour 3" rockigeren Beiträgen die Hand (Dionysos) und selbstredend dürfen auch die Multikulti-Partytracks des Migrationslandes nicht fehlen (Babylon Circus, Sinsemilia). Der zuletzt auch im deutschen Feuilleton abgefeierte, maghrebinische Punk-/Chanson-Grenzgänger Rachid Taha liefert mit "Ya Rayah" eine perkussive Coverversion des Clash-Klassikers "Rock The Casbah" ab. Dem wuchtigen Song hört man Tahas Energie an, die der attackefreudige Musiker auch mal Kollegen seiner Zunft zukommen lässt, etwa wenn er den franko-algerischen Musiker Khaled einen "Hochzeitssänger" nennt.

Als Stern der dritten "Le Tour"-Ausgabe würde ich dennoch Ridans grandioses Rap-Chanson "Le Quotidien" küren, das sowohl auf der Tanzfläche als auch im Lehnstuhl funktioniert. Ridans zweites Studioalbum erscheint demnächst im Nachbarland, und liefert mir damit einen Grund mehr, mich zu grämen, dass Konstanz so weit von der französischen Grenze entfernt liegt. Andererseits: "Le Tour 4" kommt bestimmt.

Trackliste

  1. 1. La Position Du Tireur Couche - Bjte
  2. 2. Anais - Mon Coeur Mon Amour
  3. 3. Emilie Simon - Fleur De Saison
  4. 4. Florent Pagny - Ma Liberte De Penser
  5. 5. Marc Lavoine - Dis-Moi Que L'Amour
  6. 6. La Rue Ketanou - Les Hommes Que J'aime
  7. 7. Babylon Circus - J'Aurais Bien Voulu
  8. 8. Ridan - Le Quotidien
  9. 9. Sinsemilia - Tout Le Bonheur Du Monde (Radio Edit)
  10. 10. Dobacaracol - Etrange
  11. 11. Sandrine Kiberlain - Y'a Du Monde
  12. 12. Pauline Croze - Mise ' Nu
  13. 13. Dionysos - Tes Lacets Son Des Fies
  14. 14. Cali - Je M'en Vais (Apres Miossec)
  15. 15. Rachid Taha - Rock El Casbah
  16. 16. Phonoboy - Pas De Temps (LeTour Mix - Previously Unreleased)
  17. 17. The Lovers - Bring Your Chaos
  18. 18. Core 22 - Je T'aime (moi Non Plus)
  19. 19. Les Fleurs Du Fouxi - Le Hawai Interieur (Bonus Track - Previously Unreleased)

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