laut.de-Kritik

Eine empfehlenswerte, krisensichere Investition.

Review von

"Es fällt das Sparen heutzutag doch jedem schwer / Und einen großen Sparbetrag hat keiner mehr: Denn Kapital und Zinsen, die gingen in die Binsen / Und seitdem futsch das Geld, sagt sich die ganze Welt: Ob wir sparen oder nicht, ist doch gleich / Denn wir werden sowieso nicht mehr reich", so Fritz Hönig gut gelaunt im zweiten Lied des vorliegendes Albums.

Handelt es sich um eine Werbeattacke des Einzelhandels, um das Weihnachtsgeschäft doch noch anzukurbeln? Ist es ein letzter verzweifelter Versuch von Opel, seine abgestellten Corsas und Astras unters Volk zu bringen? Durchaus möglich, doch nein: Es handelt sich um ein Lied aus dem Jahr 1931, als ein Brot in Deutschland am Nachmittag ein paar Milliarden Mark mehr kostete als am Morgen. Es war die schlimmste weltweite Wirtschaftkrise seit Menschengedenken.

Frei nach dem Motto "Wenn das Schiff sinkt, tanzen wir alle den Swing" hat Bear Family Records seine Archive durchforstet und allerlei Amüsantes zutage gefördert. Mit der Ausnahme des hyperinflationären "Bruttosozialprodukt" von Geier Sturzflug, "Hey, Boß, Ich Brauch Mehr Geld" von Gunter Gabriel und "Ba-ba-ba-Banküberfall" der Ersten Allgemeinen Verunsicherung dürften die meisten anderen Stücke so gut wie unbekannt sein.

Erstaunlich, welchen Humor Sänger und Kabarettisten kurz vor Hitlers Machtergreifung an den Tag legten. "Immer lustig immer froh, denn die große Pleite kommt ja sowieso", heißt es im "Meier-Foxtrott", das einen ruinierten Geschäftsmann auf die Schippe nimmt. "Das blühendste Geschäft hat der Gerichtsvollzieher. Kinder, lasst den Mut nicht sinken, lasst uns singen lachen trinken", fordert August Batzem. "Mensch, kannst du mir nicht was pumpen, dann lade ich dich ein. Mensch lass dich doch nicht lumpen, heut wollen wir lustig sein", singt Heinz Erhard dann in der Nachkriegszeit.

Wie von Bear Family gewohnt, ist die CD liebevoll gestaltet und üppig mit Bildern und Texten ausgestattet. Dass die Tonqualität teilweise bescheiden ausfällt, spielt keine Rolle – schließlich ist das Material zum Teil schon 80 Jahre alt. Eher störend wirken dagegen die musikalisch untermalten Reden von Franz Josef Strauß und Helmut Schmidt, die in ihrem popjazzigen Gewand ebenso wenig in die Zusammenstellung passen wie das pseudointellektuelle "Glaubensbekenntnis (zu Dagobert Duck)" und der Möchtegernrap von Dolly S. & The Dollies.

Doch die meisten Stücke sind so gut, dass sie selbst in besseren Zeiten noch ein Dauerschmunzeln erzeugen. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass es irgendwann auch wieder bergab geht, womit die CD bis zur nächsten Krise ihren Wert behält. Eine empfehlenswerte, krisensichere Investition, also. Was man von vielen anderen Gegenständen, geschweige denn CDs, kaum behaupten kann.

Trackliste

  1. 1. Franz Josef Strauß - Wenns Ums Geld Geht
  2. 2. Fritz Hönig - Ob Wir Sparen Oder Nicht, Ist Doch Gleich
  3. 3. Ludwig Manfred Lommel - Ärger Mit Dem Finanzamt
  4. 4. Jupp Schmitz - Wer Soll Das Bezahlen?
  5. 5. Kurt Müllhardt - Meier-Foxtrot (Immer Lustig, Immer Froh)
  6. 6. Bobby Dur - Mach Lieber Heute Als Morgen Pleite
  7. 7. Emil F. Burian - Ich Pfeif' Auf Die Pleite
  8. 8. Willy Rosen - Miese Zeiten
  9. 9. Helga Hahnemann - Wo Ist Mein Jeld
  10. 10. Helmut Schmidt - Vertrauen In Die Währung
  11. 11. Heinz Ehrhardt - Mensch, Kannst Du Mir Was Pumpen?
  12. 12. August Batzen - Kinder, Laßt Den Mut Nicht Sinken
  13. 13. Die Wühlmäuse - Glaubensbekenntnis (zu Dagobert Duck)
  14. 14. Hazy Osterwald-Sextett - Konjunktur-Cha-Cha
  15. 15. Geier Sturzflug - Bruttosozialprodukt (Jetzt Wird Wieder In Die Hände Gespuckt)
  16. 16. Bobbyjaan - Ich Steh' An Der Bar Und Ich Habe Kein Geld
  17. 17. Gunter Gabriel - Hey, Boß, Ich Brauch' Mehr Geld
  18. 18. Wilhelm Bendow und Paul Morgan - Nur Nicht Unterkriegen Lassen
  19. 19. Das Berliner Reichskabarett - Mein Geld Ist Weg!
  20. 20. Dolly S. & The Dollies - Mir Geht's Gut (Dollys Rap)
  21. 21. Hermann Leopoldi - Der Unverbesserliche Optimist
  22. 22. Max Hansen - Ich Bin Vom Rockefeller Grad Das Gegenteil
  23. 23. Erste Allgemeine Verunsicherung - Ba-ba-ba-Banküberfall
  24. 24. Helmut Schmidt - Etwas Lernen, Etwas Leisten
  25. 25. Hannes Messemer - Deutsche Pleite

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