7. November 2013

"Ich erkannte die Lügen nicht mehr"

Interview geführt von

Bela B., der erste Stehtrommler der Welt? Nun ja. Peter Behrens hat damit früher angefangen. Leider hat sich seine Band Trio auch früher aufgelöst als Die Ärzte - und noch verheerender: Seither nicht mehr wiedervereinigt.

In öffentlicher Erinnerung geblieben ist vor allem Sänger Stephan Remmler, der mit Gitarrist Kralle Krawinkel alle Trio-Hits komponiert hat. Mit dem Trommler Behrens ging es ab Mitte der 80er Jahre stetig bergab, auch weil er an den alten Meisterleistungen kaum noch etwas verdient.

Umso schöner, dass ausgerechnet er nun seine Erinnerungen aufgeschrieben hat: "Der Clown mit der Trommel - Meine Jahre mit Trio aber nicht nur" ist gerade erschienen und aufgrund der doch recht einmaligen Lebensgeschichte des früheren NDW-Stars auch für diejenigen eine launige Lektüre, denen bei Trio nur "Da Da Da" einfällt. Wir erreichen Behrens am Handy auf der Terrasse des Schwarzkopf & Schwarzkopf-Verlags.

Hallo Peter?

Peter Behrens: Ja, hallo, wie geht's, wie steht's?

Sehr gut, danke. Ich mache dieses Interview für laut.de, ein Online-Musikmagazin. Warst du schon mal auf unserer Seite?

Nicht dass ich wüsste.

Okay, jedenfalls gibt es bei uns eine Rubrik namens "Meilenstein", in der wir wöchentlich ein herausragendes Album der Musikgeschichte vorstellen. Vor einem Jahr haben wir da auch das Trio-Debüt reingenommen.

Aha.

Damals dachten wir, das Kapitel Trio wäre zu Ende erzählt, aber nun erscheint dein Buch "Der Clown mit der Trommel", eine sehr ehrliche und uneitle Hommage an deine Jahre als Rock'n'Roller. Du teilst heftig aus, steckst aber auch einiges ein. Wie kamst du darauf?

Ich hatte mal eine Freundin in München und die wiederum kannte eine, die so Horoskop-mäßig unterwegs war, richtig professionell. Die fragte mich, ob sie mir mal meine Zukunft voraussagen soll. Ja, sachte ich, mach mal. Peter, meinte sie dann, du wirst kein Musiker werden. Oh! Ja, und Theater und Schauspielerei sehe ich bei dir auch nicht. Oh! Aber du wirst irgendwann ein Buch schreiben. Und siehe da, 30 Jahre später ist es gekommen.

Schon am Titel "Der Clown mit der Trommel" wird klar, dass hier keine bierernsten Erinnerungen zu erwarten sind. Wie kamst du auf den Titel?

Am Titel haben wir lange herumgewirtschaftet. Aber letztlich war man der Meinung, dass die Verbindung Schlagzeuger und Clown gut wäre, weil ich ja mal in Mailand auf einer Zirkusschule war.

Warum ist das Buch denn nicht schon vor zehn Jahren entstanden?

Weil da die 30 Jahre noch nicht um waren (lacht).

Naja, da wirst du doch jetzt nicht 30 Jahre lang dran gedacht haben, oder?

Nein, im letzten Jahr fing es im Kopf langsam an, zuerst mit der Trio-Geschichte und dann nach und nach mit der Trio-Geschichte nach der Trio-Geschichte. Nein, vor zehn Jahren wäre das nicht gegangen. Damals war die Zeit noch nicht reif, glaube ich.

War das Buch denn deine Idee oder wurde das vom Verlag an dich herangetragen?

Im westfälischen Soest wohnt Klaus Marschall, der öfter Podiumsdiskussionen mit Jugendlichen organisiert. Dort geht es um Konsum und Drogenmissbrauch aller Art. Und irgendwann hat er mich mal eingeladen und gesagt: Du kannst da ja auch mal was erzählen. Ja und dann haben wir uns öfter mal getroffen und ein Manuskript erstellt.

Das haben wir dann an den Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag herangetragen, dessen Boss, der Oliver, war ein heißer Fan von Trio. Der sagte: Egal, was passiert, wir machen das Buch. Somit hatte ich die finanzielle Unterstützung, um mich mal ein Jahr ausgiebig, na ja, um mal alte Kollegen zu besuchen und so.

Ich hätte ja gedacht, dass Sänger Stephan Remmler als erster eine Autobiographie vorlegt. Aber scheinbar hat er mehr Spaß daran, das Leben von Keith Richards für ein Hörbuch einzusprechen.

Ja (lacht), der is halt'n Kulturbanause. Nee nee, schon in Ordnung. Ich glaube nicht, dass ihn das interessiert, weil er dann ja selber den Mantel ausziehen müsste. Da hat der keine Lust drauf, der hat seine Finca da auf Lanzarote, Familie, einen Hund, ein Pferd, der lässt es sich gutgehen. Die Jungs kriegen ja auch die GEMA-Kohle, davon seh ich ja nix, ne? Ich könnte mir das nicht leisten.

Mit Trio-Gitarrist Kralle Krawinkel, der in Andalusien lebt, hast du aber einen guten Kontakt, wie du im Buch schreibst.

Wir kommen wunderbar klar. Der ist nach Trio ein richtiger Freund geworden. Der lädt mich alle zwei Jahre zu sich ein, und dann schauen wir zusammen die Fußball-EM oder die WM, er bezahlt mir den Flug und dann machen wir uns vier bis sechs Wochen 'nen schönen Lenz. Da bin ich dann praktisch auf Urlaub.

Stephan Remmler ist die zentrale Figur deiner Trio-Erinnerungen. Du beschreibst ihn einerseits als unnahbaren Typen, der für Erfolg über Leichen geht. Andererseits rechnest du ihm hoch an, dass er Kralle damals überredete, dich bei Trio überhaupt aufzunehmen. Manchmal glaubt man, du weißt nicht so genau, ob du ihm böse oder dankbar sein sollst.

Und das möchte ich für jeden Leser auch ein bisschen offen halten.

Speziell die missglückte Reunion Ende der 90er Jahre scheint deiner Wut auf ihn aber Flügel verliehen zu haben. Gibt es denn heute noch Hoffnung auf eine Trio-Wiedervereinigung?

Nee. Da stand vor längerer Zeit halt mal die Idee im Raum, Mensch, könnten wir nicht ... die finanzielle Unterstützung hätten wir doch auch. Das war konkret, Kralle Krawinkel und Stephan Remmler haben sich Demos zugeschickt. Ziemlich schnell merkten die aber, dass der eine nicht das wollte, was der andere gerne möchte. Musikalisch haben die sich nach Trio völlig auseinanderdividiert. Kralle möchte immer noch gerne ne Rock'n'Roll-Gitarre spielen und Remmler möchte lieber in seine Schlagerecke rein. Versteh ich auch irgendwie.

Und wo warst du bei diesen Planungen? Du schreibst doch, dass du die Reunion sehr gerne durchgezogen hättest.

Ja, ich dachte halt, lass die beiden sich erst mal wieder die Augen aushacken und dann geht's weiter. Ich hab dann aber auch gemerkt, dass das mit den beiden nix mehr wird und habe mich dann mit dem Kopf und dem Herzen langsam von dem Thema verabschiedet.

Sollte Remmler das Buch lesen, dürfte er wenig begeistert sein, was dein Portrait seiner Person betrifft. Worüber würdest du denn mit ihm sprechen, wenn er morgen vor deiner Türe stünde?

Hallo Stephan, was gibt's? Kaffee, Tee oder was anderes, setz dich erst mal. (verstellt seine Stimme): Ich hab dir was Wichtiges zu sagen. Ja gut, immer immer, nur die Ruhe. Und dann wären wir langsam warm geworden und hätten uns wohl so einiges zu erzählen gehabt.

Remmler soll im Zuge der Reunion-Planungen ja darauf bestanden haben, dass du und Krawinkel seine neuen Songs aufnehmen oder spielen müsst. In der Arte-TV-Dokumentation von 2009 wirkt er aber eigentlich gar nicht so miesepetrig.

(Pause) Da hat er auf ne Art und Weise was von einem Exhibitionisten, auf der Bühne ja sowieso. Wahrheit und Nicht-Wahrheit kann man bei ihm schwer beurteilen. Das ist nun mal sein Stil.

Schickst du ihm ein Buch?

Er kriegt automatisch eins vom Verlag. Das ging raus zu Stephan Remmler nach Lanzarote. Mit Widmung sogar. Ein wenig warte ich schon auf seine Reaktion.

Im Buch erzählst du schonungslos von deinem Problem, mit Geld umzugehen, etwa als du die 100.000 Mark Gage für den Film "Drei Gegen Drei" in Kokain und Heroin umgesetzt hast. Hast du nicht an manchen Stellen überlegt, die Wahrheit ein wenig zu schönen?

Nö. Bei Kralle Krawinkel habe ich mir da eher Gedanken gemacht, weil der ja damals mal mit einem Luftgewehr aus 20 Meter Entfernung auf mich geschossen hat. Aus Spaß, sagt er immer, er wollte ja nur nen Fußball treffen. Ich stand draußen beim Wäsche aufhängen und plötzlich pfeift mir so ein Ding hinten rein. Gut, son Projektil is am Ende wie ein Bienenstich oder so. In der Buch-Vorbereitung habe ich ihn gefragt: Kann ich schreiben, dass du mich ermorden wolltest? (lacht) Und dann meinte er wieder, nee nee, da lag doch der Ball rum, und ich: Jaja Kralle, du hast meinen Arsch getroffen. Und er meinte: Ja klar, kannste schreiben, mach dir keinen Kopp.

Aber er wollte doch nur den Ball treffen, oder?

Phh, wer weiß, wer weiß.

"Peter, wir haben nur Scheiße von dir gehört"

Von Fußballern hört man ja oft, dass sie nach dem Karriereende in Schierigkeiten geraten, weil sie den Nervenkitzel oder die Begeisterung der Öffentlichkeit vermissen. Wie war das denn bei dir, als das mit Trio zu Ende ging?

Die Aufmerksamkeit hat mir schon gefehlt. Und mit meinem Selbstbewusstsein gings auch den Bach runter. Ich erkannte die Lügen in den Gesichtern der Leute nicht mehr und habe zehn Jahre bei den Drogen zugeschlagen. Zum Glück haben dann rechtzeitig Freunde aus Hamburg angerufen. Die meinten: Peter, hockst du immer noch Wilhelmshaven? Wir haben nur Scheiße von dir gehört. Morgen stehen wir mit einem VW-Bus vor deiner Tür. Pack ein paar Koffer, nur das Nötigste und steh vor der Tür. Wenn du nicht dastehst, bist du für uns erledigt.

Da merkte ich, Peter, jetzt wird’s ernst. Ich hab also gepackt und die kamen tatsächlich. In Hamburg habe ich dann zwei oder drei Jahre gelebt.

Jetzt wohnst du aber wieder in Wilhelmshaven.

Genau, auch weil es da billiger ist. Hamburg könnte ich mir mit meiner kleinen Rente gar nicht leisten.

Du hast ja schon erwähnt, dass Remmler und Krawinkel als Trio-Komponisten bis heute ganz gut verdienen. Du erhältst aber Geld von jeder verkauften Platte, richtig?

Ja, das sind die Lizenzen, aber das ist ja nicht mehr so doll. Das meiste wird heute ja runter geladen, aber okay.

Blöd, dass es das zweite Trio-Album "Bye Bye" immer noch nicht auf CD gibt.

Das weiß ich gar nicht.

Es gab nur eine Remasters-Edition eures Debütalbums.

Das ist mir neu. Aber ich habe mich da auch etwas abgeseilt und bin da nicht mehr neugierig. Das war für mich auch ne wichtige Phase, nachdem es vorbei war, denn dadurch habe ich gemerkt: Peter, du hast es verdaut, du hast es abgehakt.

Manchmal überraschst du mit extremem Detailwissen. An einer Stelle beschreibst du, wie ihr nach einem Livegig in einem Kaufhaus, als ihr schon auf der Autobahn wart, spontan umgedreht und zurückgefahren seid, nur um zu schauen, ob sie eure Platten schon aus dem Schaufenster geräumt haben. Liegt Falco am Ende daneben, wenn er sagt: Wer sich an die 80er Jahre erinnert, hat sie nicht erlebt?

Jo, könnte man so sagen. Hat er nicht Unrecht.

Aber wie konntest du dich dann an die ganzen Erlebnisse damals erinnern?

Ich habe ein sehr gutes Langzeitgedächtnis. Das haben sie mir schon vor Jahren mal gesagt, als ich beim Ohrenarzt war. Die konnten da nix finden trotz jahrelangem Rock'n'Roll. Die meisten haben ja mit 40 ihren ersten Gehörschaden. Aber die meinten: Trommelfell wunderbar. Und wenn das Trommelfell gut ist, kann man sich auch mehr merken. Das wiederum habe ich mir gemerkt.

Für Leute, die sich mit Trio nicht so auskennen, dürfte es absurd klingen, wenn sie jetzt erfahren, dass ihr 1982 in Kanada, New York und L.A. vor ausverkauften Läden gespielt habt. Mit Leuten im Publikum wie Yoko Ono und Randy Newman. Was denkt man da als bescheidener Ostfriese?

Ich hätte damals denken sollen: Das ist kein Traum, das ist die Realität, Peter Behrens, das kommt nicht wieder. Also sieh es positiv, was da passiert ist. Sowas wird in deinem ganzen Leben nie wieder passieren.

Aber als diese Bombe mit Trio los ging, war ich irgendwie traumatisiert. Dass diese sechs, sieben Jahre kein Traum sind, das habe ich erst sehr spät gemerkt. Dann ging es mir nur noch darum, alles zu verdrängen mit den ganzen Drogen, bis eben die Freunde aus Hamburg vor meiner Tür standen. Erst da wurde mir klar: Du bist jetzt Peter Behrens, du bist nicht mehr "Da Da Da".

Euer früherer Förderer Klaus Voormann, der schon mit den Beatles gearbeitet hat, meinte in der Arte-Doku, der Trio-Abstieg habe begonnen, als du und Remmler aus der gemeinsamen WG in Großenkneten ausgezogen seid. Da wären dann Starallüren dazugekommen wie verschiedene Limos und sowas. Macht man die größten Fehler im Augenblick des größten Triumphs?

Also ich wollte keine Luxus-Limousine haben, denn ich hatte damals gar keinen Führerschein. Remmler hatte seinen dicken Mercedes, Kralle seinen Rolls Royce und Peter Behrens ist mit dem Fahrrad gefahren. Oder mit nem führerscheinfreien Moped.

"Ich wollte die Leute nicht belügen"

Die Rolle des gefallenen Helden hast du in den 90ern ohne mit der Wimper zu zucken in Talkshows wie "Hans Meiser" oder "Sonja" gespielt, wissentlich, dass da nur C-Prominenz rumsitzt. Gab es denn keine anderen Freunde von früher, die dich vor der Sozialhilfe hätten bewahren können?

Bei diesen Fernsehdingern wie Meiser und Konsorten, da hab ich mir gesagt: Peter, das is jetzt einfach so. Viele Leute wissen um deine Vergangenheit, und der Gedanke, diese Leute jetzt zu belügen … nee, darauf hatte ich mal gar keinen Bock. Dann lieber Frei Schnauze. Dass viele meiner alten Kollegen bei solchen Gesprächen nicht hätten dabei sein wollen, das konnte ich mir denken. Einer wie Markus spielt ja heute noch auf großen Bühnen.

Du erwähnst auch einen Auftritt in Stefan Raabs damaliger Sendung "Vivasion", nach der du stolz warst, dass sie nicht so peinlich geworden ist, wie du befürchtet hattest. Warum?

Der Stefan hatte da dieses Lied "Liebe der Matrosen", das er auf der Ukulele gespielt hat. Und ich sollte mich auf so nen kleinen Hocker neben ihn setzen. Das wollte ich aber nicht, denn sonst wäre der Stefan einen Kopf größer gewesen als ich. Also habe ich mich oben auf die Lehne gesetzt und das fand er schon mal ganz witzig.

Was sagst du zu Krawinkels alter Definition von Trio, wonach Remmler der Kopf ist, Kralle das Herz und du das Arschloch?

Hehe. Ja, hat er schön gesagt.

Der frühere Spider Murphy Gang-Trommler Franz Trojan lebt heute im Wohnwagen eines Fans am Niederrhein. Habt ihr noch Kontakt?

Nee. Als ich vor zehn Jahren oder mehr mal in München gewohnt habe, da haben wir uns ein paar Mal getroffen. Deshalb war ich erstaunt, als ich vor einer Weile diese Wohnwagen-Geschichte im Fernsehen sehen musste. Na ja, is seine Sache, da muss er durch.

Was unterscheidet denn seinen Lebensweg von deinem?

Ich schätze mal, der Franzer, wie ich ihn immer nenne, der hat keine Zukunft mehr. Musikalisch? Glaube ich nicht. Irgendwelche anderen Gebiete? Ein Buch oder so? Glaube ich nicht, weiß ich nicht. Hätte ja sicher auch was zu erzählen. Was mich betrifft, ist dieses Buch so was wie meine zweite Karriere.

Angeblich hat er vor Jahren eine Einladung seiner Ex-Kollegen ausgeschlagen, beim 30-jährigen Bühnenjubiläum in München mit aufzutreten.

Ja, vielleicht weil er im Krach aus der Band gegangen ist. Der Franzer war dem Alkohol auch nicht abgeneigt. Wir haben schon einige Sauftouren in München durchgezogen. Jo, war ganz gut immer. Ich denke, dass es der Band einfach zu viel wurde, weil er ständig betrunken war.

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