laut.de-Kritik

Gute Laune und eine "helle Zukunft" in Moll?

Review von

Belangloser kann ein Singer/Songwriter-Album kaum sein. Tracy Chapman langweilt auf "Our Bright Future" zwar nur 42 Minuten. Die kommen einem aber vor wie die berühmte Ewigkeit. Eine nicht enden wollende Reise in die ausgehenden 80er. Das ist besonders tragisch, da sie ihr Album "Unsere helle Zukunft" betitelt.

Doch der Funke der Freude will während der Spielzeit einfach nicht überspringen. Im Gegenteil! Schnell, viel zu schnell, wünscht man sich, Tracy Chapman hätte ihren Mund gehalten. Denn die im Titel verankerte Zuversicht in die Zukunft nimmt man ihren Songs einfach nicht ab. Die purzeln wie eh und je mit einem Betroffenheits-Habitus durch die Landschaft, der 20 Jahre nach seiner Zeit einfach nicht mehr reizt.

Damals, als Tracy Chapman beim umjubelten Konzert zu Nelson Mandelas 70. Geburtstag über Nacht zum Star wurde, funkelten ihre sozial engagierten Texte und Lieder wie ein seltener Diamant. Sie galt als Stimme einer ganzen Generation, als politisches Bewusstsein und akustische Waffe im Kampf um eine bessere Welt. Nur mit der Gitarre bewaffnet, sang sie gegen die Missstände an, die die Menscheit seinerzeit bewegten.

"Die menschliche Stimme unterscheidet sich von anderen Geräuschen, selbst wenn sie nicht schreit. Selbst wenn sie nur ein Flüstern ist. Selbst eine flüsternde Stimme kann ganze Armeen übertönen, wenn sie die Wahrheit spricht", formulierte Nicole Kidman 2005 in "Die Dolmetscherin". Tracy Chapman war diese Stimme. War!

In der Amtszeit Ronald Reagans stießen ihre Texte und ihre filigranen, zerbrechlichen Songs auf offene Ohren. Unrecht, Rassenhass, Armut und existenzielle Ängste sind zwar auch heute nicht aus der Welt. Ob man sie allerdings mit denselben musikalischen Waffen bekämpfen sollte, sei dahin gestellt.

Ihrem Markenzeichen, textlich und musikalisch sensibel, emotional, authentisch und stets ein wenig anklagend, bleibt Chapman auch auf "Our Bright Future" treu. Zwei Dekaden nach "Talkin' Bout A Revolution" ist ihre Stimme in jeder Lage wiedererkennbar - ihre Musik leider auch. Manche nennen das "sich musikalisch treu bleiben", ich bevorzuge "entwicklungsresistent".

Denn Fakt ist, dass "Our Bright Future" keinerlei neue Facetten offenbart. Weder in Singer/Songwriter-, noch in Tracy Chapman'scher Hinsicht. Da helfen auch Name-Dropping-potente Mitstreiter nichts. Von Larry Klein (u.a. Herbie Hancock, Joni Mitchell) produziert, featured "Our Bright Future" die Gitarristen Dean Parks (B.B. King, Anita Baker) und Joe Gore (Tom Waits, PJ Harvey), die Schlagzeuger Steve Gadd (Paul Simon) und Joey Waronker (R.E.M., Smashing Pumpkins), und die Pianisten Larry Goldings (Madeleine Peyroux) & Rob Burger (Norah Jones).

Gemeinsam mit Chapman basteln sie durchaus nette Lieder zurecht. So nett, dass sie geschmeidig ins eine Ohr reingehen, nur um sich genauso gelenkig durchs Andere wieder vom Acker zu machen. Auf ihrem Weg schauen sie fix im Kurzzeitgedächtnis vorbei. Dort werden sie sehr schnell als belanglos erkannt und an das Ultrakurzzeitgedächtnis durchgereicht. Das alles passiert im Jetzt. Denn Vergangenheit kennt "Our Bright Future" nicht - und damit keine Erinnerung.

Ein bisschen Folk, ein bisschen Blues, ein bisschen Bluegrass. Ein bisschen Pop, ein bisschen Singer/Songwriter, ein bisschen Country. Dazu was 'Exotisches', wie die Klarinette in "I Did It All", ab und an eine Steel-Guitar ("Save Us All") oder ein paar Klaviertupfer ("Conditional"). Dargereicht auf Nicht-der-Rede-Wert-Rhythmen. Von Grooves oder Beats will ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Zum Glück thront über allem die Stimme der Protagonistin. Ohne sie wären die Songs wie die Rhythmen: nicht der Rede wert.

Kurz und gut: Um sich wieder einmal an der guten alten Stimme von Tracy Chapman zu erfreuen, leistet "Our Bright Future" brauchbare Dienste und tatsächlich stellt man titelgemäß mehr Optimismus und eine ungewöhnlich fröhliche Ausstrahlung in Chapmans Œuvre fest. Dennoch strahlt ihre Aura fast immer mit kleiner Terz! Eine "helle Zukunft" in Moll geht halt echt schlecht.

Trackliste

  1. 1. Sing For You
  2. 2. I Did It All
  3. 3. Save Us All
  4. 4. Our Bright Future
  5. 5. For A Dream
  6. 6. Thinking Of You
  7. 7. A Theory
  8. 8. Conditional
  9. 9. Something To See
  10. 10. The First Person On Earth
  11. 11. Spring

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26 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 15 Jahren

    Kann doch nicht sein dass heute nix gutes mehr kommt nach den tollen Songs damals.

    "Gemeinsam mit Chapman basteln sie durchaus nette Lieder zurecht. So nett, dass sie geschmeidig ins eine Ohr reingehen, nur um sich genauso gelenkig durchs Andere wieder vom Acker zu machen. Auf ihrem Weg schauen sie fix im Kurzzeitgedächtnis vorbei. Dort werden sie sehr schnell als belanglos erkannt und an das Ultrakurzzeitgedächtnis durchgereicht. Das alles passiert im Jetzt. Denn Vergangenheit kennt "Our Bright Future" nicht - und damit keine Erinnerung."

    trotzdem sehr gut ;)

  • Vor 15 Jahren

    So Leuten sollte man die Rezension verbieten !
    Was ist denn das für eine niedergeschriebe, verbale Diarrhoe ???
    Was würde denn der Herr schreiben, wenn AC/DC sich "weiterentwickeln" würden ????
    Es gibt eben Bands oder SängerInnen, bei denen es keine Weiterentwicklung benötigt !
    Da hat wohl jemand den Schuss nicht gehört.
    Also sonst lese ich die Rezensionen sehr gerne, aber diese hat mich echt aufgeregt.

  • Vor 15 Jahren

    Mich nicht.
    Später mehr dazu, das Album muss ich mir nochmal in Ruhe zur Brust nehmen. Ein einziger Balken ist mir zwar im Moment auch zu wenig, aber das Album scheint mir (für ihre früheren Verhältnisse) eher durchschnittlich zu sein. Die Tendenz bei mir geht zu (ziemlich knappen) ***.

    Obi Wan: 2, vielleicht 3 Songs, die an ihre guten Zeiten halbwegs anknüpfen können. Der Rest etwa ** - ** 1/2.
    Ich hatte ein paar Sätze mehr vorbereitet, aber mir geht das eintönig-sinnleere Geballere gegen den Autor selbst auf den Zeiger. Lassen wirs gut sein.

  • Vor 14 Jahren

    Ich liebe die Musik von Tracy Chapman.
    Ihre Stimme hat soviel Klarheit, Sinnlichkeit, Stärke und verkörpert den humanistischen Gedanken.

    FOREVER TRACY

  • Vor 11 Jahren

    Interessant was hier so geschrieben wurde. Ich habe noch nie eine Tracy Chapman Platte gehört, die so anders als ihre "Hits" in den 80ern war wie diese. Die Produktion ist in keinster Weise ähnlich, vollkommen anderer Sound, Mix, Mikrofonierung. Viel direkter, viel moderner. Das die Songs langweilig erscheinen(!) können, kann ich schon gut verstehehen. Allerdings sollte man sich doch bewusst machen, dass Tracy es nie darauf angelegt hat die Main-Stream/Radio-Ansprüche zu bedienen und die typischen Spannungsbögen und Melodien zu kreieren, damit es auch jeder sofort nach 1 oder zweimal hören mitsingen kann. Geht ihr auch in ein Kunstmuseum und erwartet jedes Bild sofort beim ersten Blick wunderschön, ansprechend und unterhaltsam zu finden und auch den Hintergedanken sofort zu verstehen?? Kunst braucht Zeit und jemanden, der sich WIRKLICH damit auseinandersetzt. Radiohits mitsingen ist eine komplett andere Art Musik zu konsumieren.

    Wenn man Tracy Chapman ein wenig kennt, sollte man eigentlich wissen was ihr lieber ist zu produzieren. In den Charts rauf und runtergedudelt zu werden hat sie sicherlich nicht mehr nötig. Warum also nicht machen was man WIRKLICH fühlt und machen möchte?

  • Vor 11 Jahren

    Oh, und dass der Rezensent anscheinend tatsächlich keinerlei Schimmer hat, was eigentlich hinter "Our bright future" steckt und NATÜRLICH keine fröhliche Gute-Laune-Musik zu erwarten ist..... etwas peinlich! Außer dem Titel sollte man sich vielleicht auch tatsächlich mal den Text anschauen...

    • Vor 9 Jahren

      ...To my father what of your sons?
      All of your children
      Even the ones
      Sent out to martyr
      To face the gun
      Precious bodies opposed to bombs

      To my father what have you done?
      To the children
      Born innocent
      But come to harm
      For dreams of glory
      And just a line in history

      Led on led on
      To take the path
      Where our bright future
      Is in our past...

      Das sind doch wunderschön optimistische Zeilen, oder etwa nicht?