27. Juli 2015

"Wir machten aus der Not eine Tugend"

Interview geführt von

Nach knapp zehn mühsamen Jahren on the Road gelang den Jungs von Tracer vor zwei Jahren mit ihrem Stoner-Meisterwerk "El Pistolero" endlich der Durchbruch. Mit ihrem neuen Album "Water For Thirsty Dogs" wollen die Australier weitere Ernten einfahren.

Mit ihrem letzten Album "El Pistolero" schossen die drei australischen Wüstenrocker von Tracer ihren ersten großen Vogel ab. Mit einem fulminanten Stoner-Rock-Gebräu, bei dem man als Fan von Bands wie Queens Of The Stone Age, Kyuss und Konsorten keine Sekunde stillsitzen kann, katapultierte sich die Band praktisch über Nacht in den Fokus der Branchen-Öffentlichkeit. Dabei musizieren die drei Band-Verantwortlichen bereits seit über zehn Jahren zusammen. Nur hat das scheinbar kaum jemand so richtig wahrgenommen.

Sei's drum. Nun haben wir sie ja auf dem Schirm. Und zwar so derbe, dass die Erwartungen an das neue Studiowerk natürlich unverhältnismäßig in die Höhe schnellten. Nun steht "Water For Thirsty Dogs" in den Startlöchern, und wir halten fest: Das Ding rockt; wenngleich vielleicht nicht ganz so energiegeladen wie "El Pistolero". Oder haben wir einfach nur nicht richtig hingehört? Wir wollten Klarheit. Also schnappten wir uns Sänger und Gitarrist Michael Brown und konfrontierten ihn mit unserer ersten Einschätzung.

Hi Michael. Soll ich gleich mit der Tür ins Haus fallen?

Michael Brown: Ich bitte drum. Was ist dein Problem?

Euer neues Album.

Oh, das hört sich nicht gut an.

Alles halb so wild. Es geht eher in die Meckern-auf-höchstem-Niveau-Richtung.

Verstehe. Dann schieß mal los. Woran hapert's?

Genau das ist der Punkt. Ich kann es irgendwie gar nicht so richtig beschreiben. Aber irgendwas fehlt mir auf dem Album. Für mich klingt "El Pistolero" im Ganzen eine Spur druckvoller, energiegeladener und fesselnder.

Mach dir keine Sorgen. Damit kann ich leben (lacht). Aber ich sehe das natürlich ein bisschen anders. Ich glaube, dass das neue Album einige Durchgänge mehr benötigt um sich komplett zu entfalten. Wie oft hast du es bisher gehört?

Dreimal.

Das reicht natürlich nicht (lacht). Lass dir Zeit. Lass vielleicht auch mal den einen oder anderen Tag vergehen. Dann bin ich mir sicher, wirst du begeistert sein. Vorausgesetzt natürlich, du hattest Spaß mit "El Pistolero".

Oh, den hatte ich. Den habe ich auch immer noch. Die "Water For Thirsty Dogs"-Oberfläche kann demnach in die Irre führen?

Es scheint zumindest so. Ich kenne aber auch viele Leute, die gleich nach dem ersten Durchlauf Feuer und Flamme waren. Du bist vielleicht jemand, der etwas mehr Zeit benötigt. Also nimm sie dir. Wäre doch schade drum. Wir haben uns schließlich auch viel Zeit für das Album genommen.

Das werde ich. Du sagtest gerade, ihr hättet euch auch viel Zeit genommen. Mehr als für "El Pistolero"?

Ja, definitiv. Diesmal haben wir uns vier oder fünf Monate fast ausschließlich mit dem Songwriting beschäftigt. Diese Zeit brauchten wir aber auch. Nach "El Pistolero" ist so viel passiert. Plötzlich hatte man uns überall auf dem Radar. Wir waren ständig unterwegs. Diesen Auftrieb wollten wir nutzen. Wir wollten aber auch keinen Schnellschuss fabrizieren, sondern uns Zeit lassen, um den Leuten da draußen zu zeigen, was noch alles in der Band steckt.

"Wir hatten keine Kohle mehr"

Wie fühlt es sich denn generell an, nach zehn Jahren harter Arbeit endlich die erste große Ernte einzufahren?

Das fühlt sich natürlich großartig an.

Blut geleckt?

Und wie! Jetzt wollen wir natürlich weiter Gas geben. Und ich denke, dass uns das neue Album dabei helfen wird. Wir können nämlich nicht nur Stoner-Rock. Wir lieben auch die alten Grunge-Sachen und jede Menge Alternative-Zeugs. Ich denke, dass man das der Platte auch anhört.

Grunge ist ein gutes Stichwort. Ich finde ja, dass du dich stimmlich immer mehr in Richtung Chris Cornell bewegst. Bewusst?

Nein, nicht bewusst. Natürlich liebe ich Soundgarden. Vor allem die alten Sachen. Und Chris seine Stimme war und ist immer noch ein ganz besonderes Merkmal der Band. Ich weiß, dass es Parallelen zwischen unseren Stimmen gibt. Aber ich klang schon immer so. Diesmal schreie ich vielleicht ein bisschen mehr (lacht).

Was super funktioniert.

Ja, finde ich auch. Es passt zum Grundsound des Albums. Der ist etwas wilder und ungestümer als auf dem letzten Album. Nicht ganz so geschliffen.

Habt ihr vielleicht auch deswegen die Produzentenarbeit diesmal selbst in die Hand genommen? War euch der Sound, den euch Kevin Shirley (Iron Maiden, Led Zeppelin, Rush) für "El Pistolero" zurecht gelegt hat letztlich etwas zu glatt?

Nein, überhaupt nicht. Für "El Pistolero" hat dieser voluminöse etwas homogenere Sound perfekt gepasst. Wir hätten Kevin auch gerne für das neue Album engagiert. Leider sind uns aber Label-Probleme dazwischengekommen. So hatten wir irgendwann einfach keine Kohle mehr um einen Top-Mann wie Kevin erneut an Bord zu holen. Wir haben dann versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. Ich meine, wer weiß letztlich besser wie wir klingen wollen als wir selbst? Also haben wir uns hingesetzt und das Ding alleine gerockt; zumindest den Großteil.

Wer war noch dabei?

Erik Reichers (Everclear, Snoop Dogg) hat uns hin und wieder unter die Arme gegriffen. Aber, wie gesagt, das meiste haben wir aus dem Boden gestampft.

Fühlt sich gut an?

Oh ja. Wir sind jetzt schon so lange dabei. Diesen ganzen Input, den wir über die Jahre angesammelt haben, mal geballt rauslassen zu können, war schon geil.

"Wir reißen uns den Arsch auf"

Schade, dass dein Bruder das nicht mehr miterleben durfte, oder?

Ja, das stimmt. Aber wir haben in Zeiten, in denen er noch Teil der Band war auch vieles allein auf die Beine gestellt.

Wie schwer ist dir sein Abschied damals (Leigh Brown verließ die Band im Jahr 2011) gefallen? Ich meine, ihr seid Brüder.

Das war schon ziemlich hart. Aber im Nachhinein war es die richtige Entscheidung. Leigh war irgendwann nicht mehr mit dem Herzen dabei. Aber statt sich durchzumogeln, hat er die Karten offen auf den Tisch gelegt, um der Band zu helfen. Das rechne ich ihm sehr hoch an. Es gab nie Streit oder sonstige Probleme innerhalb der Band. Es war einfach nur so, dass ihn irgendwann andere Dinge im Leben wichtiger wurden.

Seither schwingt ein gewisser Jett Heysen-Hicks den Bass. Wie seid ihr auf Jett gestoßen?

Wir kommen aus Adelaide. Das ist eine ziemlich kleine Stadt, wenn es um Musik geht. Dort gibt es nur wenige Bands, die einen ähnlichen Sound fahren wie wir. Und Jett war schon immer ein Teil dieser Community. Er war auch derjenige, der als einziger in einer Band spielte, die bereits in Europa und den Staaten unterwegs war. Als sich Leigh dann verabschiedete, war es irgendwie klar, dass Jett mit im Rennen war, als es darum ging, einen Ersatz zu finden. Und letztlich hat es auch geklappt, worüber wir alle sehr froh sind.

Demnach passt alles?

Ja. Jett bringt unheimlich viel Energie und Spielfreude mit. Außerdem kennen wir uns schon lange. Das macht das Arbeiten natürlich ungemein angenehm. Er war von Anfang an sofort drin. Er wusste, wie wir ticken, was wir wollen und wohin die Reisen gehen soll. Das hätte mit einem Fremden alles viel länger gedauert.

Es passt also alles wie angegossen im Hause Tracer. Klingt nach einer rosigen Zukunft. Was können eure Fans mittelfristig von euch erwarten?

Jede Menge, das kann ich dir versprechen. (lacht)

Dann schieß mal los.

Das neue Album hat momentan natürlich oberste Priorität. Danach werden wir auf große Tour gehen. Ich denke, es wird die größte Tour werden, die wir je gespielt haben. Wir wollen so viele Fans wie möglich erreichen. Das bedeutet aber auch viel Arbeit. Wir reißen uns gerade den Arsch auf, dass hinter den Kulissen alles in die Wege geleitet wird.

Was kommt nach der Tour?

Nun, wir hoffen erst einmal, dass wir im Zuge der Tour noch weitere Kontakte knüpfen können, die es uns ermöglichen im nächsten Jahr vielleicht auf einigen großen Festivals zu spielen. Das wäre fantastisch. Des Weiteren werden wir irgendwann natürlich auch wieder mit dem Songwriting beginnen. Das wird aber wahrscheinlich erst im kommenden Jahr sein. Wir werden sehen.

Das klingt doch alles schon mal sehr spannend.

Ja, wir können es auch gar nicht abwarten endlich mit den neuen Songs unter die Leute zu gehen. Das wird ein Fest. Davon bin ich überzeugt. Wir sind jetzt voll drin. Und da wollen wir auch bleiben.

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