Details

Mit:
Datum: 21. Mai 2002
Location: Columbiahalle
Columbiadamm 13-21
10965 Berlin
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Düster. Angst einflößend. Psychedelisch. Bombastisch. Tool live.

Review von Philipp Schiedel

Ein scheuer und seltsamer Mensch, dieser Maynard Keenan. Zog der Tool-Frontman in letzter Zeit hauptsächlich durch provokative Aussagen ("Bush ist der neue Hitler") die Aufmerksamkeiten auf sich, so suchte er beim einzigen deutschen Solo-Gig seiner Band in der Berliner Columbiahalle stets den Rampenschatten. Völlig schwarz angemalt und nur mit badehosenähnlichem Lendenschurz bekleidet versteckt er sich das komplette Konzert über im rechten hinteren Teil der Bühne und steht dort nahezu auf seinen Schatten reduziert vor einer weißen Leinwand. Nur in Notfällen schafft er es, sich dem Publikum zu zeigen.

Selbst wenn ihm diese Überwindung gelingt, ist sie nur für die Dauer von Millisekunden und bringt nicht einmal mehr als die Hälfte seines Körpers zum Vorschein. Schnellstmöglichst huscht er wieder in seine Anonymität als Schattenmann. Dadurch wird der Sänger als sonstiger Fixpunkt einer Band völlig im Stich gelassen. Bassist, Schlagzeuger und Gitarrist machen nebenbei ihr übliches Ding, aber kümmern sich auch nicht einen Hauch darum, etwas besonders zu bieten während sie ihre bombastischen Arrangements auf der Bühne noch verwirrender ausbauen. Ein Schritt nach links ist bei ihnen schon das höchste der Gefühle. Aber alles nebensächlich: Tool geben keine Konzerte. Sie vollführen Shows. Und die finden weniger durch die Anwesenheit der Musiker auf der Bühne, sondern vielmehr durch die visuelle Umsetzung des Ganzen statt.

Mittelpunkt des Geschehens ist die riesige zweigeteilte Leinwand über der Band, auf die konstant und perfekt auf die Musik abgestimmte Videos projiziert werden. Darin kotzen, rennen, ficken oder schleichen absurde, dem Verfolgungswahn verfallene Figuren durch Computerspiel-Welten und ziehen ein Gesicht, als würden sie gerade vor einer tödlichen Folter fliehen. Die Adern drücken bei "Shism" (vgl. Video) aus der Kopfhaut und wurmartige, schmerzverzerrte Wesen schlagen im Takt ihren Körper auf kalten Boden. Wenn überdimensionale, rot geschwollene Augen mit Pinsetten bearbeitet werden und das Blut läuft, wird die Schwelle der Ekligkeit zwar locker überschritten, aber jedes Detail passt haargenau in die düstere musikalische Welt der Kalifornier.

Auch Keenan bekommt in seiner dunklen Ecke einen Extra-Projektor ab. Wenn der Schattenmann seinen Körper in den Schrei legt und um ihn herum psychedelische Muster oder wirbelsäulenartige Spiralen schwirren, bleibt nicht nur ein völlig beeindruckter Mund weit offen. Tool reduzieren ihre schwer zugängliche, aber überaus einnehmende Musik in der Live-Umsetzung auf Ohr und Technik. Das Video ist hier Hauptdarsteller, die Musiker nur notweniger Nebenpart. Eine Angst einflößende, aber durchaus wirksame Vision für die Zukunft der Live-Gigs.

Fotogalerie:

Aufgrund eines allgemeinen Foto-Verbots beim Berliner Konzert sind die nachfolgenden Bilder vom Tool-Auftritt beim Ozzfest in Braunschweig (22. Mai 2002).

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Artistinfo

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