18. Januar 2007

"Der Knödel ist eine große Ehre!"

Interview geführt von

Xavier Naidoo, De-Phazz und Thomas Siffling! Wie? Ihr kennt nur die ersten zwei? Dann wird es aber höchste Zeit, sich den Namen Siffling ins Gehirn zu meißeln. Denn er beschert dem noch jungen Jahr 2007 ein erstes musikalisches Highlight. "Kitchen Music" heißt sein Naschwerk. Im Interview mit laut.de verrät er, warum dem so ist, wie der Siffling-Knödel zu seinem Namen kam und was Xavier und er gemeinsam haben: nämlich nichts!Es war eine Premiere. Sowohl für Thomas Siffling als auch für den Laut-Redakteur: Ein E-mail-Interview. Wie soll denn das gehen, wenn man nicht auf die Antworten des Künstlers reagieren kann, dachte ich mir und meldete meine Bedenken bei seiner Promoterin an. "Also, ich denke der Thomas würde mit dir herzlich gerne ein Frage-Antwort-Spielchen machen - du schiebst ihm die Frage hin - er antwortet - und dann bist du wieder am Zug. Er ist wirklich total nett, witzig und charmant, und sicherlich auch sehr geduldig", entkräftete sie meine Bedenken. Sie hatte recht, er willigte ein, und es entwickelte sich ein reger Mailaustausch, der keine Wünsche offen ließ ...

Ich habe vor kurzem Schokoladen-Nudeln geschenkt bekommen. Welche Zubereitung empfiehlst du für solch eine kulinarische Absonderlichkeit?

Also ich würde spontan heiße Pflaumen mit Vanille-Soße dazu machen. Kein Diät-Essen, aber eines, das glücklich macht, denn Schokolade macht ja glücklich :-).

... und welche Musik würdest du als Zubereitungssoundtrack empfehlen?

Ich würde "Abendlied" von unserer aktuellen Platte empfehlen. Der Song verbreitet so eine gewisse Schwere und Relaxtheit - ein schönes Wohlbefinden, das dem Gesättigt sein entspricht.

Du hast das Ziel meiner Fragen durchschaut ... wie kommst du dazu, deine neue Platte "Kitchen Music" zu nennen?

Die Idee war, ein Konzept-Album zu machen. Ein Album, das sowohl im Hintergrund funktioniert, als auch einem bewussten Zuhören standhält. Eine Art Easy Listening mit Tiefgang. Musik für Jazzliebhaber und auch für Leute, die noch nichts mit Jazz am Hut haben. Sie soll einfach ein gutes Gefühl vermitteln und inspirieren, sich mit dem Thema Jazz auseinander zu setzen.

Dann kam die Überlegung, wo und wann man sich denn wohl fühlt. Da ich ein sehr kommunikativer Mensch bin und gerne mit Freunden zusammen koche, war die Idee der "Kitchen Music" schnell geboren - einer Musik, die man ganz entspannt beim Zubereiten der Speisen hören kann, oder beim gemütlichen Vorkosten des Rotweins. Dieses Vorfreude-Wohlgefühl soll widergespiegelt werden. Der kommunikative Platz Küche spielte dabei eine Rolle. Auf jeder Party ist die Küche der wichtigste Raum. Hier trifft man Leute und kommt ins Gespräch. Man lässt sich auf etwas Neues ein.

Aber die Platte soll auch beim Glas Wein, später auf dem Sofa, einem bewussten Zuhören standhalten. Es passieren viele kleine Dinge, die man erst beim genauen Hören wahrnimmt. So bleibt die Musik spannend.

Eigentlich ist Easy Listening mit Tiefgang ja ein Widerspruch in sich und klingt nach der Quadratur des Kreises. Das Erstaunlichste ist, du hast diesen Widerspruch scheinbar mühelos aufgelöst. Wie um Himmels Willen hast du bloß das Eckige rund gekriegt? Was ist dein "Geheimrezept", um in der Metapher des Albums zu bleiben?

Wichtig ist meiner Meinung nach, immer daran zu denken, für wen man die Musik macht, die man macht. Für mich war immer wichtig, den Jazz wieder einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, junge Leute für Jazz zu interessieren und zu begeistern. Hierzu ist es meiner Meinung nach nötig, zeitgemäße Musik zu machen. Sich also mit der aktuellen Musik zu beschäftigen, zu hören, was in ist und was nicht, und daraus dann seinen eigenen Mix zu kreieren. Wichtig ist allerdings, sich dabei selbst nicht zu verleugnen. Also Musik zu machen, die man auch vertreten kann. Unser Lebensgefühl in ein zeitgemäßes Gewand zu packen und mit den Kochrezepten bzw. der Geschichte drum herum ein schönes Gesamtpaket zu schnüren, war der Anspruch. Ich denke das haben wir ganz gut hinbekommen.

"Eine große Ehre, dass Vincent Klink einen Knödel nach mir benennt."

Apropos Kochrezepte. Im Booklet zu "Kitchen Music" befinden sich tatsächlich statt der üblichen Linernotes Kochrezepte. Mit dabei, der Sifflingknödel und das Blue Note Gumbo. Wie kommt der Knödel zu deinem Namen?

Das war eine spontane Idee von Vincent. Wir haben nach Rezepten zur Musik gefragt, und er hat spontan die Siffling-Knödel kreiert. Vincent Klink ist ja ein großer Jazzliebhaber. Für mich ist das natürlich eine große Ehre, dass ein so berühmter Koch wie Vincent Klink einen Knödel nach mir benennt (Anm. der Red.: Vincent Klink ist der Maître de Cuisine im Restaurant Wielandshöhe in Stuttgart).

Zurück zur Musik. Du sagst, es es handelt sich um eine Art Easy Listening mit Tiefgang. Eine ähnliche Tendenz stelle ich bei einigen deiner Kolleginnen und Kollegen fest. Besteht bei all der Leichtigkeit nicht die Gefahr, sich im seichten Wasser des Smooth-Jazz zu verlieren und irgendwann als Muzak im Fahrstuhl zu enden?

Klar muss man aufpassen, dass man nicht zur Hintergrundmusik abgestempelt wird, daher sind die kleinen Ecken und Kanten, die unsere Album hat, auch sehr wichtig. Es ist eine Gratwanderung, nicht so sehr Easy Listening zu werden, dass es Gebrauchs-Musik wird. Wir haben ja schließlich eine musikalische Aussage. Allerdings kann es nicht schaden, sozusagen durch die Hintertür, die Leute wieder an den Jazz heranzuführen.

Auch De-Phazz, neben Xavier Naidoo ein Koop-Partner von dir, widmet sich ja ausführlich dem Easy Listening. Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen dir und De-Phazz?

Da mein letztes Album "Human Impressions" bei Phazzadelic, dem Label von Haluk Peters und Pit Baumgartner aka De-Phazz, erschien, war der erste Kontakt schon da. Pit fragte mich, ob ich nicht mal in sein Studio kommen wolle, um ein paar Sachen aufzunehmen. Ganz ohne Zwang, etwas Bestimmtes zu erreichen. Die Zusammenarbeit war dann so gut, dass wir mehrere Studio-Sessions machten. Daraus entstanden ein paar Tracks für das neue De-Phazz-Album. Also alles ganz entspannt.

Jetzt wissen wir, dass du auf dem neuen De-Phazz-Album mitwirkst. Wie es aber zu einem De-Phazz Remix für "Kitchen Music" kam, hast du uns noch nicht erklärt! Denn, um es mal dezent zu formulieren, Pit Baumgartner hat deinem hervorragend gelungenen Opening-Track "Entspannung im Dampfbad" nicht wirklich etwas Aufregendes hinzuzufügen. Dein Original finde ich bedeutend ereignisreicher...

Das ist natürlich Geschmacksache. Es ist ein sehr feinfühliger Remix. Man muss genau hinhören, um die Feinheiten wahrzunehmen. Allerdings war auch das Grundmaterial, das wir Pit zum Remixen gegeben haben, nicht wirklich perfekt. Wir haben im Studio nicht mit Klick gespielt, was es natürlich jedem Remixer schwierig macht, da es halt doch die eine oder andere kleine Timing-Schwankung gibt. Insofern hat er eben eine Art Klang-Remix gemacht.

Aber du fragtest ja, wie es dazu gekommen ist? Also wie gesagt, wir hatten eh ein paar Mal was miteinander zu tun und Pit bot mir an, was für mich zu tun, wenn ich was bräuchte. Da lag der Remix natürlich auf der Hand, besonders als ich mich entschied, Remixe mit auf die Platte zu nehmen.

Wie kommst du eigentlich auf den abstrusen Titel "Entspannung im Dampfbad"?

Ich mache regelmäßig Sport, Joggen und Fitness-Studio, - muss ich ja auch, da ich ja gerne esse und trinke :-) - und bei uns im Studio gibt es einen sehr schönen Wellness-Bereich. Es gibt nichts Schöneres, als sich nach dem Sport noch zu entspannen, und das tue ich am liebsten im aromatisierten Dampfbad. Hier kann man wunderbar die Seele baumeln lassen. Hat halt nicht direkt was mit "Kitchen Music" zu tun, aber ich wollte den Titel nicht umbenennen.

"Das sind doch gute Voraussetzungen."

Zum Entspannen eignet sich Instrumentalmusik hervorragend, da man nicht vom Text abgelenkt wird. Julien Jacob hat es einmal so formuliert: "Die Bedeutung von Worten und das Bemühen, sie zu verstehen, behindern die Wirkung von Musik". Und ich weiß, dass du eigentlich nicht so auf Gesang stehst. Wie kam es trotzdem zur Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo?

Xavier kannte ich von der Zusammenarbeit mit den Söhnen Mannheims (Anm. der Red.: Thomas Siffling ist 2004 auf deren Single "Babylon System" zu hören). Eines Tages lud mich Michael Herberger, Produzent und Keyboarder der Söhne, zu einer Studio-Besichtigung ihres neuen Komplexes ein. Wir schauten uns alles an, und ich erzählte ihm von der Idee, die drei großen Musiksparten der Region - Elektro, Pop und Jazz - auf meinem Album zu vereinen, und dass ich dabei an Xavier dachte. Wir hatten vorher den Titel "After Work Thoughts" aufgenommen, und ich dachte mir im Studio, das wäre ein Titel, bei dem die Stimme von Xavier wunderbar passen würde. Michael sagte sofort "na klar, frag ihn doch einfach, er ist oben". Gesagt getan. Ich fragte ihn und sagte, dass ich ja eigentlich nicht so ein richtiger Gesangs-Freund bin. Darauf er: "ich mag eigentlich auch keinen Jazz". Darauf hin wieder ich: "Das sind doch gute Voraussetzungen". Er hat sich sofort bereit erklärt, den Song zu machen und einen wunderbaren Text dazu geschrieben. Ich finde, das passt super.

Im Text geht es um einen Kugelblitz, eine Himmelserscheinung, was mich zu folgender, überhaupt nicht weit hergeholter Überleitung bringt: Am hiesigen Jazzhimmel strahlt derzeit Till Brönners Stern sehr hell. Als deutscher Jazztrompeter musst du dich sicher ständig mit ihm vergleichen lassen. Kennt ihr euch?

Nein wir kennen uns nicht persönlich. Ich würde mich aber auf jeden Fall freuen, ihn kennen zu lernen.

Nerven dich die ständigen Vergleiche?

Nein, überhaupt nicht. Für mich ist es doch charmant, mit einem so erfolgreichen Trompeter verglichen zu werden. Auch wenn ich finde, dass man uns nicht vergleichen kann. Er macht seine Musik, und ich mache meine. Sicherlich versuchen wir beide, durch unsere Art der Produktion den Jazz einer breiteren Masse zugänglich zu machen, aber das ist ja auch gut so. Er ist ein super Trompeter und ein toller Musiker. Für mich waren immer Miles Davis, Erik Truffaz, Nils Petter Molvaer und Dave Douglas meine Inspiratoren.

Alle genannten Trompeter sind ihren Weg gegangen ... was wünschst du dir für deinen musikalischen Weg?

Für mich ist das größte Ziel, eine Unverwechselbarkeit zu bekommen. Die Leute sollen mich mal am Sound erkennen: "Das klingt wie der Siffling". Ich möchte mich musikalisch weiter entwickeln und immer wieder neue Wege gehen, um zeitgemäß zu bleiben. Weiter würde ich mir wünschen, dass wir dieses Jahr wieder international spielen und dadurch die Möglichkeit haben, den 'deutschen Jazz' im Ausland zu präsentieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der deutsche Jazz überhaupt nicht präsent ist im Ausland, und dies würde ich gerne mit meiner Musik ändern.

Was ist dein Begehren bezüglich "Kitchen Music"?

Ich wünsche mir natürlich in erster Linie, dass es dem Publikum gefällt. Aber ich denke, wir haben eine schöne Mischung aus akustischem und elektronischem Jazz gefunden. Eine Musik, die jedem gefallen kann. Natürlich erhoffen wir uns auch einen gewissen kommerziellen Erfolg in Hinsicht auf die Verkaufszahlen. Nach den letzten zwei erfolgreichen Alben ("Change" und "Human Impressions") sind die Erwartungen bei uns, als auch beim Vertrieb sehr hoch. Allgemein soll das Album präsent in den Läden, im Internet und in der Presse sein, und dann wird sich der Rest schon ergeben. Wir sind aber sehr zuversichtlich, da es wie gesagt ein Album ist, das ein sehr breites Publikum anspricht. Die ersten Reaktionen sind auch durchweg sehr positiv, auch von Leuten, die noch nie zuvor Jazz gehört haben!

Ich habe schon viel Jazz gehört und bin von "Kitchen Music" restlos begeistert, meinen Segen hast du also. Außerdem bin ich überzeugt, die Leute werden 'den Siffling' spätestens nach "Kitchen Music" am eigenständigen Sound erkennen. Dazu trägt nämlich auch deine außergewöhnliche Besetzung (Bass, Schlagzeug und Trompete) bei. Wie kommst du dazu, deinem Trio ein Harmonie-Instrument vorzuenthalten?

Meine erste Band mit eigener Musik war ein Quartett mit Piano, inspiriert von Kenny Wheeler und den ganzen ECM-Sachen. Dann auf der zweiten Platte spielten wir ebenfalls im Quartett, und bei einem Song sogar im Quintett mit Gitarre, von Dave Douglas inspiriert. Ich wollte dann etwas Neues für mich machen, die Band umstrukturieren. Durch den gezielten Verzicht auf ein Harmonieinstrument ergeben sich auf der einen Seite viel mehr Freiheiten, sich zu entfalten, da eben nur noch ein bassiges Grundgerüst da ist. Die harmonische Struktur ist sehr viel transparenter und erlaubt daher auch einen größeren Spielraum. Auf der anderen Seite bist du im Trio ohne Harmonieinstrument viel mehr gefordert, da es eben keine Flächen mehr gibt, die man einfach mal stehen lassen kann. Jeder von uns hat eine hohe Verantwortung, die ganze Sache spannend und interessant zu halten. Nach einem Trio-Gig sind wir alle ziemlich geschafft, da es sowohl körperlich als auch geistig eine immense Anstrengung ist. Aber es macht auch sehr viel Spaß, und vor allem ist es immer wieder aufs Neue eine Herausforderung. Mit Markus und Jens habe ich da zwei kongeniale Partner gefunden, mit denen das wunderbar funktioniert.

Den Spaß am Spiel hört man euch auf "Kitchen Music" deutlich an. Ich danke dir für dieses Gespräch und wünsche euch weiterhin viel Spaß und Erfolg.

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