laut.de-Kritik

Die alten Herren bleiben erstaunlich locker.

Review von

Als dieser Mitschnitt vor knapp drei Jahren entstand, war die Who-Welt noch in Ordnung: Die Band hatte eine höchst erfolgreiche Tour hinter sich, Bassist John Entwistle weilte unter den Lebenden und Pete Townshend durfte sich für seinen Einsatz zu Gunsten von Kinderrechten feiern lassen. Nach dem völlig überraschenden Tod Entwistles 2002 musste Townshend im Januar dieses Jahres für einige Stunden in U-Haft, weil er kinderpornografisches Material aus dem Internet geladen hatte. Nachdem das Verfahren im Mai glaubwürdig zu seinen Gunsten endete, war der Weg für diese Veröffentlichung geebnet.

Der erlauchte Rahmen und die Tatsache, dass es sich hier um die x-te Best Of der englischen Band handelt, täuschen: Tatsächlich schaffen es The Who fast 30 Jahre nach "My Generation" immer noch, das Publikum zu überraschen. Roger Daltrey hat zwar zunehmend Probleme, die richtige Tonlage zu treffen, von den Noten ganz zu schweigen; dafür wedelt Townshend um so mehr mit dem rechten Arm, unterstützt den Leadsänger mit feinen Harmonien und holt Verzerrungen aus seiner E-Gitarre wie schon lange nicht mehr. Während Entwistles Bass schön im Hintergrund blubbert, ist Prominentensohn Zak Starkey kaum so virtuos wie der verstorbene Keith Moon. Seinen Job erledigt er aber ohne Beanstandung.

Auch die Liederauswahl aus dem beachtlichen Who-Fundus ist gelungen. Los geht es mit zwei ihrer ersten Stücke, "I Can't Explain" und "Anyway, Anyhow, Anywhere". Das Publikum freut sich und singt beim "Tommy"-Auszug "Pinball Wizard" zum ersten Mal begeistert mit. Interessanter sind aber die weniger bekannten Lieder, wie die Entwistle-Komposition "My Wife" mit seinen beeindruckenden Bassläufen, "Relay" aus dem 67er "The Who Sell Out" oder die B-Seite "Mary With The Shaky Hand", ein befriedigender Ersatz für Lilys selbstbefriedigende Bilder. Mit sechs Stücken ist aber "Who's Next" das am meisten zitierte Album. Beim Auszug "Baba O'Riley" eröffnet Geiger Nigel Kennedy die Riege bekannter Gastmusiker.

Die zweite CD beginnt mit zwei akustischen Solodarstellungen Townshends. Zu "So Sad About Us" steigt Paul Weller mit Gitarre auf die Bühne und die Greatest Hits Show erreicht ihren Höhepunkt. Erstaunlich überzeugend singt Bryan Adams "Behind Blue Eyes", aber auch Eddie Vedder mit "I'm One" und Kelly Jones mit dem schon aus dem 2001er Tributealbum bekannten "Substitute" heizen das Publikum ordentlich an. Noel Gallagher lässt sich mit E-Gitarre blicken, anschließend darf sich die Kernband mit "My Generation" noch mal alleine die Ehre geben. Die Version ist so energiegeladen, dass es leider nicht mehr dazu reicht, wie zu den guten alten Zeiten die Bühne zu zerlegen. Dafür treten Vedder und Adams noch mal vors Publikum, um den eher kitschigen Schluss des Musicals "Tommy" anzustimmen.

Trotz aller berühmten Lieder und Gäste bleiben die alten Herren erstaunlich locker. Townshend gibt den Moderator und spielt mit dem Publikum. Vor "Bargain" beschwert er sich augenzwinkernd, dass die Zuschauer der letzten Jahre meistens sitzen. "Ihr habt es nur wegen dem Geld gemacht!", ertönt es aus dem Publikum, worauf Townshend mit einem "Fuck Off! Ich habe verdammt noch mal auch bezahlt. Wahrscheinlich 40 oder 50 Mal so viel wie du. Aber ich kann es mir auch leisten, nicht wahr", das Publikum begeistert.

Sinn für Humor zeigen sie auch auf der 2002 am gleichen Ort aufgenommenen eher belanglosen Bonus-CD. "Weißt du, heutzutage ist es der alte Mann, der das ganze Geld hat, während ein junger Mann gar nichts auf der Welt besitzt", singt Daltrey auf "Young Man Blues". Ganz so schlimm ist es glücklicherweise nicht. Was auch für dieses Album angesichts des leider zu billig geratenen Covers gilt.

Trackliste

  1. 1. I Can't Explain
  2. 2. Anyway, Anyhow, Anywhere
  3. 3. Pinball Wizard
  4. 4. Relay
  5. 5. My Wife
  6. 6. The Kids Are Alright
  7. 7. Mary Anne With The Shaky Hand
  8. 8. Bargain
  9. 9. Magic Bus
  10. 10. Who Are You
  11. 11. Baba O'Riley
  1. 1. Drowned
  2. 2. Hard To Hang Onto
  3. 3. So Sad About Us
  4. 4. I'm One
  5. 5. Getting In Tune
  6. 6. Behind Blue Eyes
  7. 7. You Better You Bet
  8. 8. The Real Me
  9. 9. 5:15
  10. 10. Won't Get Fooled Again
  11. 11. Substitute
  12. 12. Let's See Action
  13. 13. My Generation
  14. 14. See Me, Feel Me/Listening To You
  1. 1. I'm Free
  2. 2. I Don't Even Know Myself
  3. 3. Summertime Blues
  4. 4. Young Man Blues

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1 Kommentar

  • Vor 2 Jahren

    ich kenne nur die DVD, sehr empfehlenswert, weil man den riesigen Spass sieht, den alle haben...Das Gemecker an Roger Daltrey kann ich nur partiell nachvollziehen - ja er muss kämpfen, aber Lichtjahre besser als alles was später live kommt. Und Zak Starkey ist zwar sehr viel berechenbarer als Keith Moon, aber deswegen keinen Deut schlechter (und angenehmer für die Mitspieler, lest mal Kommentare von Entwistle zu Keith...). Macht jedenfalls echt Spass!