laut.de-Kritik

Den Texanern ist nichts heilig.

Review von

Es soll Bands geben, die mit dem Alter für ein kleines bisschen Anerkennung altersmilde und handzahm werden. Die Melodien werden dann süffiger, die Songs geradliniger und die Produktion frei von Widersprüchen. Nicht so bei The Paper Chase, die auch mit ihrem fünften Album bewusst anecken und weiterhin wenig kompromissbereite Outlaws des experimentellen Noiserocks bleiben.

Sänger John Congleton, seines Zeichens Zögling des großen Steve Albini und kantiger Produzent des Albums, hat nach schauriger Körperfresser- und Killer-Metaphorik nun den Weltuntergang für sich entdeckt: Massenpanik, Tornados, Epidemien. Und wer die tatsächlich urgewaltige Band aus Dallas, Texas einmal live gesehen hat, weiß, dass es der sich selbst kasteiende Frontmann in der Rolle des Mephisto vollauf ernst meint.

Begleitet werden diese fast schon biblischen Gewaltphantasien wie immer von einem sägenden Kontrabass, nervenzerfressenden Gitarren, schepprigem Schlagzeug und einem hypernervösen Klavier, die sich mit flirrenden Streichern zu einem schaurig-schönen Kammerorchester zusammenfinden, dass offensichtlicher denn je brüchige, aber zutiefst poppige Melodien zulässt.

Man ist fast schon versucht, Songs wie den dramaturgisch zugespitzten Opener "If Nobody Moves Nobody Will Get Hurt" und das hymnische "I'm Going To Heaven With Or Without You" harmlos Grusel-Pop vom Schlage einer Band wie Modest Mouse zu nennen. Wäre da nicht Congletons Gabe, das Grauen schlagwortartig auf die Noise-Dynamik der Songs so auszurichten, dass man sich während der gesamten 46 Minuten ähnlich unwohl fühlt wie beim Anhören der ersten Alben von Marilyn Manson.

Selbst den Gospelchor "He's Got The Whole World In His Hands" holen The Paper Chase in "The Small Of Your Back The Nape Of Your Neck" an Bord ihrer Titanic, deren jämmerliches Absaufen auch zum Thema gemacht wird. Spätestens an dieser Stelle weiß man: Dieser Band ist nichts heilig, diese Band ist nicht tot zu kriegen. Teil zwei des Abgesangs auf die Zivilisation folgt 2010.

Trackliste

  1. 1. If Nobody Moves
  2. 2. I'm Going To Heaven
  3. 3. The Common Cold
  4. 4. The Laying Of Hands
  5. 5. Your Money Or Your Life
  6. 6. What Should We Do
  7. 7. This Is A Rape
  8. 8. The Small Of Your Back
  9. 9. This Is Only A Test
  10. 10. We Have Ways

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LAUT.DE-PORTRÄT The Paper Chase

Morbide. Pathologisch. Sadistisch und masochistisch zugleich. Wenn John Congleton Songs schreibt, fließen blutige Metaphern literweise aus seiner Feder.

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