laut.de-Kritik

John Bonhams feuchter Traum aus Wales.

Review von

Es knarzt, kracht und zischt. Sticks fallen lose auf eine Snare, im Hintergrund rappelt und rumort es. Langsam rollen von hinten Gitarre und Bass heran. The Joy Formidable machen sich warm für ihre erste Platte, testen ihr Instrumentarium und schrauben die Spannungskurve nach oben, bevor es überhaupt richtig losgeht.

Mit einem Ruck setzt plötzlich der Gesang ein, und nach den ersten drei Minuten von "The Big Roar" ist klar: Hier erwartet uns die neue Operation Rock-Sensation. Wem so eine Ankündigung nicht schon die Schweißperlen auf die Stirn treibt, der wird spätestens nach den ersten Takten des Openers ins Transpirieren geraten. "The Everchanging Spectrum Of A Lie" komprimiert das, was TJF auf Plattenlänge zelebrieren: Fulminante Crescendi, maßlose Beschleunigung, unbändige Spielfreude und eindringliche Melodien.

Was nach gut siebeneinhalb Minuten disharmonisch in weißes Rauschen aufgeht, wird auf Track Zwei zügellos weitergesponnen. Das spöttische Lachen straft alle mit Verachtung, die nach dem stürmischen Intro einen Qualitätseinbruch erwartet haben. Fast eine Stunde lang pfeffern uns die Indiekids aus Wales Drumsticks und Mikrofone um die Ohren, dass man nicht mehr weiß, ob Madrid in Italien liegt oder nicht.

TJF stemmen sich entschlossen gegen alle Trends, die, ginge es nach den Global Playern unter den Plattenfirmen, derzeit kaum etwas anderes als "Elektropop" verheißen. Unerschütterlich frönen Ritzy Bryan und ihre Crew einem Garage-lastigen Indierock, der oft zwischen Yeah Yeah Yeahs und Blood Red Shoes changiert.

Grungige Untertöne bringen die Drei in interessanter Art und Weise mit Noise-Pop und Shoegaze-Momenten zusammen. Musik gewordene Großgesten, in denen die mächtige Landschaft ihrer Heimat durchschimmert, vermögen sie mit verwaschenen Effekten in Einklang zu bringen, was ihrem Sound eine hintergründige, unscharfe Note verleiht. Das dichte Spiel umgreift heftige Bassläufe, durchdringende Melodien und ein Drumset, das selbst dem frisch gekürten John Bonham feuchte Träume bescheren würde.

Höhepunkte herauszustellen fällt angesichts einer solch konstanten Intensität schwer. Das Potential zum Indiedisco-Smasher reicht vom eingängigen "Austere" über das düstere "Buoy" bis zum Kracher "Whirring". Das Herzblut tropft einem bei jedem Song frisch von der Plattennadel entgegen.

Das erstaunliche Debüt bietet Ear Candy vom Feinsten. Augenschmaus gibt es obendrein: Das schicke Cover mutet an wie ein Hokusai-Gemälde, Fronterin Ritzy ist ebenfalls bildhübsch. Doch auch ungeachtet des Rockchick-Bonus' ziehen TJF uns auf ihre Seite. Mit Gespür für Timing und passgenau gesetzten Akzenten entwickelt das Trio eine unwiderstehliche Dynamik, die noch den verkniffensten Stock im Arsch vom Hocker scheucht.

Verve in jeglicher Hinsicht scheint ohnehin das Trademark. Tempiwechsel, Doppelschläge, verschleppte Breaks, ausladende Gitarren- und Schlagzeugsoli beherrscht die Band aus dem Eff Eff wie Guttenberg das Copy and Paste. Nachdem die letzten Töne vom verschroben-epischen "The Greatest Light Is The Greatest Shade" in sich zusammengefallen sind, braucht man erst mal eine Verschnaufpause. Dann heißt es Luft holen, durchatmen, und auf Repeat drücken.

Trackliste

  1. 1. The Everchanging Spectrum Of A Lie
  2. 2. The Magnifying Glass
  3. 3. I Don't Want To See You Like This
  4. 4. Austere
  5. 5. A Heavy Abacus
  6. 6. Whirring
  7. 7. Buoy
  8. 8. Maruyama
  9. 9. Cradle
  10. 10. Llaw = Wall
  11. 11. Chapter 2
  12. 12. The Greatest Light Is The Greatest Shade

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2 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Hab' mir gerade ein paar Songs angehört... Die Band hat echt Potential, die könnte mal eine der ganz grossen werden!

  • Vor 12 Jahren

    Hab sie mir letztendlich geholt und bin total begeistert. Dafür, dass sie nur zu dritt sind, ziehen sie ganz schöne Riffgewitter auf der Platte ab! Ritzys Stimme und Gesang sind nicht außergewöhnlich, aber immer sehr songdienlich. Sie ist zudem eine sehr versierte Gitarristin, überhaupt ist die Platte technisch und das Songwriting betreffend sehr anspruchsvoll für "Indie-Pop". Es rockt schwer!
    Dagegen wirkt die neue Guano Apes (weil halt Alternative-Rock mit weiblichem Gesang im weitesten Sinne) wie ein verschrumpelter Luftballon.