laut.de-Kritik

Bei englischen Popbands geht es immer nur um Sex.

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Auf dem Cover lächeln drei leicht bekleidete Pinup-Girls im Stil der fünfziger Jahre, im Video zu "Chelsea Dagger" schütteln Burlesque-Mädels ihre leicht bekleideten Kisten. Haben die Fratellis Angst, dass ihre Musik nicht sexy genug ist, um auf dem Markt der Genüsse zu bestehen? Man sollte ihnen beruhigend auf die Schulter klopfen. "Costello Music" unterhält auch musikalisch, nicht bloß optisch.

Es geht gleich gut los mit der Single-Auskopplung "Henrietta". Wie sich das Trio dieser (imaginären?) Frau anbiedert, macht Spaß. Flotte Rhythmenwechsel laden zum unkontrollierten Changieren zwischen Schunkeln und Körperzucken ein, wer hier nicht gute Laune verspürt, ist ein richtiger Griesgram. Jetzt mag man als Indiehasser oder Indienazi der Gruppe vorwerfen, sie sei zu eingängig, zu simpel, zu vorhersehbar.

Natürlich weisen die Singles "Henrietta" und die großartige Mitgröhlnummer "Chelsea Dagger" Ähnlichkeiten zueinander auf, aber auch solche Stücke für die Indiekid-Disco wollen erst einmal geschrieben sein. Und wenn zwischendurch ansprechende, aber durchaus eigenständige Lieder wie "Flathead" stehen, lässt sich der Vorwurf der totalen Innovationslosigkeit nicht halten.

"Country Boys & City Girls" überrascht mit einer kratzigen Tex-Mex-Trompete. Eine Bekannte von mir meinte unlängst, bei englischen Popbands ginge es immer nur um Sex. Und richtig, die Fratellis bekennen sich hier: "You know we country boys are only after sex and noise". Es folgt die dritte Single "Whistle For The Choir", die ebenfalls zum Schunkeln einlädt, allerdings bei Kerzenlicht und bevorzugt zu zweit.

Mit "Chelsea Dagger" folgt der definitive Höhepunkt des Albums, allein, man muss Acht geben, dass man sich diesen Song nicht über hört. Die Fratellis halten die Geschwindigkeit hoch, "The Girl" geht ebenfalls formidabel ins Ohr, hier fühle ich mich ein wenig an die Libertines erinnert. Auffallend: Sänger Jon bedient sich äußerst gerne und ausführlich einer Art Text-Dada, dem "Döbdöbödöb" aus "Chelsea Dagger" folgt elaboriertes "Lalalalalala" in eben "The Girl". Ein durchaus legitimes Stilmittel.

"Doginabag" wirkt nach den voran gegangenen flockigen Nummern richtiggehend schwerfällig. Die Fahrt wird mit "Creepin Up The Backstairs" wieder rasanter, leider gestalten sich die folgenden Titel nicht so eingängig wie die erste Hälfte des Albums. "Everybody Knows You Cried Last Night" mit seinen nur leicht abgerundeten Ecken und Kanten sticht hier noch am meisten heraus. Auch "Baby Fratelli" und "Got Ma Nuts From A Hippie" (hier höre ich einen Schuss Mando Diao) zünden nicht mehr so richtig wie die ersten Kracher.

Glücklicherweise gelingt der Ausstieg mit "Ole Black 'N' Blue Eyes" noch ganz gut. Abschließendes Fazit: "Costello Music" ist ein schönes Indiealbum, ein mehr als solides Debüt der Schotten und hat zwei der ganz großen Hits des Jahres an Bord.

Trackliste

  1. 1. Henrietta
  2. 2. Flathead
  3. 3. Country Boys & City Girls
  4. 4. Whistle For The Choir
  5. 5. Chelsea Dagger
  6. 6. For The Girl
  7. 7. Doginabag
  8. 8. Creepin Up The Backstairs
  9. 9. Vince The Loveable Stoner
  10. 10. Everybody Knows You Cried Last Night
  11. 11. Baby Fratelli
  12. 12. Got Ma Nuts From A Hippie
  13. 13. Ole Black'n'Blue Eyes

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