30. August 2004

Proben ist uncool!

Interview geführt von

Dieses Interview widme ich David Leder. Er hat mir diese großartige Band The Dirtbombs als erster vorgespielt und war wohl einer der größten Fans. Jetzt bin ich der größte Fan. Sowohl die alten Platten, als auch das aktuelle Album "Dangerous Magical Noise" sind die absoluten Höhepunkte in meiner bescheidenen Rock'n'Roll-Erfahrung. Live sind die Jungs aus Detroit unschlagbar. Mit zwei Schlagzeugern, zwei Bassgitarren und einem beeindruckenden, unglaubliche coolen Frontmann mit Sonnenbrille: Jetzt sind die schmutzigen Bomben für ein paar Gigs wieder in Deutschland unterwegs. LAUT befiehlt HINGEHEN!

Mick Collins muss Gott sein. Das Interview lief sehr entspannt ab, und der Mann hat auf jeden Fall immer viel zu lachen. The most funny Rock'n'Roller on Earth! Aber lassen wir Mick lieber selber sprechen.

Mick: Ich hoffe, du kennst die FAQ auf unserer Homepage (grinst)?

Ja, keine Sorge, die habe ich gelesen. Aber ich werde dich trotzdem leider auf ein paar Punkte ansprechen müssen (grinse zurück).

Mick: Oh yeah (lacht). Alles klar.

Ich weiß, es ist eine Schande, aber vielen sagt der Name The Dirtbombs leider nichts. Kannst du diese Band bitte mal kurz beschreiben.

Mick: Wir haben zwei Schlagzeuger und zwei Bassgitarren und sind sehr, sehr laut (lacht). Wolltest du das hören oder eher darauf hinaus, was für Musik wir spielen? Da sind wir natürlich auch sehr laut und wild. Besonders auf der Bühne. Wir sind eine Rockband. Man kann es einfach als Rock'n'Roll beschreiben.

Es ist sehr schwierig, euch in Deutschland bzw. Europa zu sehen. Woran liegt das?

Mick: Wir sind nicht von hier (gröhl).

O.K., gibt es denn Unterschiede zwischen eurer Popularität hier und in den USA?

Mick: Hmm, ich denke, in Amerika kennt man uns. Sie wissen wie wir klingen. In Europa sind wir einfach nicht so bekannt. Außer in den Niederlanden. Die kennen unseren Sound. Ansonsten denken alle, wir wären eine Garagenband. Was wir natürlich nicht sind, und wogegen wir immer noch kämpfen.

Ich weiß, du hasst diese Frage, die jetzt kommt. Es geht um eure Schlagzeuger.

(Mick lacht zustimmend)

Ich sag mal, dass Schlagzeuger die anstrengendsten Musiker in einer Band sind ...

Mick: Du hast selber die Erfahrung gemacht (lacht)?

Ja, genau. Und ihr habt gleich zwei von der Sorte? Gibt es da nicht ständig Probleme?

Mick: Nein, nicht wirklich. Wir spielen alle, außer Ben, seit 25 Jahren in Rock'n'Roll-Bands. Das ist die Hälfte unseres Lebens. Da weiß jeder, wo es lang geht. Wir haben keine Probleme mit einander. There are no big issues! Wirklich. So sieht es aus. Jeder weiß, was er zu tun hat und wie er es tun muss.

Kennst du die Warlocks aus L.A.? Die habe ich auch mal live gesehen, und die haben ebenfalls zwei Schlagzeuger ...

Mick: Yeah, stimmt.

Scheint in Mode zu kommen …

Mick: Ja, es scheint so, dass es mehr solcher Bands gibt. Jemand hat mir auch von einer anderen Gruppe erzählt. Von der ich aber noch nie gehört habe. Die haben auch zwei Schlagzeuger. Warlocks kennen wir persönlich. Von den anderen habe ich noch nie was gehört.

Auf eurem Album "Ultraglide In Black" bedankst du dich besonders bei deiner Schwester, die jahrelang die Familien-Plattensammlung gehütet hat?

Mick: Ja, das ist richtig. Sie hat diese Familien- Sammlung beisammen gehalten.

Wie viele Platten hast du insgesamt?

Mick: Ich glaube fast 7000.

Hast du ein bestimmtes System, nach denen du die Platten sortierst?

Mick: Ich sortiere sie nach Musikrichtungen. Es gibt einen Platz für Afro-Pop, die Disco-Platten stehen woanders, genauso wie die Jazz-Alben. Ich habe sogar eine Twist Abteilung. (lacht)

Und was war die letzte Platte, die du gekauft hast?

Mick: Warte mal. Lass uns gucken, was ich gekauft habe. (Wühlt vorsichtig in seiner Tüte voller Platten). Hmm, wie heißt die Frau? Moment, ich muss erst mal schauen... Akanke Isadore singt mit Vella und Africa 70. Ich hab nie davon gehört, deswegen hab ich die Platte auch gekauft! (lacht). Dann noch eine Jazz Compilation mit verschiedenen Remixen, u.a. von Sun Ra. Die musste ich einfach kaufen. Eine Latin-Jazz-Boogaloo Compilation – das mag ich auch sehr gerne. Ein Funk-Album aus den 70ern, die habe ich schon lange gesucht. Und ein paar Singles, The Perculator, von wem das ist, weiß ich allerdings nicht. Und ein Ennio Morricone-Remix.

Hmm, schön. Du kaufst viele Platten!?

Mick: Ja! Sehr, sehr viele. Wir alle tun das. Es gibt diesen Witz bei uns, man darf nicht bei den Dirtbombs spielen, wenn man nicht mindestens 1000 Platten besitzt (lacht).

Kannst du dich an deine erste gekaufte Platte erinnern?

Mick: Ja. Das war Beethovens Fünfte.

Und jetzt kommt die beliebte White Stripes-Frage. Bist du oder sind die Dirtbombs nicht sauer, weil überall steht, dass u.a. sie und The Strokes den Rock'n'Roll neu erfunden haben?

Mick: Nein, das ist mir egal. The Strokes interessieren mich nicht, und Jack ist Jack.

Ich finde ja, es sollte heißen The Dirtbombs haben den Rock'n'Roll erfunden. Und das schon vor über zehn Jahren ...

Mick: Danke (lacht). Weißt du, die Leute werden das irgendwann wissen, und das ist in Ordnung. Wir haben keinen Publizisten, dessen Job es ist, unseren Namen in den NME zu bekommen. Die Mundpropaganda ist sowieso besser, dadurch bleiben wir viel länger im Gespräch. Also, ich bin total zufrieden damit.

Euer neues Album "Dangerous Magical Noise" ist raus. Wie lange wart ihr im Studio?

Mick: Ungefähr einen Monat. So zwischen drei und sechs Wochen. Wir waren immer nur ein paar Tage die Woche dort.

Und wie oft trefft ihr euch zum Proben?

(Mick schaut mich etwas verwundert an. Hat er die Frage falsch verstanden?)

Mick: Ich glaube, 2002 haben wir einmal geprobt.

Wirklich, nur einmal?

Mick: Wir proben fast nie. 2003 allerdings waren wir für acht Stunden im Proberaum! (haha). That's a rocket for the Dirtbombs! (lacht) Proben? Wer probt eigentlich? (lacht).

(O.k. Was lernen wir daraus. Proben ist uncool. Gut zu wissen. Danke Mr. Collins. Und weiter geht's, sein Lachanfall lässt langsam nach ...)

Welche Bands hast du selber zuletzt live gesehen?

Mick: Manchmal gibt's Konzerte, wo jeder sagt, hey, da müsst ihr hin. Das probieren wir dann auch. Vorwiegend sehen wir die Bands, die uns supporten. Das letzte Konzert, das ich gesehen habe, auf dem wir danach nicht selber gespielt haben, war Mr. Quintron und Bob Log III. Wobei das Freunde sind. Das zählt nicht. Ich kann dir gar nicht sagen, wann ich das letzte Mal für ein Konzert bezahlt habe. (lacht) Vielleicht bei Kraftwerk?!

Kannst du dich noch an deine erste Gitarre erinnern, die du dir gekauft hast?

Mick: Ja, die spiele ich sogar immer noch. (lacht)

Wie alt ist sie?

Mick: Die ist von 1965 und mir schon oft durchgebrochen.

Was machst du, wenn du nicht gerade Musik machst?

Mick: Ich schreibe ein bisschen. Ich habe eine Kurzgeschichte veröffentlicht und Anfang des Jahres noch mal ein Buch. Lesen und Schreiben ist alles, was ich mache.

Deine Definition von Rock'n'Roll?

Mick: Ich habe keine. Rock'n'Roll ist fast alles, wozu man tanzen kann, außer Jazz. Wenn man nicht tanzen kann, dann ist es auch kein Rock'n'Roll.

Beatles oder Rolling Stones?

Mick: (lacht). Rolling Stones, die sind auf jeden Fall interessanter anzuschauen. Ich bin eigentlich kein großer Beatles-Fan. Die sind gut, ich habe viele Platten von denen, aber ich glaube die Stones sind mehr eine Rockband.

Was für deutsche Bands kennst du, außer Kraftwerk?

Mick: Äh, Nina Hagen. In Detroit mögen wir sehr gerne die alten Bands, wie Can und Neu! Ich bin aber auch an neuen Bands interessiert. Werde ich mir demnächst mal anhören.

Hast du eine Top fünf deiner Lieblingsalben?

Mick: Nein, habe ich nicht. Das ändert sich ständig. Im Moment habe ich kein Lieblingsalbum.

So, ich denke das war's. Vielen Dank.

Mick: Ich danke dir.

Das Interview führte Jasmin Luetz

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