laut.de-Kritik

Großer Pop trifft auf tiefsinnige, verquere Texte.

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"Wir sind denen zu frech oder zu schön oder so. Ich glaube die verstehen das nicht. Ein offensichtliches Problem sind die Texte", reflektierten Aim Of Design einst über Pressekritiken zum Debütalbum. Doch zum Glück wissen die Ost-Berliner auch: "Hass gehört zum Leben wie Schokopops" - dem einen gefällts, dem anderen nicht, so einfach ist das - und lassen sich daher von Negativkritik nicht so leicht aus der Bahn werfen.

Mit "Aimthusiasm" steht inzwischen die dritte LP der Brandenburg-Berlin-Combo in gut sortierten Regalen. Erklärtes Ziel war diesmal, eine konsistentere Platte als den 2005er Vorgänger mit einer einheitlichen Ästhetik abzuliefern. Auch wenn diese Richtung bereits auf dem Weg vom Debüt "Gosen U Can Rave II" hin zum Nachfolger "Aim Of Design Good Time" eingeschlagen wurde - man feilte am Sound, schrieb zugänglichere Texte und verpackte diese in melodischere, kohärentere Klänge - so klingt die neue Platte doch noch eine Ecke geradliniger. "Aimthusiasm" wirkt insgesamt geplanter und gleichmäßiger, was Stimmung und Texte betrifft.

Nicht erst seit Juli oder Silbermond, weiß man ja, dass das mit der deutsprachigen Musik so eine Sache ist. Allzu oft gehen lapidare, gehaltlose Texte und Popklänge Hand in Hand. Aim gelingt es dagegen mit eloquenten, anspruchsvollen Songtexten zu überzeugen, die hier und da zunächst sicher auch verwirren. Doch schenkt man Stücken wie "Einsam Ist Die Leserin" oder "Im Osten Nichts Neues" gesteigerte Aufmerksamkeit, zeigt sich, dass Schulzkys Lyrics dem Wortsinn von "Lyrik" nahe kommen und gewiss keine Phrasen ohne intellektuellen Nährwert darstellen, wie ab und an böse Zungen behaupten.

"Aimthusiasm" reiht großen Pop an tiefsinnigen, klugen und zugleich verqueren Wortwitz. Auch wenn der eingefleischte Aim-Fan dann und wann die Radikalität eines "Magic Juhnke" vermisst ("Pflegestufe 3 geknackt / auf die Hesse-Bio gekackt / Im Altenheim wie Effe in Katar / Old Boy Network wunderbar / Klare Perlen in meinem Gesicht / wie dein großes Leben verlischt / Magic Juhnke fürchte dich nicht / wir sind hier und beten für dich") oder auch die eines "Märkisch Chrystal" ("Kinderland in Schwabenhand / ist abgebrannt. Vielen Dank / Nietenfeder kommt unter Räder / Moral hat nicht jeder. Nur Altenpfleger") .

"Im Osten Nichts Neues" ist eines der Highlights der mit Kurt Ebelhäuser (Blackmail, Scumbucket) produzierten neuen Platte und zeigt, dass deutschsprachige Rockmusik beispiellos klingen kann. Der Fünfminüter beginnt gediegen, mündet aber schnell in ungeduldige, zackige Gitarren, die sich in Kombination mit Marts klarem Gesang und dem drängenden Refrain weiter aufwiegeln und so ihre volle, pulsierende Kraft entfalten.

Neben Band-Neuzugang Greg verleihen weitere befreundete Musiker dem Album Dichte, so etwa Andi Roß alias Andy Penn von MIA, der auf "Ich Bin Soweit" und der zweiten Version vom "Mein See Hat Viele Ufer" (die Charlton Heston gewidmet ist) gastiert. Damero alias Marit Posch ist die weibliche Stimme hinter "Geboren Im Winter", "Einsam Ist Die Leserin" sowie "Berliner Messe".

War "Aim Of Design Good Time", was die Instrumentierung angeht, noch vorrangig von kraftvollen, oftmals kantigen Gitarrensoli bestimmt, stehen nun mehr und mehr Keyboard- sowie programmierte Computerklänge im Vordergrund. Die neuen Tracks geben sich deutlich Synthie-lastiger, der Sound scheint melodisch etwas glatter und vor allem mehr dem Pop zugetan als zuvor. Bestes Beispiel hierfür ist die aktuelle Single "Geboren Im Winter", ein spielerisch-leichter Song mit ordentlich Hit-Qualität. Der Track lebt eindeutig vom wunderschönen Refrain, tanzbare Beats und lockerer Hintergrundgesang nicht zu vergessen.

"Im Grunde war es bei 'Winter' das Ziel, schwere Inhalte leicht zu verpacken, ganz so wie Popmusik sein sollte", erklärt Songwriter Schulzky. Ein Motto, das wohl für das gesamte Album galt. Kontrovers dürfen auch heute wieder die Aim'schen Lyrics diskutiert werden, die beileibe keinen leichten Zugang bereiten. Songs und Texte mögen nach wie vor polarisieren, eine solide Platte ist es trotzdem geworden, die einmal mehr zeigt: den Berlinern wurde bislang noch zu wenig Beachtung geschenkt.

Trackliste

  1. 1. Mein See Hat Viele Ufer
  2. 2. Geboren Im Winter
  3. 3. Marlon Brando Impersonator: Ahlbeck/Seebrücke
  4. 4. Im Osten Nichts Neues
  5. 5. Einsam Ist Die Leserin
  6. 6. Berliner Messe
  7. 7. Ich Bin Soweit
  8. 8. Nach Falsch Kommt Richtig
  9. 9. Mein See Hat Viele Ufer (Charlton Heston Version)

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