laut.de-Kritik

Der goldene Schnitt zwischen Pop und hausgemachtem Indie.

Review von

In den letzten drei Jahren hatte sich einiges angestaut bei den Herren, die allesamt nebenher ihre Affinität zu Film, Fotographie und Animation in diversen Neben-Projekten ausleben. Der Tod des Bassisten Gerard Smith nach "Nine Types Of Light" im Jahre 2011 warf die vier erst einmal zurück und raus aus der Band. So hegte man gar Zweifel, ob TV On The Radio überhaupt eine Zukunft haben.

Gras musste zunächst über die Sache wachsen. Doch dabei spross aus der kargen Erde unverhofft und auch für die Band unvorhergesehen auch "Seeds" empor, das metaphorisch aufgeladen förmlich nach Reinkarnation und Esoterik schreit.

So haben TV On The Radio mit Album Nummer fünf den goldenen Schnitt zwischen stämmigem Pop und ihrem hausgemachten Indie für sich gefunden. Denn so senkrecht und zielgerichtet wie sich ein Keim den Weg zum Licht bahnt, so unvermittelt und voller Hoffnung schießen auch die Songs auf "Seeds" durch die Oberfläche: Spontaner, intuitiver und gleichsam geballter als je zuvor ranken sich nunmehr keine auswuchernden Nebenstränge mehr um die stringenten Song-Plots.

Vereinzeltes Glockenspiel, Streicher und prachtvoll-prassige Synthies flankieren aber das stabile Klavier- oder Gitarren-Fundament der abermals von Sitek produzierten Stücke. Auf dezente Weise so auch im fast akustischen, von allem Schmerz bereinigten "Trouble", das erlöst von irdischer Schmach Bobby Mc Ferrins Lebensmodell: "Don't worry be happy" reanimiert und gediegen darauf pfeift, ob das irgendjemandem zu abgedroschen sein mag. Und das strömt aus jeder Pore dieser Scheibe, denn nie hat man den Eindruck hier irgendetwas angedreht zu bekommen.

"Ride" geht dagegen aber fast einen Tick zu unambitioniert den Weg des geringsten Widerstands und tankt sich durch stracke Klavier-Staccatos, während das ähnlich frenetisch pochende "Could You" dazu schwere Bläser-Geschütze auffährt. In "Right Now" werden die Karten neu gemischt und sogar die alte Diskokugel ausgepackt, die zu retroeskem Glam-Funk angestrahlt wird, nur um dann vom breitbeinigen "Winter" abgeholt zu werden, das wieder die Rocker-Faust ballt.

Die New Yorker suchen nicht in den Urtiefen ihres kompositorischen Potentials um die eigenen Grenzen auszureizen wie noch zu Zeiten von "Cookie Mountain". Vielmehr wohnt man hier einer neuen Selbstfindung bei, bei der die Tracks mehr sich selbst überlassen werden. Es dominiert das Vertrauen in die eine Initial- Idee, der alles entspringt, und der Kyp und Konsorten in ihrer Entfaltung folgen. So kann man "Test Pilot" oder "Love Stained" quasi bei der eigenen Photosynthese zuhören, wie sie im Gleichgewicht eines groovigen sich reproduzierenden Beats erwachsen und ihre Knospen voller Optimismus zur Sonne hin öffnen.

Das elektrisch phosphorisierende "Careful You" wabert dronengleich und mit durch den Äther schallenden Drums zum Refrain, der von Tundes Phrasierugen dirigiert wird. Wie gewohnt päppelt das Wechselspiel aus mehrschichtigem Hintergrundgesang und pointierten Hooks im Vordergrund die Songs auf und verpasst ihnen den nötigen Punch und diese einzigartige Klangfarbe.

Der finale Titeltrack "Seeds" mit der Zeile "Rain comes down like it always does, this time I've got seeds on grass" erhebt sich schließlich aus der Asche anstatt die Scherben zusammenzukehren und formuliert damit den Tenor dieser Platte aus. Die schwere Vergangenheit wird nicht etwa aufgearbeitet oder ausgeklammert. "Seeds" versteht sich weder als das Requiem auf den verstorbenen Smith noch als die Flucht nach vorne, sondern zeugt von der versöhnlichen Einsicht, dass jedem noch so großen Umbruch die Schönheit eines Neuanfangs inne wohnt.

Trackliste

  1. 1. Quartz
  2. 2. Careful You
  3. 3. Could You
  4. 4. Happy Idiot
  5. 5. Test Pilot
  6. 6. Love Stained
  7. 7. Ride
  8. 8. Right Now
  9. 9. Winter
  10. 10. Lazerray
  11. 11. Trouble
  12. 12. Seeds

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3 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Leider nicht so gut wie die vorherigen Alben. Zumindest glaub ich das. Bei den anderen musste ich mich auch vorher rein hören. Aber es ist zumindest besser als vieles was sonst so raus kommt

  • Vor 9 Jahren

    Erinnert mich an Peter Gabriel. Zu viel Weichspüler.

  • Vor 9 Jahren

    ...die könnte man ja glatt mit Seeed verwechselen, schreitet da kein Schittsgericht ein, wegen Verwechslungsgefahr? da habens Band, die einen total eigenständigen Namen haben, der extrem orginell ist und zu keinen Verwechslungen führt besser, oder kenn ihr eine Band, die man mit Oomph! verwechseln könnte??? (außer ev. das ! von der Pink!)...??