laut.de-Kritik
Lustig, groovy, anstrengend und nervig.
Review von Michael SchuhNeue Platte von Stephan Remmler? Da, da, das gibts doch nich! So ähnlich lauten die Reaktionen auf die Tatsache, dass dem unvergessenen Trio-Vordenker über die Jahre doch etwas langweilig wurde auf Lanzarote, wo er ein behütetes Leben als dreifacher Familienvater führt. Unvergessen ist Remmler nicht nur bei vielen Musikfans, sondern auch bei der alten NDW-Weggefährtin Inga Humpe, die ihm nun auf ihrem Label It Sounds einen zweiten Karriere-Frühling beschert, unter Mitwirkung so einiger Stars.
Diese Comebacks sind ja seit eh und je ein zweischneidiges Schwert, bei dem der Künstler selbst eigentlich nur verlieren kann. Entweder er bleibt sich weitgehend treu und reanimiert den alten Erfolgsstil oder er wagt etwas völlig Unerwartetes, das keinerlei Rückschlüsse auf das allseits verehrte Klassiker-Vermächtnis schließen lässt. Auf die Mütze kriegt er in beiden Fällen.
Dass Stephan Remmler dieser Zwickmühle durch den Hinterausgang zu entkommen versucht, ist somit zwar nachvollziehbar, spannender macht es die Geschichte leider nicht. "1, 2, 3, 4 ..." ist mal lustig, mal doof, groovy und hölzern, gaga und nervig, alles auch gerne in einem Song. Vor allem ist es aber: Remmler. So eine Stimme hat eben nur einer. Nur wenn man trotzdem mal ganz ehrlich zu sich ist, muss man zugeben, dass man sich selbst die tollen Trio-Platten nie am Stück anhört.
Suchen wir also auch auf "1, 2, 3, 4 ..." nach den Highlights. Da wäre zunächst der Opener, die alte Trio-Keule "Broken Hearts For You And Me" im modernen Ghost Ryder-Remix, schön finster, schön melancholisch. Danach schlägts Trio: Bei "Einer Muss Der Beste Sein (Der Nabel Der Welt)" klackert nicht nur wieder so eine Art alter Casio, Remmler persifliert sich ironisierend selbst, wozu er selbstverständlich nur ein Wort braucht: "Aha".
Das von der 2raumwohnung schön leise arrangierte "Let's Go To Elvis" ist Remmlers Beitrag zu zeitgemäßem Elektropop. Die etwas schale, wenngleich provokant gemeinte Reggae-Single "Frauen Sind Böse" nutzt sich dagegen weitaus schneller ab, als etwa "Ich Muss Ins Krankenhaus", ein nebenbei auch in dieser Redaktion gerne geäußerter Satz nach durchzechten Nächten ("Ich bin der Star im Hospital, ich hab das Jucken überall").
Achso, die Gaststars: Tja, die Zwei Achtel-Seeed-Kollabo "Mach Den Sarg Auf" klingt rhythmisch ziemlich nach Seeed, die Thomas D.-Kollabo "Gestern Abend (Du Und Ich)" atmosphärisch ziemlich nach Thomas D. und die Deichkind-Version, nun ja. Nette Gesten. Richtiggehend furchtbar sind nach wie vor Beiträge zur rheinischen Frohsinnsfolklore, ein Metier, in dem Remmler leider auch zu wesentlichem Ruhm gekommen ist ("1,2,3,4") sowie angeschlagerter Billigkeyboard-Nonsens ("Vogel Der Nacht").
"World Famous In Germany" ist musikalisch zwar auch wenig zwingend geraten (im NDW-Mix, oh Mann!), textlich aber ein schöner Tiefschlag gegen Kollegen seines Alters, die heute mit den alten Hits durch die Bierzelte tingeln und sich dort hinter der Bühne billigen Schnaps aus Sankt Kathrein reinpfeifen ("Sein Ruf ging einst wie Donnerhall / heut klingt es mehr nach Schlaganfall"). Hervorzuheben ist allerdings noch die schöne Country-Version von Handsome Hanks einsamen Boys. Freuen wir uns also, dass Stephan Remmler noch bei guter Gesundheit ist, immer noch scharfkantige Zeilen zu verfassen weiß und sich einer Trio-Reunion immer wieder standhaft verweigerte.
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