19. Juli 2000

"Berlin wird euch bombardieren"

Interview geführt von

Vor dem Konzert im Konstanzer Kulturladen traf laut.de die zwei Berliner in ihrem Backstageraum zwischen Beck's, Obst, Joints und Kamillentee. Es folgt ein Gespräch über die Zusammenarbeit mit Moses P, Kontakten nach Stuttgart und dem Hauptstadtboom.

Wie schätzt ihr eure neue LP im Gegensatz zu der ersten ein?

Harris: Es ist halt der zweite Teil. Bei Filmen ist der zweite Teil meistens besser und deshalb ist diese Scheibe auch viel geiler.

Hat sich etwas in der Produktionsweise gändert?

Harris: Wir haben viele Produzenten dabei gehabt und mit vielen verschiedenen Leuten zusammen gearbeitet. Das heißt aber nicht, dass sich etwas bei uns geändert hat. Die Platte wäre mit Sicherheit anders geworden, wenn wir die ganze Zeit alleine im Studio gewesen wären.

Wie ist es denn zu der Arbeit mit Moses P gekommen, kennt ihr ihn schon länger?

Harris: Nein, überhaupt nicht. Als unser erstes Album rauskam, wollten wir ihn schon kennenlernen, aber es kam nie dazu. Wir waren auch in Frankfurt und haben mit den ganzen 3P-Leuten gechillt. Er hat uns auch immer Grüße ausrichten lassen, wir hingegen haben auf unserem Album Shotouts geschrieben, von wegen "wir Feiern noch zusammen" und so. Doch wir haben uns nie getroffen, irgendwann dachten wir "Scheiss drauf" und haben ihn einfach angerufen und gefragt, ob wir einen Track zusammen machen wollen. Er meinte "klar" und wir sind nach Frankfurt gefahren, haben einen gesoffen und einen Track aufgenommen. Alles auf Täsch.

Habt ihr nicht mal erzählt, Moses sei der einzig Korrekte von 3P?

Harris: Ne, ne, ne, auf keinsten. Es ist mehr so, dass wir keinen Bock hatten mit den anderen einen Track zu machen, wir kommen mit denen aber klar.

Dean: Viele sind privat immer anders, als sie sich auf der Bühne geben. Musikalisch übertreiben die Leute gerne, was im Privaten überhaupt nicht so existiert.

Harris: Das einzige wo musikalisch auf keinen Fall etwas stattfinden wird, ist mit Sabrina Setlur oder so. Die kennen wir zwar nicht, aber wenn wir in Frankfurt wären und man sieht sich, dann ist man auch zusammen unterwegs. Es gibt nicht so ein Ding wie 'die sind voll Asi'. Auf keinen Fall. Im Gegenteil, nochmal Shotouts an die Söhne Mannheims und Jay und so.

Und wie sieht es mit den Stuttgartern aus?

Dean: Eigentlich haben wir gar nichts mit Stuttgart zu tun. Wir sind nur manchmal da, holen Dope und besuchen ein paar Leute. Wir stehen seit ein paar Jahre mit Afrob, den Massiven und so in Kontakt.

Wie hat sich der Labelwechsel auf eure Platte ausgewirkt?

Harris: Nur positiv, alles cool. Auf jeden Fall.

Habt ihr schon ein Feedback aus Amerika bekommen?

Harris: Ein direktes Feedback natürlich noch nicht. Aber es werden schon einige die Platte da drüben hören, weil es auch das erste Projekt von Def Jam Germany ist. Die sind bestimmt darauf neugierig, auch wenn sie nichts verstehen. Aber in der Musik geht es sowieso mehr um die Gefühle und die Vibes, die man da spürt.

Bis jetzt hat sich der deutsche Hip Hop aber recht schwer in Amerika getan.

Dean: Ja, weil die deutsche Sprache so Hardcore ist. Sie ist ziemlich scharf, direkt und geht nicht so leicht ins Ohr. Die deutschen Rhymes waren am Anfang lächerlich, aber das hat sich in der letzten Zeit geändert und die deutsche Sprache ist doch zu etwas gut. Bei den Amis ist das ganz anders. Amerikanisch ist eine Weltsprache, damit ist jeder mehr oder weniger aufgewachsen und hat es immer schon im Kopf gehabt. Die Sprache ist einfach viel weicher. Wenn die Amis 'Bitch' oder 'Motherfucker' sagen, kommt das nicht so krass, als wenn wir Fotze bzw. Mutterficker in unseren Reimen benutzen. Das hört sich ganz anders an.

Harris: Yeah, Mutterficker!

Wie beurteilt ihr den Hip Hop Boom hier in Deutschland?

Harris: Das kommt darauf an, wie man in die Charts geht. Wir sind heute auch in die Charts gekommen, obwohl wir nicht die typische Band sind, die in die Charts kommt. Es kauft sich bestimmt keiner die Scheibe, weil die uns sehen und sagen 'Oh, die zwei süßen Typen da'. Es gibt einfach Leute da draußen, die uns fühlen, die wissen was bei uns abgeht.

Dean: Dafür sagen wir auch viel zu direkt was wir nicht leiden können. Es wird sich auch kein Bravo Leser oder 'Mode Hip Hopper' unser Album kaufen, dafür ist es krass.

Man hört immer wieder, dass die Berliner selbst kaum wissen, was in ihrer Stadt musikmäßig vor sich geht. Wie beurteilt ihr die Situation in Berlin?

Harris: Fast genauso, es gibt einfach zu viele Szenen in Berlin. Berlin ist zu verfickt groß und neu. Man kann das gar nicht alles kennen, zwar gibt es auch einzelne Gruppen, die sich untereinander kennen, aber es sind einfach zu viele. Ich habe neulich einen Flyer in der Hand gehabt, da waren zwanzig Gruppen angekündigt, wovon ich zwei kannte. 'Da Force' unsere Vorgruppe und 'Der Harte Kern', der Rest war mir völlig unbekannt. Das heißt achtzehn Gruppen kannte ich nicht und die sind auf einer fetten Hip Hop Jam in Berlin aufgetreten.

Das heißt, man kann in nächster Zeit einiges aus Berlin erwarten?

Harris: Si Senore.

Dean: Wir werden Euch bombardieren, Berlin wird jetzt erst richtig heiß.

Harris: Zeig mir eine Stadt, wo auf einmal zwanzig neue Bands am Start sind.

Aber ein Output hat bis jetzt kaum stattgefunden?

Harris: Warte doch mal ab. Wer in Berlin large sein will, der muss Berlin überzeugen und wenn du das geschafft hast, dann kannst du alles übernehmen. Aber erst sobald dich die Berliner feiern. Das ist wie in New York. Wenn du in New York überzeugst, kannst du überall rocken.

Wie oft spielt ihr im Rahmen der Tour in Berlin?

Harris: Einmal nur. Wir treten zwar recht oft in Berlin auf, aber das letzte Mal war vor drei Monaten, damit es bei der Tour so richtig abgeht.

Dean: Dieses Jahr sind wir schon fünfmal aufgetreten, oder so.

Harris: Auf jeden Fall. Wie, fünfmal in diesem Jahr?

Dean: Einmal ist das Konzert auch noch ausgefallen.

Harris: Fünfmal? In Berlin? Dieses Jahr? Ist ja krass.

Ist es mit der Gewalt in Berlin immer noch so extrem?

Harris: Das kommt darauf an, auf welche Party du gehst. Auf einer stylishen Party eigentlich nicht, da gibt es zwar immer Typen, die reinkommen wollen und Stress machen. Aber wenn du auf 'ne Party gehst, wo die ganzen DMX, Ruff Ryder und Jay-Z Kerle rumrammeln, dann gibt es schon Ärger. Hier im "Wessiland" sind das die Buffalo-Träger.

Dean: Ha, Ha. Diese Schuhe sagen schon so viel über Menschen aus.

Aber Berlin war ja schon immer für Gewalt bekannt.

Harris: Das ist manchmal auch noch so. Ich bin nicht mehr in der selben Szene, ich weiß nicht was bei den Kids so abgeht, wie die ihre Jams machen. Da gehe ich auch nicht hin. Sobald ich in Berlin bin, fahre ich nach Hause. Ich habe genug Jams in "Wessiland". Ich habe aber eine kleine Schwester und die erzählt mir, was da so abgeht. Das ist lustig zu hören.

Was bedeutet für euch G.B.Z.?

Dean: Alles was wir sagen, alles was wir je gesagt, gerappt oder geschrieben haben, das kommt von uns. Das leben wir jeden Tag, das passiert um uns herum, das ist das, was wir sehen, so wie wir denken. Deshalb heißen das Album und die Tour auch "G.B.Z. Oholika". Das erste Album heißt "G.B.Z. Oholika", das zweite "G.B.Z. Oholika II", weil sich nicht viel bei uns verändert hat, wir sind immer noch die gleichen.

Habt ihr Planungen für das nächste Album?

Harris: Keine Ahnung, da ist noch nichts geplant. Erstmal chillen.

Wie steht ihr zu der ganzen MP3-Geschichte?

Dean: Was willst du dagegen machen? Das ist die heutige Technik.

Harris: Jedenfalls nicht darüber ärgern.

Dean: Eigentlich kann man das nur positiv sehen, wenn der unseren Scheiß haben will und sich die Platte nicht leisten kann. Bei solchen Großverdienern wie Mariah Carey macht das natürlich ganz andere Summen aus. Bei uns ist das ja nur ein Witz. Aber es gibt natürlich auch den Gedanken, dass man die Leute unterstützen will. Wir kaufen uns auch Platten von Leuten, die wir cool finden, um die zu unterstützen.

Das Interview führte Max Helke

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