laut.de-Kritik

Stattliche Vision von alternativer Rockmusik.

Review von

Im Grunde haben viele Fans von Hardcore, Emo und Punk überaus konservative Hörgewohnheiten. Jedenfalls wird regelmäßig verstimmt bis ablehnend darauf reagiert, wenn hochverehrte Bands nicht turnusmäßig immer das gleiche Album aufs Neue abliefern, sondern es wagen, mit fremden Einflüssen zu anzukommen oder – noch schlimmer – sich dem Mainstream durch Zugänglichkeit und polierten Sound öffnen.

Andreas Söderlund kennt diese Debatte nur zu gut. Würde er seine Band Sounds Like Violence googlen, er stieße schnell auf das Stimmungsbild, die "The Pistol"-EP aus dem Jahr 2004 sei ein brutal intensiver, aggressiver und vor allem unerreichter Emocore-Diamant gewesen. Mit ihr kam der Ruhm - und ging die Wut als Quelle aller Inspiration.

Nach dieser Lesart geht der Wertverlust der Schweden mit ihrem zweiten Album "The Devil On Nobel Street" unvermindert weiter. Man kann es aber auch ganz anders sehen. Denn eigentlich hat Söderlund, durchaus vergleichbar mit Muse oder Biffy Clyro, eine größere Vision von alternativer Rockmusik, die nicht vorhat, in den 90er Jahren und an eindimensionalen Genre-Grenzen hängen zu bleiben.

So haben Sounds Like Violence im Jahr 2009 zwar ihren Paradeschlag, den rechten Haken, nicht verlernt, sind aber in ihren Angriffsmöglichkeiten variabler geworden. Songs wie der Titeltrack oder "Reeperbahn" kommen bei weiterhin klarer Kante aufgeräumter, harmonischer und mit sauberen Chorälen nebst aufgeschichteten Gitarren mit einem Hang zu Bombast daher.

"Transparent" wiederum kombiniert Riff-Rock mit Trommelfeuer und überraschenden Anleihen an 80er-Wave. Die Melodieführung orientiert sich an The Cure, Söderlunds Gesang in den Strophen gar an Ian Curtis, ehe er wieder den reibeisigen Shouter gibt. "I tried to be somebody else / I never really been myself", schreit er. Kein Zweifel, nicht das Label Burning Heart, nein, Sounds Like Violence wollten dieses Album genau so stattlich haben.

Dazu gehört allerdings auch, dass es heterogener und in seinem Spannungszustand nivellierter ausfällt. Die Wave-Referenzen tauchen wiederholt auf, so zum Beispiel bei der radiotauglichen, etwas glatten Single "The Emperor's New Clothes", die einen Moment unverschämt nach "Mr. Brightside" von The Killers klingt. Oder in "Bankruptcy", dass auch guten Gewissens auch von den Editors stammen könnte.

"Die Leute sollen verstehen, dass Rock-Musik tatsächlich eine Bedeutung haben kann und nicht immer nur idiotisch sein muss. Vielleicht hätten wir unser Album einfach 'Die Rückeroberung von Rock-Musik' nennen sollen", betont Söderlund, als habe man tatsächlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zur Sicherheit hat man noch purzelnde Zähne auf das CD-Imprint drucken lassen. Man kann ja nie wissen.

Trackliste

  1. 1. The Devil On Nobel Street
  2. 2. Reeperbahn
  3. 3. Transparent
  4. 4. The Emperor's New Clothes
  5. 5. Darkness Over Eslöv Street
  6. 6. Get Out Of Bed
  7. 7. Holy Schizophrenia!
  8. 8. Bankruptcy
  9. 9. Beast
  10. 10. $ 5900
  11. 11. 1993

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