laut.de-Kritik

Ist denn die ganze Welt verrückt geworden?

Review von

Früher war bestimmt nicht alles besser. Manches allerdings einfacher. Es gab eine Sorte Super-Benzin, Nazis waren geächtet, der Euro kostete zwei Mark und Skindred spielten Rap-Metal. Doch irgendwas haben die Briten schon immer anders gemacht, als der Rest ihrer inzwischen fast vergessenen Zeitgenossen.

Ja, der Sänger singt nicht unbedingt konventionell. Ja, elektronische Bestandteile gehören ebenso zur Bandessenz dazu wie auch der latente Groove. Hat man alles schon etliche Male gehört, warum also jetzt, nach all den Jahren die ganze Aufregung? Weil Skindred auf ihrem siebten Album "Big Tings" neben dem offensichtlichen mit jeder Menge Deep Cuts überraschen.

Der Titeltrack sorgt direkt für Verwirrung. Schleppender Rhythmus, Mitmach-Chöre, eine kapitale Gesangslinie - wieso riddimt oder sprechgesangt hier denn überhaupt keiner? Und wieso fräst sich das Ganze auch noch tief unter die Hirnrinde? Ich werd bekloppt.

Das Front-Entertainer Benji Webbe und seine Gang pro Album mindestens für einen Monsterhit gut sind, ist klar. Siehe "Warning" von "Union Black" oder "Volumes" mit "Under Attack". Doch das genügt dem aktuell auf Quartett-Größe geschrumpften Engländern für ihr neues Album "Big Tings" eindeutig nicht mehr.

Natürlich lassen sich Webbe und Co. ihre Trademarks nicht nehmen und feuern immer wieder vom Reggae oder Hip Hop beeinflusste Passagen ab. Etliche Songs sind prinzipiell sogar verdammt ähnlich strukturiert. Aber dieser unwiderstehliche Groove, diese verteufelten Melodien - fast könnte man meinen, man habe es mit einem lupenreinen Pop-Album zu tun.

Und genau das ist vermutlich das Geheimnis. "That’s My Jam" (mit bandtypischen Sirenensounds und extrem cooler Hookline) und das zum Einstieg lässig die Beastie Boys zitierende "Machine" (mit Motörhead-Klampfer Phil Campbell plus Reef-Stimme Gary Stringer als Gästen) sind absolute Genre-Meisterwerke - wenn Kreuzüber-Rock anno 2018 noch irgendeine Bedeutung haben sollte, dann wegen dieser Band. Denn besser als Skindred auf "Big Tings" kann man diese Art von Musik kaum spielen.

Und dann waären da noch die Nummern mit Tiefgang, mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte. Titel wie "Tell Me", "Alive" oder die lupenreine Metal-Ballade "Saying It Now" sind nicht nur ausgesprochen melodiös, sondern clever durchkomponierte Songs jenseits festgefahrener Genregrenzen.

"Big Tings" ist von vorne bis hinten ein Paradebeispiel für moderne Rockmusik, randvoll mit hervorragenden Songs. Und wie das Kind dann schlussendlich heißt, ist komplett egal. Glaubt man nicht, stimmt aber. Hammer Platte.

Trackliste

  1. 1. Big Tings
  2. 2. That's My Jam
  3. 3. Machine
  4. 4. Last Chance
  5. 5. Tell Me
  6. 6. Loud And Clear
  7. 7. Alive
  8. 8. All This Time
  9. 9. Broken Glass
  10. 10. Saying It Now

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