2. Mai 2016

"AC/DC ohne Brian? Schwierig!"

Interview geführt von

Mötley Crüe und Guns 'N Roses sind für Nikki Sixx und DJ Ashba endgültig Geschichte. Die Folge: Sixx A.M. melden sich in diesem Jahr mit einem fulminanten Doppelalbum zurück.

Nikki Sixx ist ein Überbleibsel jener Rockstar-Generation, die sich vor dreißig Jahren einen feuchten Furz um gesellschaftliche Konventionen scherte. Für den ehemaligen Mötley Crüe-Bassisten war das Leben stets ein großer bunter Zirkus, in dem er und seine Mitstreiter den Ton angaben. Exzessive Besäufnisse, Drogen, Groupies und zerstörte Hotelzimmer gehörten für den bulligen Rocker zum Alltag. Auch heute noch präsentiert sich Nikki Sixx rein optisch wie der perfekt gestylte Rock'n'Roll-Posterboy.

Mit Kampfstiefeln, zerschlissenen Jeans, Sleaze-Frisur, Sonnenbrille und Bandana mimt der ganzkörpertätowierte Hüne bei unserem Aufeinandertreffen im Berliner nhow-Hotel den grimmig dreinblickenden Unnahbaren. Mit an seiner Seite: zwei Gestalten, die nicht weniger auffallen. Da wäre zum einen der mit Manson-Makeup und Turmfrisur für Aufsehen sorgende Ex-Gunner DJ Ashba. Der Dritte im Bunde hört auf den Namen James Michael. Letzterer erinnert an eine fleischgewordene Mixtur aus Johnny Rotten und Scott Weiland. Seit knapp zehn Jahren machen die drei nun schon gemeinsame Sache. Und zwar unter dem Bandnamen Sixx A.M. Hier und heute - an einem kalten Februar-Tag - wollen wir ein bisschen über das neue Album "Prayers For The Damned" plaudern, das am 29. April erscheint. Ich bin gespannt.

Hi ihr drei, jeder hier im Hotel macht große Augen wenn ihr durch die Gänge spaziert. Kriegt ihr das eigentlich mit?

DJ Ashba: Nein. Mein Blick geht immer geradeaus. Was links, rechts und hinter mir passiert, interessiert mich nicht.

Nikki Sixx: Vielleicht hätten wir uns irgendwo auf der Straße treffen sollen. Dort würden wir nicht so auffallen. Ich hab hier draußen schon ziemlich viele verrückte Gestalten entdeckt.

Es gibt Rockstars, die plustern sich optisch nur für offizielle Termine auf. Wie sieht das bei euch aus?

Nikki Sixx: Aufplustern klingt gut. (lacht)

DJ Ashba: Ich bin wie ich bin. Wer damit ein Problem hat, der kann ja weggucken.

James Michael: Ich denke, dass es bei jedem von uns auch Tage gibt, an denen man auch mal nichts mit sich anstellt. Für einen Einkauf im Supermarkt muss ich nicht vorher eine halbe Stunde vorm Spiegel stehen.

DJ Ashba: Ja, das stimmt. Wir gehen aber alle nur selten selber einkaufen. (lacht)

Kann ich mir vorstellen. Solche Zeiten gab es aber mal. Vermisst ihr nicht manchmal auch das stinknormale Leben abseits von all dem Trubel?

Nikki Sixx: Irgendwann ist man in diesem Tunnel drin. Da wollte man ja schließlich auch immer rein. Und wenn man dann drin ist, und es sich sogar noch geiler anfühlt als man dachte, dann will man natürlich auch so schnell nicht wieder raus. Nach zwanzig oder dreißig Jahren im Business ist dieses Leben ein Teil von einem. In meinen Augen lebe ich ein normales Leben. Mein normales Leben.

Und daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern. Mötley Crüe sind zwar Geschichte. Aber mit Sixx A.M. geht es ungebremst weiter. Im April kommt euer neues Album "Prayers For The Damned" auf den Markt. Und um noch einen drauf zu setzen: Für den kommenden Herbst ist bereits eine weitere Albumveröffentlichung geplant. Wir reden hier nämlich über ein Dopellalbum-Konzept, richtig?

Nikki Sixx: Ja, das stimmt. Wir haben über zwanzig Songs geschrieben, die alle auf einem Level sind. Normalerweise sortiert man irgendwann aus. Man guckt, was für das Album passen könnte und welche Songs man in die Bonus-Kiste steckt. Diese Songs boten sich aber alle fürs Album an. Also steckten wir kurz die Köpfe zusammen und entschieden, dass wir einfach zwei Alben draus machen.

James Michael: Das ist das Tolle an dieser Band. Wir sind alle schon so lange im Business, dass wir uns mittlerweile nahezu jede Freiheit nehmen können. Wir haben kein Label-Druck, keine Gläubiger, die uns im Nacken sitzen und keine hungernden Familien daheim. Wir müssen uns weder verbiegen noch irgendwo musikalisch anbiedern. Wir können machen was wir wollen. Und genau das zeichnet diese Band aus. Wir klingen so wie wir klingen wollen. Und wir hauen die Sachen auch raus, so wie es uns gefällt.

"Bei uns gibt es keine Regeln"

Geht nicht besser, oder?

James Michael: Nein. Es ist das perfekte Paket.

DJ Ashba: Wir waren vorher alle in einer Art Korsett gefangen. Ich meine, Nikki hatte Spaß mit Mötley Crüe, keine Frage. Ich war auch gerne mit Guns 'N Roses unterwegs. Aber es waren Zeiten, in denen die Leute etwas ganz Bestimmtes von einem erwarteten. Das kann man nun mal nicht wegreden. Mit Sixx A.M. ist es anders. Hier sind wir drei Leute, die einfach nur Lust haben, sich auszutoben. Wir folgen keinen Konzepten. Bei uns gibt es keine Regeln. Und wir arbeiten alle auf einer Stufe. Hör dir einfach das neue Album an. Da gibt es Gitarrenparts, die ich schon mein ganzes Leben lang spielen wollte. Es ist unheimlich aufregend und spannend mit den Jungs zusammen zu arbeiten.

Sind die beiden Kapitel Mötley Crüe und Guns 'N Roses denn wirklich komplett abgeschlossen?

DJ Ashba: Also ich bin definitiv raus. Wie gesagt, ich war gerne ein Gunner. Aber die Zeit ist vorbei.

Nikki?

Nikki Sixx: Beim letzten Crüe-Gig ist Tommys (Tommy Lee) Achterbahn-Drumkit in der Luft hängengeblieben. Ich glaube nicht, dass ich so etwas noch einmal erleben möchte (lacht). Im Ernst: Mötley Crüe sind Geschichte. Wir waren über dreißig Jahre unterwegs. Uns war klar, dass irgendwann der Tag X kommen würde. Man sollte die Dinge auch nicht zu lange ausreizen. Ich denke, dass wir noch einen guten Absprung geschafft haben.

Gibt ja auch Bands, die wollen einfach nicht aufhören.

Nikki Sixx: Ja, wohl wahr. Mit der einen oder anderen waren wir auch schon mal unterwegs. Letztlich muss das natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt ja auch Bands, bei denen die Endlosschleife funktioniert.

AC/DC, die Stones, Kiss ...

Nikki Sixx: Genau.

James Michael: Man muss aber auch aufpassen. AC/DC ohne Angus oder Brian? Schwierig. Und Kiss ohne Paul oder Gene? Auch schwierig.

Wie sieht's bei euch aus? Alle unersetzbar?

(James Michael schaut die anderen an)

James Michael: Leute? Wie sieht's aus?

DJ Ashba: Sixx A.M. sind Sixx A.M. Allein der Name verbietet es schon, dass Nikki irgendwann vor die Tür gesetzt wird (lacht).

Nikki Sixx: Puh! Da bin ich ja beruhigt (lacht).

James Michael: Es würde, glaube ich, ohne den personellen Kern nicht mehr dasselbe sein. So viel ist sicher. Wir sind happy so wie es ist. Und so bleibt es auch.

"Aufgeben ist der Anfang vom Ende"

Veränderung ist ein großes Thema auf eurem neuen Album. Ihr präsentiert euch hinsichtlich der aktuellen globalen Zustände in größter Sorge. Was sollte sich eurer Meinung nach schnellstens ändern?

Nikki Sixx: Ich wüsste gar nicht wo ich anfangen sollte.

James Michael: Es fehlt an Kommunikation und Zusammenhalt. Die Leute haben Angst. Aber sie reden nicht darüber. Sie stehen nicht zusammen und wehren sich. Das ist das, was mich gerade so ohnmächtig macht. Wir Bands und Künstler stehen dieser Tage in einer besonderen Verantwortung. Wir haben die Möglichkeit überall auf der Welt vor Tausenden Kids zu spielen. Und dabei sollte es nicht nur ums Feiern gehen. Wir müssen die Menschen wieder zum Nachdenken anregen. Das ist unsere Aufgabe. Ich bin sehr stolz auf die Texte des neuen Albums. Ich hoffe, dass sich viele Menschen mit unseren Botschaften beschäftigen werden.

Nikki Sixx: Es ist doch so: Man schlägt morgens die Zeitung auf und hat sofort schlechte Laune. Das kann es doch nicht sein. Natürlich war die Welt schon immer im Arsch. Aber momentan sieht's schon extrem düster aus. Bei uns zu Hause in den Staaten geht es gerade drunter und drüber. Ich meine, allein die Tatsache, dass ein Typ wie Donald Trump ... Ach, ich halte lieber meine Klappe.

James Michael: Wenn wir mit dem neuen Album einige Menschen zum Nachdenken bringen, dann wäre das schon eine super Sache. Ich wünschte nur, es würden noch viel mehr Künstler ihren Status nutzen. Da ist noch viel Luft nach oben. Musik vereint die Menschen. Wenn man sich Festivals anguckt, dann stehen da abertausende Leute dicht nebeneinander. Und nicht alle haben dieselben Ansichten. Eine bessere Möglichkeit den schwarzen Schafen etwas mit auf den Weg zu geben gibt es nicht. Wir werden die Album-Message jedenfalls auch live unters Volk streuen. Darauf kannst du dich verlassen.

Ein Versprechen, das Hoffnung macht.

James Michael: Aufgeben ist der Anfang vom Ende. Wir starten jetzt erst richtig durch.

DJ Ashba: Amen.

James Michael: Das ist mein Ernst.

Dj Ashba: Ich weiß, ich weiß. Ich sehe das doch genauso.

(Nikki hat sich inzwischen in Richtung Catering-Tisch verabschiedet)

James Michael: Wo ist eigentlich Nikki?

Der hat scheinbar Hunger.

James Michael: Ah, gute Idee. Hier in Deutschland gibt's immer so leckeres Essen. Dürfen wir auch?

Klaro. Lasst es euch schmecken. Und habt Dank fürs Gespräch.

James Michael: Gerne, gerne.

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