8. September 2009

"Mir blieb als Ausweg nur der Rap!"

Interview geführt von

Die senegalesische Rapperin Sister Fa lebt in Berlin. Im Interview spricht sie u.a. über das unmenschliche Ritual der Beschneidung & Aids, Politik & Rap und "Sarabah - Tales From The Flipside Of Paradise".Die senegalesische Rapperin nimmt kein Blatt vor den Mund. In einem Land, in dem eine Frau den Mund zu halten, zu heiraten und Kinder zu gebären hat, kann Musik zur Waffe werden und Rap zur Rebellion. "Rap beruft sich auf die Tradition afrikanischer Griots, umherwandernder Geschichtenerzähler, deren Worte seit Jahrhunderten Kultur und Überlieferungen ihrer Völker bewahren", klärt Rapexpertin Dani Fromm auf. Ob sie recht hat, wollen wir im Interview mit der senegalesischen Rapperin Sister Fa erfahren.

Sister Fa, du kommst aus dem Senegal, bist Rapperin und lebst seit 2005 in Berlin. Wie kommt's?

Ich habe im Jahr 2000 angefangen zu rappen und zwei Jahre später meine ersten Demotapes aufgenommen. In dieser Zeit hat sich für mich entschieden, dass ich eine musikalische Karriere machen möchte. Mit einer Gruppe von Freunden die sich zu dem Label Fn'F formiert hatte, habe ich 2005 dann mein erstes Solo-Album aufgenommen. Nachdem meine Promotion im Senegal in Verbindung mit dem Album gerade ins Rollen gekommen war, bin ich im März 2006 nach Berlin gekommen, um mit meinem heutigen Mann zu leben. Hier musste ich dann wieder mehr oder weniger von vorne beginnen. Zuerst hatte ich keine große Hoffnung mich in dem musikalischen Labyrinth in Berlin zurechtzufinden, aber Stück für Stück habe ich meinen Weg gefunden. Ich habe eine Band gegründet, mit der ich live auftrete, und mein zweites Solo-Album veröffentlicht.

Darauf kommen wir gleich noch zu sprechen. Zunächst interessiert mich dein Hintergrund. Wie ist die Stellung der Frau in deiner Heimat?

Die Frau nimmt eine sehr niedrige Position in der senegalesischen Gesellschaft ein. Sie muss immer zu Hause sein, hat zu kochen, die Wäsche mit den Händen zu waschen, zu heiraten und Kinder zu gebären. Ihre Stimme zählt nicht in der Ehe. Wenn ihr Mann z.B. entscheidet, sich von ihr zu scheiden, dann bleibt ihr nichts anderes übrig als ihre Sachen zu packen und wieder zu ihren Eltern zu ziehen. Die Kinder muss sie bei ihrem Mann lassen. Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Situation sehr vieler Frauen im Senegal immer noch prekär ist. Ich muss aber auch erwähnen, dass die Frau gleichzeitig in gewissen Bereichen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielt. Was die Erziehung und Bildung der Kinder betrifft, was den sozialen Zusammenhalt, aber auch was kleine Ökonomien betrifft, die den Frauen helfen, sich eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen. Ein großes Problem ist, dass die Mädchen oft gar nicht oder nur sehr kurz in die Schule geschickt werden und dadurch das Bildungsniveau bei den Frauen sehr niedrig ist.

Wie kommst du in diesem Umfeld auf die Idee, zu rappen?

Ich sage gerne, dass ich als Rebellin geboren wurde. Es gab in meinem Umfeld einfach viele Dinge, mit denen ich nicht einverstanden war, wie z.B. die Lage der Frauen. Wenn man etwas zu sagen hat, kann man ja leider nicht einfach ins Fernsehen oder zum Radio gehen und dort seine Meinung äußern, also habe ich die Musik gewählt, um mit ihr meine Parolen auszudrücken und öffentlich zu machen. Nachdem sich die anderen Musikstile im Senegal in der Regel nicht kritisch mit Dingen auseinandersetzen, blieb mir also nur, mich der Rap-Musik zuzuwenden.

"Mir blieb nur, mich der Rapmusik zuzuwenden."

Zu rappen bedeutet für dich also weit mehr, als "nur" Musik zu machen?

Ja, weil ich damit versuche auch zu sensibilisieren und zu bilden. Es ist als eine andere Art von Bildung. Zudem dient er mir dazu, diejenigen zu repräsentieren, die nicht die Möglichkeit haben, über ihr teilweise miserables Leben zu berichten.

Wie steht es mit der demokratischen "Selbstverständlichkeit" der Meinungsfreiheit in deiner Heimat? Ist Hip Hop die einzig legale Ausdrucksform politischer Meinungsbildung?

Der Senegal ist ein demokratisches Land, aber was die Meinungsfreiheit betrifft, gilt es noch einiges zu tun. Kritische Journalisten wurden schon oft eingesperrt, Oppositionspolitiker wurden verprügelt oder auch eingesperrt. Der Rap ist auch nicht unbedingt eine von den Politikern akzeptierte Form der Kritik, denn auch gegen sie gehen sie manchmal vor. So wurden z. B. die Rapper der Gruppe Keur Gui zusammengeschlagen, weil sie sich zu kritisch geäußert haben. Früher haben die Politiker den Rap nicht sehr ernst genommen, aber als sie gesehen haben, was er bewirken kann, haben sie versucht, einige Rapper zu korrumpieren, damit sie keine Texte mehr über sie schreiben. Es gibt also nur bis zu einem gewissen Grad Meinungsfreiheit im Senegal.

Unschwer festzustellen: Du bist eine politisch engagierte Künstlerin. Was begegnest du dem israelischen Künstler Dani Karavan, der sagt "die Kunst ist sehr schwach. Ich glaube nicht, dass Kunst auch nur ein einziges Menschenleben retten kann."

Ich weiß nicht aus welcher Situation heraus dieser Künstler dies gesagt hat, vielleicht aus der kriegerischen seines Landes, aber ich möchte ihm nicht zustimmen. Ich glaube nicht, dass ich alleine mit meiner Musik viel bewegen kann, aber ich kann vielleicht den einen oder anderen zum Denken anregen. Ich glaube allerdings, wenn sich eine Vielzahl von Künstlern zusammen für etwas engagiert, kann Kunst sehr wohl etwas erreichen und vielleicht sogar Menschenleben retten. Sie kann vielleicht keine Kriege beenden, aber sie kann, wie in meinem Fall, helfen, die Bevölkerung zum Thema Beschneidung zu sensibilisieren. In meinem Projekt gegen Beschneidung im Senegal verbinde ich Musik mit Film und Theater, und ich denke, wenn ich entsprechende Unterstützung von anderen Künstlern bekomme, dann werde ich auch etwas erreichen. Ein anderes Beispiel ist AIDS. Die Rapper im Senegal haben viele Texte zu dem Thema geschrieben und sogar eine Kompilation nur dazu herausgebracht, was unter anderem auch dazu geführt hat, dass die senegalesische Jugend sehr bewusst mit diesem Thema umgeht. Fest steht aber, dass ein Musiker, bewaffnet mit einem Mikrofon und seiner Stimme keine Chance hat gegen jemanden, der mit einem Panzer bewaffnet ist.

Das sieht Nicole Kidman in "Die Dolmetscherin" anders: "Das Gewehrfeuer um uns herum betäubt unsere Ohren. Doch die menschliche Stimme unterscheidet sich von anderen Geräuschen, selbst wenn sie nicht schreit. Selbst wenn sie nur ein Flüstern ist. Selbst eine flüsternde Stimme kann ganze Armeen übertönen, wenn sie die Wahrheit spricht."

Ich denke, dass die Wahrheit zwar viel Macht haben kann, doch wenn man sich das Geschehen auf der Welt ansieht, kann man leider nur zu dem Schluss kommen, dass es nicht die Wahrheit ist, die wichtig ist, sondern dass es nur um Interessen geht, und wie sie dargestellt werden, damit sie als Wahrheit empfunden werden. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Krieg gegen den Terrorismus, der auf der ganzen Welt ganze Rechtssysteme bezüglich der Privatsphäre der Menschen aus dem Anker gerissen hat. Da geht es nicht mehr um reelle Dinge, sondern es werden künstliche Gefahren als Wahrheiten verkauft.

Die Popularität von Kunstschaffenden ist in diesem Zusammenhang ein wertvolles Instrument im Kampf um die Wahrheit. Diesem Ansatz folgen auch Sting, Bono und viel andere A-Prominenz. Du bist also in guter Gesellschaft.

Ja, und ich hoffe, dass noch mehr Menschen ihre Stimme erheben und ihr Kapital richtig einsetzen.

In deinen Texten dreht es sich u.a. um die Wahrheit bezüglich der Genitalverstümmelung. Du bist selbst Opfer. Ich (als Mann) habe Schwierigkeiten, mir die Auswirkungen einer Genitalverstümmelung vorzustellen.

Zuerst rate ich dir, nicht zu versuchen, dir das vorzustellen, weil es sehr grausam ist. Stell dir vor, du schneidest dir beim Gemüse schneiden tief in den Finger: Das ist schon ziemlich schmerzhaft. Bei der Beschneidung wird dir gleich ein ganzes Körperteil entfernt und dann ist es wahrscheinlich auch noch dein sensibelstes. Ich kann nur sagen, dass wir in unserer heutigen, modernen Zeit unsere Stimmen gegen diese Praxis erheben müssen, weil es immer noch Opfer gibt. Das Problem ist, dass es ein Thema ist, das unheimlich schwer anzusprechen und zu behandeln ist, weil es sehr intim ist und von der Mutter an die Tochter vererbt wird. Viele Leute sehen es als einen gewalttätigen Akt, doch die Mütter, die ihre Töchter beschneiden lassen, tun es aus Liebe, denn sie wollen sie vor der Gesellschaft schützen, in der sie als Unbeschnittene ausgegrenzt werden könnten. Es gilt also zuerst das Denken der Gesellschaft zu ändern, damit unbeschnittene Frauen nicht marginalisiert oder gar geächtet werden. Wenn das erreicht ist, gibt es auch keinen Grund mehr, diese Praxis aus gesellschaftlichen und sozialen Gründen fortzuführen. Das ganze Thema ist allerdings sehr komplex und sensibel, weshalb es nicht so einfach ist, es in ein paar Sätzen in eben dieser Vielschichtigkeit zu erörtern.

Wo können sich die Leserinnen und Leser diesbezüglich weiter informieren?

Bei Terre des Femmes und Tostan. Bei Terre des Femmes gibt es auch einen kurzen Clip zum Thema, wo ich dazu singe.

"Sarabah - Tales From The Flipside Of Paradise"

Wir wollen ja auch noch ein klein wenig über Musik plaudern, auch wenn es mir schwer fällt, angesichts so grausamer Tatsachen nicht nachzuhaken. Oder ist die Musik für dich lediglich das Transportmittel deiner Botschaften?

Selbstverständlich ist Musik für mich nicht nur ein Transportmittel für meine Botschaften, sondern auch ein Mittel, um sich zu vergnügen, zu entspannen oder zu bewegen. Musik stellt im Allgemeinen auch einen Lichtblick in dieser oft dunklen Welt dar. Sie ist ein Zufluchtsort. Meine Musik ist für mich immer Inhalt in Verbindung mit Show.

Apropos Show: Wo können wir dich demnächst erleben und was erwartet uns in einer Sister Fa-Show?

Man kann mich und meine Band dieses Jahr in Berlin noch am 15. September in Warschau und am 27. November in Basel sehen. Alle weiteren Infos zu Konzerten kann man auf meiner Homepage nachlesen. Bei einer Sister Fa-Show gibt es seitens meiner Band und mir auf jeden Fall ganz viel Energie. Treibende afrikanische Rhythmen und Melodien in Verbindung mit Elementen aus Pop, Rap, R'n'B, Jazz und Reggae. Dabei ist zu erwähnen, dass alle meine Musiker aus Berlin und Deutsche sind. Ich bin immer wieder begeistert, wie sie meine afrikanischen Rhythmen auf die Bühne bringen.

Was sind deine Lieblingssongs auf "Sarabah"?

Das ist keine einfache Antwort, da ich alle meine Lieder mit der selben Liebe und der selben Passion geschrieben habe, aber um vielleicht eines zu nennen: "Life Am" gefällt mir musikalisch sehr gut und es widmet sich einem wichtigen Thema, nämlich Aids, im speziellen bei Frauen, die leider zu den häufigsten Opfern dieser Krankheit gehören und das oft unschuldig.

"Life Am" verpackst du einen bunten Groove aus Reggae, World und Rap. Von wem bist du beeinflusst? Wer oder was inspiriert dich beim Schreiben? Woher beziehst du deine Ideen?

Die Inspiration zu meinen Texten beziehe ich vor allem aus dem, was ich selbst (oder mein Umfeld) im Senegal erlebe oder erlebt habe. Ich gehe auf ganz persönliche Dinge ein, wie den Tod meiner Mutter oder auf das Schicksal von Verwandten oder Freuden. Ich behandle auch allgemeinere Themen wie eben Aids oder das Leben vieler senegalesischer Soldaten. Aber natürlich bewegen mich auch globalere Themen, die ich ebenfalls in meinen Texten verarbeite. Es sind aber meist Themen, die mit meinem Land und meiner Umgebung zu tun haben. In diesem Sinne spielt meine Herkunft und ihre Verarbeitung eine sehr wichtige Rolle in meiner Musik. In meiner Arbeit bin ich nicht direkt von jemandem beeinflusst. Die Ideen kommen aus mir selbst und damit wiederum aus dem was mich umgibt, indem es mich unbewusst beeinflusst. Es gibt aber keine bestimmte Person oder so, die ich nennen könnte.

Welche "Parole", wie du es eingangs formuliert hast, verfolgst du mit "Sarabah - Tales From The Flipside Of Paradise"?

Ich möchte den Leuten vermitteln, dass sie daran glauben müssen, dass sich immer alles ändern kann und dass sie nicht aufgeben sollen, wenn das Leben hart ist. Am Ende des Tunnels befindet sich immer ein Licht. Das mag zwar etwas abgedroschen oder naiv klingen, aber es entspricht meiner Erfahrung und meiner zutiefst positiven Einstellung gegenüber dem Leben.

Das ist ein schönes Schlusswort. Sister Fa, herzlichen Dank für dieses Interview, auch wenn das Gesagte oftmals schmerzlich war. Aber so ist das mit der Wahrheit ...

Ich möchte mich auch für dieses interessante Interview bedanken. Es ist immer schön, Fragen gestellt zu bekommen, über die man ein bisschen nachdenken kann.

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