laut.de-Kritik

Melancholisches Zeugnis einer triumphalen Abschiedstour.

Review von

Simon & Garfunkel bei ihrer offiziellen Abschiedstour 2004 - für alle, die dabei waren, handelte es sich wohl um den Auftritt des Jahres. Mit einer Mischung aus bekannten Stücken und einigen Überraschungen begeisterte das Duo vollgepackte Stadien und Sporthallen in den USA und Europa. Schön also, dass nun ein Mitschnitt auf CD und DVD vorliegt.

Die aufgenommenen Konzerte fanden vom 5. bis 8. Dezember 2003 in New Jersey und dem Madison Square Garden statt. In der 'Heimat' also, denn einerseits stammen S & G aus Queens, andererseits nahmen sie ihre anderen zwei Liveplatten ebenfalls in New York auf. Galten sie in der Zeit von "Live From New York City" (1967, veröffentlicht 2002) als intellektuell angehauchte Lieblinge der aufkommenden Studentenbewegung, präsentieren sie sich 36 Jahre später als eine der erfolgreichsten Bands der Popgeschichte.

Nimmt man "Live From Central Park" (1982) noch hinzu, ergibt sich ein interessanter Vergleich. Der Opener "Old Friends" besteht nach wie vor aus zwei prägenden Eingangsakkorden und weist keine großen Unterschiede zu vergangenen Versionen auf. Das folgende "A Hazy Shade Of Winter" (ein späterer Hit für die Bangles) offenbart jedoch eine veränderte Grundstimmung. Zwar ist das Lied schnell gespielt und genießt die Unterstützung einer fähigen Begleitband, dennoch schimmert eine tief verwurzelte Melancholie durch.

Ist es die Erinnerung an die unumkehrbar verflossene Zeit? Oder die Feststellung, dass sich die Welt seit den 60er Jahren stark verändert hat, und das nicht unbedingt zum Positiven? "This is a song about a place that doesn't exist anymore", erzählt Garfunkel in einem anderen Konzert vor "America", das wie "I Am A Rock" langsamer ausfällt als früher. "Es gibt einen stark emotionalen Hintergrund, weil Jahrzehnte vergangen sind", pflichtet ihm Simon bei einer Pressekonferenz ausnahmsweise mal bei.

Dass das Alter auch positiven Seiten hat, beweist Simons Einstellung auf der Bühne. So locker wie bei diesem Auftritt hat er sich an der Seite Garfunkels noch nie gezeigt. Mit seiner Akustikgitarre trägt er die Hauptlast der Begleitung und übernimmt oft die Hauptstimme – sogar in "Bridge Over Troubled Water", das sonst immer in Garfunkels Reich gehörte. Zwischen "Kathy's Song" und "Hey Schoolgirl" vergisst er seine Wortscheue und lässt sich zu einem Sprachduell mit seinem liebsten Feind ein. Wie dicke Kumpels hören sie sich nicht gerade an, aber sie scheinen sich wieder einigermaßen zu vertragen.

Mehr als in der Vergangenheit orientieren sich die Arrangements an den Studioversionen, auch wenn die Begleitband immer wieder originelle Töne einstreut. Interessant auch die Idee, die Everly Brothers in den Auftritt mit einzubinden. Gemeinsam mit ihren Jugend-Idolen singen S & G "Bye Bye Love", bevor "Homeward Bound", "The Sound Of Silence", "Mrs. Robinson" und "Slip Slidin' Away" die Stimmung des Publikums von der anfänglichen Ergriffenheit allmählich in Freude umwandeln.

Am Ende herrscht sogar ausgelassene Partylaune. Das finale Best Of-Feuerwerk bietet zwei Überraschungen: "The Only Living Boy In New York", ein wenig bekannter Auszug aus S & Gs letztem Album "Bridge Over Troubled Water" (1970) und "My Little Town", das sie 1976 bei einer kurzen Reunion aufnahmen. "Leaves That Are Green" entlässt den Hörer in einer nostalgischen Verfassung. "I was 21 years when I wrote this song, I'm 22 now, but it won't be for long. Time it hurries on and the leaves that are green turned to brown" singt Simon über eine Zeit, die fast vierzig Jahre in der Vergangenheit liegt.

"Old Friends" stellt so etwas wie den krönenden Abschluss einer künstlerisch stets hochwertigen Karriere dar. Zwar bietet die Aufnahme weder den jugendlichen Übermut von "Live From New York City" noch den Hintergrund einer halben Million Zuschauer des "Concert In Central Park", dafür schimmert so etwas wie Zufriedenheit mit dem eigenen Werk durch – ein Punkt, mit dem Simon lange seine Probleme hatte.

Wem die Doppel-CD gefällt, der wird von der DVD begeistert sein. Neben zusätzlichen Stücken ("Wake Up Little Susie" und "Dreams" von den Everly Brothers allein gespielt, später "Keep The Customer Satisfied" und ein fröhliches "59th Street Bridge Song" als letzte Zugabe) enthält es eine sehenswerte Dokumentation aus den 70er Jahren und Bilder von weiteren Auftritten, unter anderen einige aus dem abschließenden Konzert in Rom.

Trackliste

  1. 1. Old Friends
  2. 2. A Hazy Shade Of Winter
  3. 3. I Am A Rock
  4. 4. America
  5. 5. At The Zoo
  6. 6. Baby Driver
  7. 7. Kathy's Song
  8. 8. Tom and Jerry Story
  9. 9. Hey, Schoolgirl
  10. 10. Everly Brothers Intro
  11. 11. Bye Bye Love (with The Everly Brothers)
  12. 12. Scarborough Fair
  13. 13. Homeward Bound
  14. 14. The Sound Of Silence
  1. 1. Mrs. Robinson
  2. 2. Slip Slidin' Away
  3. 3. El Condor Pasa
  4. 4. The Only Living Boy In New York
  5. 5. American Tune
  6. 6. My Little Town
  7. 7. Bridge Over Troubled Water
  8. 8. Cecilia
  9. 9. The Boxer
  10. 10. Leaves That Are Green
  11. 11. Citizen Of The Planet

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