laut.de-Kritik

Bei den Isländern mutieren Traumlandschaften zu Albträumen.

Review von

Von außen betrachtet machen Sigur Rós keinen sehr bestimmten Eindruck. Wenn die vier Jungs auf der Bühne stehen, ziehen sie die Brust ein, lassen die Schultern hängen und geben sich wortkarg. Anfänger der Jugendmusikschule sehen so aus, selbstbewusste Musiker nicht. Man könnte diese Isländer also milde belächeln, wenn sie Sätze sagen wie: "Die an uns gestellten Erwartungen interessieren uns nicht, wir wollten einfach eine Platte machen, die uns gefällt". Das allerdings sollte man nicht tun. Der Eindruck täuscht gewaltig, und dieses Album ist der Beweis.

Sigur Rós wissen, was sie wollen. Sie ließen sich ein eigenes Studio bauen und absolute künstlerische Freiheit in ihren Verträgen zusichern und nutzten beides weitläufig aus. Das neue Album heißt "( )", die Songs tragen allesamt keine Titel, im Booklet finden sich keine Texte. Wozu auch, Jón Thór Birgisson hat seine Stimme zum Instrument perfektioniert und singt durchweg in seiner Laut-Fantasie-Sprache "Hopelandic". Und der Hörer ist aufgefordert, eigene Assoziationen in das leere Büchlein zu schreiben. Oder zu malen. "( )" ist ein interaktives Album ohne überflüssige Multimedia-Features geworden.

Die Musik ist der Star - selten hat eine Band dieses Konzept so konsequent umgesetzt. Das kommt dem Hörer entgegen, denn die acht Stücke sind nicht so zugänglich wie die des gelobten Vorgängers "Agaetis Byrjun", diesem erfrischend entrückten Meilenstein jenseits aller Beschreibungen, mit dem Sigur Rós bekannt wurden. Düsterer, getragener, orchestraler fallen die Songs auf "( )" aus. Der Sound ist rauer und atmosphärisch dichter, ähnlich wie bei einem Live-Mitschnitt. Die komplexen Arrangements lassen noch weniger Strukturen erkennen. Alles ist im Fluss, doch der plätschert vor allem in der zweiten Hälfte nicht mehr so sanft dahin. Die bittersüßen Melodien vom Einstieg weichen, die Dramen werden bis zu 13 Minuten lang, die Traumlandschaften mutieren zu Albträumen.

Sigur Rós erinnern sich also ihrer Anfänge und an ihr Debütalbum. "Von", so der Name, geriet 1997 allerdings so sperrig, dass die nachfolgenden Songs sich im Vergleich wie Charthits ausnehmen. Diese Platte macht da keine Ausnahme. Man muss ihr nur ein wenig Zeit geben.

Trackliste

  1. 1. Track Eins
  2. 2. Track Zwei
  3. 3. Track Drei
  4. 4. Track Vier
  5. 5. Track Fünf
  6. 6. Track Sechs
  7. 7. Track Sieben
  8. 8. Track Acht

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Sigur Rós

Erlebt man Sigur Rós das erste Mal live, fragt man sich, ob sich Sänger und Gitarrist Jón Thór Birgisson eigentlich darüber im Klaren ist, was für …

15 Kommentare

  • Vor 21 Jahren

    Den Titel des 3. Albums der Isländer interpretiere ich ganz einfach mal so: Klammer auf, eigene Gedanken und Gefühle, die der Zuhörer beim erforschen der CD durchläuft rein, Klammer zu.

    Und das ist auch gut so, denn was man beim hören dieses musikalischen Meisterwerkes an Emotionen durchläuft ist schlichtweg unbeschreiblich. Man wird in eine Traumwelt entführt aus der man am liebsten nicht wieder weg will. Mehfrache emotionale Orgasmen beim durchhöhren inbegriffen, keiner der (bis zu 13 minütigen) songs vergeht ohne nicht nur einmal bei mir eine dicke Gänsehaut zu hinterlassen. Wunderschöne Arrangements, Streicher, Piano-passagen und natürlich Jón Thór Birgissons unvergleichliche Stimme lassen einen träumen, schweben, gleiten, fliegen, flüchten, tief durchatmen, nachdenken, genießen, oder sie verbreiten wärme, kälte, freiheit, beklemmung, harmonie und lärm ohne dabei auch nur ein stückweit kitschig oder aufgesetzt zu klingen.
    Das ganze ist wie eine anspruchsvolle Geschichte zum selberdenken.
    Entspannt mit einer Tasse Tee auf's Sofa setzen, das Licht dimmen, "( )" in den CD Player, ein Stück Papier raus und einfach mal frei-assoziativ schreiben... ich wette da kommen bei jedem andere schöne Geschichten raus :)

    Ich weiß in letzter Zeit hab ich diese superlative viel zu oft benutzt (dredg, and you will know us by the trail of dead ...) aber "( )" ist für mich dennoch eins DER Alben 2002!

  • Vor 21 Jahren

    ich mag sigur ros auch sehr germe..... schöne atmosphäre die diese band erzeugt. mag ich gerne in ruhigen momenten hören. das neue album kenn ich leider noch nicht, muss ich aber mir mal anhören

  • Vor 21 Jahren

    Ein sehr schönes Album. Nach mehreren Durchläufen komme ich zwar zur Einsicht dass es mir vermutlich nicht annähernd so nachhaltig in Erinnerung bleiben wird wie sein Vorgänger aber das spricht weniger gegen "( )" denn viel mehr für "Agaetis Byrjun".
    Als adäquate Ergänzung empfehle ich das neueste Werk von Godspeed You! Black Emperor.

  • Vor 15 Jahren

    Das ist eine Auktion, ich will gar nicht den Endpreis wissen. :) Dann kommen dazu noch der Versand plus eventuell Zoll hinzu. Wenn ich mich exmatrikuliere, dann kann ich mir 4 solche Dinger leisten, aber so, um Himmels willen!

    Trotzdem danke dir, ich habe auch noch andere Preis- und Informationsquellen, daher bin ich eigentlich gut informiert, was die Preise angeht.

    PS: Hast du mir die Pains Of Being-7" weggeschnappt? :angry:

  • Vor 15 Jahren

    @Daniel (« Das ist eine Auktion, ich will gar nicht den Endpreis wissen. :) Dann kommen dazu noch der Versand plus eventuell Zoll hinzu. Wenn ich mich exmatrikuliere, dann kann ich mir 4 solche Dinger leisten, aber so, um Himmels willen!

    Trotzdem danke dir, ich habe auch noch andere Preis- und Informationsquellen, daher bin ich eigentlich gut informiert, was die Preise angeht.

    PS: Hast du mir die Pains Of Being-7" weggeschnappt? :angry: »):

    nö.

    aber auf die ( ) 40$ geboten :whiz: