laut.de-Kritik

Soll das Abendland doch untergehen!

Review von

"J'adore Hardcore." Was für ein Glaubensbekenntnis. Man möchte ob seiner Schlichtheit ehrfürchtig in die Knie sinken. Scooter, die geächteten Helden des Dancefloors, ringen mir ohnehin Respekt ab: So lange unter Dauerfeuer der Schmähkritik so konsequent sein Ding durchzuziehen, das muss man erst einmal fertig bekommen.

Ob und, wenn überhaupt, welche künstlerische Leistung ihren musikalischen Ergüssen zugrunde liegt, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt. "Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert", lautete das Credo John 'Hanibal' Smiths. Der Boss des A-Teams hätte an H. P. Baxxter und Mitstreitern seine helle Freude.

Was Scooter Fans und Hatern auch vorsetzen: Dass es funktioniert, steht wohl außer Frage. Erstere hüpfen sich wie auf Knopfdruck brüllend das letzte bisschen Verstand raus und treten im Zuge dessen gleich eine ganze Bewegung los. Letztere verziehen ebenso prompt die hoch getragenen Näschen und wittern - nicht, ohne dies lauthals kund zu tun - den Untergang des geschmackssicheren Abendlandes.

Ja, soll es doch absaufen! Im Gegensatz zu manch anderem Zeitgenossen behaupten Scooter wenigstens nicht, mit jedem neuen Album das futuristische Rad neu erfunden zu haben. Das Siegerpferd haben sich die Herren vor Jahren bereits ausgekuckt. Solange die Quoten - sprich: die Chartplatzierungen - für sich sprechen, wird es eben zuschanden geritten. Dann kann man sich gegebenenfalls immer noch nach einem neuen Reittier umsehen.

So gibt sich auch "Under The Radar Over The Top" - ausgehend vom Scooter-Universum - traditionell. Die Soundästhetik: immer die gleiche. Bumm-Bumm-Bumm-Bumm-Jumpstyle-Beats und Synthies, garniert mit H. P. Baxxters ebenso phrasenhaften wie unmissverständlichen Lyrics: "No one understands what the fuck I am about"? Nicht doch! "Raise your hands up to the roof!", das versteht nun wirklich jeder. "Roll the dice!", oder - einmal ist keinmal - "Roll the dice once or twice."

Ihren Ohrwurm-Charakter beziehen Scooter seit jeher aus der Verwurstung altbekannter Titel der vergangenen drei Jahrzehnte. Eingängige Melodien, Mitgröltauglichkeit oder beides: bei der Auswahl der Vorlagen für die oft bis an die Schmerzgrenze gepitchten Hooklines bestimmt keine Ausschlusskriterien.

Was vielerorts als Klau gescholten wird, darf getrost auch als Sampling ausgelegt werden: Baxxter & Co. erschaffen zwar nichts Neues aus dem verwendeten Material, verarbeiten es aber stets zu etwas, das unverkennbar eines ist: Scooter - und damit eine starke Marke.

Diesmal müssen unter anderem der Italodisco-Hit "Ti Sento" (in der gleichnamigen Single), Blacks "Wonderful World" ("The Sound Above My Hair"), "Rainbow In The Sky" des One-Hit-Wonders Starsplash oder Lionel Richies "Stuck On You" ("Stuck On Replay") dran glauben. Missbrauch oder Huldigung? Die Tracks werden es überleben.

Zwei Ausbrüche aus dem gewohnten Schema verzeichnet "Under the Radar ..." dann aber doch: "Clic Clac" verzichtet auf Baxxters markante Vocals. Auf "Second Skin", einem Synthiepop-Track, der direkt den 80ern und dort, wenn schon nicht Depeche Mode, so doch zumindest Camouflage entfleucht sein könnte, schwingt sich der wasserstoffgebleichte Hype(r)-Mann gar zum Gesang auf.

Zeigt der Scooter-Sound etwa erste Auflösungserscheinungen? Werden wir altersmilde? "Stuck On Replay" rückt die Welt wieder gerade. Wie drohte zuvor schon "Bit A Bad Boy"? "We never stop. We'll never get enough. Gonna make you fly!" Was antworten wir da? Aber alle zusammen: "WICKED!!!"!

Trackliste

  1. 1. Stealth
  2. 2. J'adore Hardcore
  3. 3. Ti Sento
  4. 4. State Of Mind
  5. 5. Where The Beats
  6. 6. Bit A Bad Boy
  7. 7. The Sound Above My Hair
  8. 8. See You Smile
  9. 9. Clic Clac
  10. 10. Second Skin
  11. 11. Stuck On Replay
  12. 12. Metropolis

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