laut.de-Kritik

Mit klebrigen Schmachtfetzen durch die Pubertät.

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Der aufgestylte Rock'n'Roll-Look in schwarz-roter Lederoptik, die dunkel umrandeten Augen und der ernste Blick in die Kamera lassen kaum erahnen, dass es sich bei Saphir um gerade mal 13- bis 15-jährige Mädels handelt. Zusammengewürfelt vom Kindersender KIKA, geben die Gören mit dem Album "Saphir" ihr Debüt.

Für jeden ist etwas dabei: Die eher klassisch anmutende Kathrin, die auf androgyn getrimmte Amely und die beiden Teenager-Schönheiten Lea und Jenny, jeweils in den Ausgaben blond bzw. brünett. Bloß kein Zielgruppen-Potential auslassen.

Die Rocker-Attitüde, die auf der Plattenhülle in Szene gesetzt wird, passt nicht so recht zum braven Image der vier Mädchen vom Lande. Aber so lange man keine halbnackten Brüste gezeigt bekommt, muss man ja eigentlich schon positiv gestimmt sein.

Die Single-Release ("Orchester In Mir") kombiniert kitschiges Piano mit leisen Violinen und Kinderstimmchen und dreht daraus einen zielgruppengerechten Schmachtfetzen. "Ganz ohne Warnung treffe ich auf dich / Und du wirfst mich aus der Bahn" - Besungen wird, wie könnte es anders sein, die erste große Liebe, die sprachlos macht, verwirrt, berauscht. Doch von Rausch kann hier nicht die Rede sein.

Zum Pianoklimpern könnte man zwischenzeitlich auch bequem mit "Think Of Me" aus dem Phantom der Oper einstimmen. Ab der zweiten Strophe, mit Einsatz der Percussions, rocken die vier Mädels die Show. Also, sie rocken, wie es auf einer Kinderparty eben zulässig ist. Mit alkoholfreier Bowle, so zuckrig-süß wie Saphirs Gesang, und mit dem obligatorischen Slowdance, bei dem alle sich angesichts der bevorstehenden Partnerwahl und dem folgenden Engtanz unangenehm berührt fühlen.

"Meine Stadt", mein Zuhause, mein Block? Nee. Außer der Referenz an die heimatliche Verbundenheit haben Rüpel-Rapper Sido und Saphir nichts gemein. Isolationsgefühle und Stimmungsschwankungen ("November"), Sehnsucht und emotionale Distanz ("Kälter Als Eis"), Ausbüchsen und Fernweh ("Unsere Welt") - all diese Themen werden auf der Platte verbraten.

Erste Tränen nicht mehr übers aufgeschürfte Knie, sondern über universalen Weltschmerz. Die Freundinnen plaudern munter übers sagenumwobene erste Mal, während man selbst wie ein hässliches Entlein die Auswüchse der Pubertät im Spiegel untersucht.

Zu den Liebeshymnen "Warum" und "Weinst Du", einem Cover der Deutschpop-Band Echt, lässt es sich wunderbar theatralisch ins Kissen weinen. Man bringe milchigen Pianokitsch mit simpler Akustikgitarre zusammen und gebe noch ein bisschen süßliche Kinderstimme dazu - fertig ist die Liebesschnulze. Klebrig wie ein Nimm Zwei am Hosenboden.

"Saphir" umfasst die schablonenhaft ausgeschnittenen und in handliche Häppchen gepressten Gefühlsmomente eines Lebensabschnitts, den niemand wiederholen möchte. Die kaum lyrisch zu nennenden Texte, nach dem Motto "Hauptsache, es reimt sich" zusammengeschustert, vereinen sich mit dem obligatorischen Deutschrockpop-Repertoire, wie man es schon bei Juli oder Christina Stürmer nicht mochte.

Zugestehen muss man den Gören in Anbetracht ihres zarten Alters allerdings ein paar ganz ordentliche Stimmen. Die würden sicher auch völlig ohne Auto-Tune-Korrektur auskommen. Ebenso begrüßenswert ist es, dass sie alle Instrumente selbst einspielen. Ein Mindestmaß an musikalischem Talent kann man Saphir also unterstellen.

Trackliste

  1. 1. November
  2. 2. Meine Stadt
  3. 3. Orchester in mir
  4. 4. Kälter als Eis
  5. 5. Unsere Welt
  6. 6. Warum
  7. 7. Federleicht
  8. 8. Weinst du
  9. 9. Wohin ich auch gehe

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