laut.de-Kritik

Hommage an den größten Sänger der Welt.

Review von

1987, irgendwo in den Weiten Amerikas: Abend für Abend feiern U2 auf ihrer "Joshua Tree"-Tour gigantische Erfolge. Doch Larry Mullen Jr., Adam Clayton und The Edge können sich nicht richtig locker machen, etwas bereitet ihnen Kopfzerbrechen. Sänger Bono schwärmt nämlich von morgens bis abends nur noch von Roy Orbison, dem unnachahmlichen R'n'B-Pop-Crooner mit ins Gesicht gemeißelter Sonnenbrille. Irgendwann hatten seine Kumpels genug von Bonos Gesülze und luden Orbison backstage auf ein Konzert ein, wie The Edge einmal erzählte. Bono sollen daraufhin Freudentränen in die Augen gestiegen sein.

Tja, was ist dran an einem Mann, bei dessen Songs gestandene Rocksänger butterweiche Knie bekommen und über den Elvis Presley einst urteilte, er sei der größte Sänger der Welt? Vorliegende DVD kann die Faszination jedenfalls nicht vollständig klären. 13 Songs aus 32 Jahren Karriere plus zwei laue Videoclips gibts fürs Auge. Ob das alles ist, was die Archive in Sachen Orbison hergeben, bezweifle ich, dennoch herrscht Schmunzelfaktor 2000, wenn Roy mit Schmalztolle und Hornbrille sein "Only The Lonely" schmettert, das ihm 1963 zur ersten Europa-Tournee verhalf (wofür ein US-Künstler damals mächtig Schotter einspielen musste).

Auch "Blue Bayou" stammt wohl aus den frühen 60ern, die s/w-Aufnahme zeigt Roy und seine Mi(e)tmusiker brav in Reih und Glied klampfend. Noch zahmer sitzt und lauscht das Publikum dem Vokalakrobaten, nachzusehen in "Crying", dessen Songtitel von einigen Mädels beinahe zu wörtlich genommen wurde. Dass Roy der Grund ist, scheint heute irgendwie nicht recht nachvollziehbar, so dass es wohl doch der unheimlich cool glitzernde Roy Orbison-Gitarrengurt gewesen sein muss.

Zwischendurch kommt der Meister auch mal selbst zu Wort und lässt ein paar Anekdoten vom Stapel, wie jene, den weltweiten Nummer Eins-Hit "Running Scared" in zehn Minuten geschrieben zu haben. Denn: "Die guten Songs gehen alle schnell, für die weniger guten braucht man dagegen sechs Monate". Klar, dass auch "Oh Pretty Woman" in 30 Minuten fertig war. Der Auftritt stammt wie auch "You Got It" von der Award-Verleihung 1988 zusammen mit Bruce Springsteen und Tom Waits, bei dem der gealterte Rockabilly-Boy nochmal ein Bad in der Menge nehmen durfte.

Bonus-Features beinhalten Interviews mit Orbisons Witwe Barbara und Jeff Lynne, der das posthume Hit-Album "Mystery Girl" fertig stellte. Auch Soap-Darsteller Jason Priestley, der im Video zu "I Drove All Night" mitwirkte, darf seinen Senf absondern und am Ende stößt man auf ein kurioses Nonsens-Feature in Form eines Audio-Vergleiches (Mono zu 5.1-Sound), exemplarisch ausgeführt am Song "Crying". Der Sinn des Ganzen bleibt dem Zuschauer verborgen, der sich stattdessen ein ausführlicheres Portrait des Künstlers Roy Orbison gewünscht hätte.

Trackliste

  1. 1. Go, Go, Go (Down The Line)
  2. 2. In Dreams
  3. 3. Blue Bayou
  4. 4. Ooby Dooby
  5. 5. Only The Lonely
  6. 6. It's Over
  7. 7. Claudette
  8. 8. That Lovin' You Feelin' Again
  9. 9. You Got It
  10. 10. Crying
  11. 11. Walk On
  12. 12. Running Scared
  13. 13. Oh, Pretty Woman
  14. 14. She's A Mystery To Me - Music Video
  15. 15. Crying (with k.d. lang) - Music Video
  16. 16. King Of Hearts/I Drove All Night (Electronic Press Kits)
  17. 17. An Empty Cup (And A Broken Date) - Original Version from 1957
  18. 18. An Empty Cup (And A Broken Date) - Digital Remastered Version
  19. 19. Crying - Mono/5.1 Audio Comparison

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Roy Orbison

Er trug eine dunkle Sonnenbrille und sang über schöne Frauen: So lauten die wohl spontansten Assoziationen, die die Erwähnung des Namens Roy Orbison …

Noch keine Kommentare