laut.de-Kritik

Eine Platte wider den deutschen Oberschenkelkrampf.

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Deutschland, deine Tanzflächen: Durch Robin Schulz, die musikgewordene Tennissocke in einer Herrensandale, hat die ganze Welt momentan einen zweifelhaften Eindruck von aus Deutschland stammender Tanzmusik. Doch wer Ohrenkrebs wie Sangria-Eimer gleichermaßen verschmäht, den rettet nun Marius Lauber alias Roosevelt.

Okay, der Vergleich wirkt weit hergeholt, was aber seinen Symbolcharakter in zumindest einer Sache nicht schmälert. Roosevelt füllt gerade hierzulande eine Lücke – zwischen Clubmusik und hittauglichem Pop. Das kommt nicht von ungefähr, denn der Mittzwanziger hat offenkundig beides internalisiert, ist gleichermaßen als DJ sowie als Instrumentalist in Bands unterwegs.

Das beeindruckte bereits Hot Chips Joe Goddard, dessen Label Greco-Roman folglich sofort den Kontakt zum Kölner herstellte. Beinahe vier Jahre zogen seitdem ins Land, nun veröffentlicht Roosevelt sein selbstbetiteltes Debüt.

Roosevelt strukturiert seine Songs teils nach einfachsten Pop-Schemata, stellenweise schimmert aber das situative Moment eines House-Tracks durch. Während ersteres die Songs sicher für ein breiteres Publikum öffnet ("Colours"), wird es vor allen Dingen dort interessant, wo "Roosevelt" physisch und affektiv wirkt: Unbemerkt erliegt man immer wieder dem Rhythmus der Songs.

Oft bewegt sich das am Rande des Funk wie bei "Hold On", in dem ebenso Noten von Caribou und Toro Y Moi aufblitzen. Das Outro von "Night Moves" mit seinen Arpeggien – ein manischer Segen, der schließlich bereits zu Beginn des Albums sagt: Liebe Mitmenschen, macht euch mal locker. Dies ist eine Platte wider den deutschen Oberschenkelkrampf.

Der Gesang Laubers hingegen erscheint stets zurückhaltend und stellenweise bewusst in den Hintergrund produziert. Das macht dann auch die Anbiederung an klassische Pop-Gesten erträglich, wenn Lauber die bereits angesprochenen "Night Moves" zitiert oder in "Daytona" irgendwas von "bring back the fever again" singt. Doch wer kann einem Themen wie Sehnsuchtsbefriedigung und Geborgenheitsfindung verübeln, wenn die Songs uns allein durch ihren Wohlklang auf der Tanzfläche vergemeinschaften möchten?

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Wait Up
  3. 3. Night Moves
  4. 4. Belong
  5. 5. Moving On
  6. 6. Heart
  7. 7. Colours
  8. 8. Sea
  9. 9. Daytona
  10. 10. Fever
  11. 11. Hold On
  12. 12. Close

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