laut.de-Kritik

Von Spector zu Ramone in 35 Jahren.

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"Ich habe eine Wassermelone getragen." Wer diesen Satz ohne weiteres einem Film zuordnen kann, für den bildet "Be My Baby" von The Ronettes einen festen Bestandteil im Leben. Über den Umweg "Dirty Dancing" hat es der Song mit seinem markanten Schlagzeugopening selbst in die Plattenschränke der Menschen geschafft, die im Grunde gar keine Musik hören. Mit dem Song gelang den Schwestern Estelle und Veronica "Ronnie" Bennett und ihrer Cousine Nedra Telly unter Phil Spectors Anleitung ein Evergreen zum Dahinschmelzen.

"The Very Best Of Ronnie Spector" vereint nun erstmals Band- und Label-übergreifend die Aufnahmen des ersten Bad Girls of Rock'N'Roll. Von den Aufnahmen mit ihrem mittlerweile weggesperrten Ex-Ehemann (1968-1974) bis hin zum Punk. Von Ronnie Spector zu Ronnie Ramone in 35 Jahren.

Die ersten neun Tracks tragen deutlich Phil Spectors DNA in sich. Alles, wofür er berühmt wurde, steckt in Tracks wie "Do I Love You?", "Baby, I Love You" und "(The Best Part Of) Breakin' Up)". Mit "You Baby" findet sich sogar ein älteres Geschwisterchen für "Be My Baby". Alles ist für seine "Wall Of Sound" angerichtet und gipfelt im elysischen "I Can Hear Music". Das gewaltige Schlagzeug, mindestens zwei Bässe, massives Overdubbing, entrückter Hall. Letztlich lässt er im melancholischen "Walking In The Rain" selbst ein Gewitter teil seiner "kleinen Symphonien für Jugendliche" sein.

Nach dem Ende der Ronettes blieb Ronnie Spector eine Suchende. Die Geschlossenheit der ersten Stücke erreicht die Rückschau nicht mehr. In den Charts vernahm man ihre Stimme nur noch einmal. Im Jahr 1986 hörte man sie in Eddie Moneys "Take Me Home Tonight". Dort spielte sie die Rolle des Hook-Mäuschens, lange bevor es den Begriff überhaupt gab.

Dabei fallen gerade in die zweite Phase die spannendsten Aufnahmen. Das von George Harrison geschriebene, tragisch berauschende "Try Some, Buy Some" vereinigt mit John Lennon und Ringo Starr drei Viertel der Beatles. Die gemeinsame Produktion ihres Ehemanns mit Harrison führte zu Spectors Arbeit an "Let It Be".

Aus dem von Bruce Springsteen geschriebenen "You Meen So Much To Me" entsteht ein spontanes Live-Duett mit Southside Johnny And The Asbury Jukes, die energiegeladenste Aufnahme der Kompilation. "Say Goodbye To Hollywood" schrieb Billy Joel einst als Tribut für Ronnie Spector. Dass er beim Schlagzeug an "Be My Baby" gedacht hat, lässt sich nur schwer leugnen. In ihrer Version mit der E Street Band findet ihre zunehmend angekratzt leidvolle Stimme ein überschwängliches Umfeld.

Die Sprünge werden immer wilder. Zwischen saftlosem Achtziger-Soul-Pop-Schlonz ("Love On The Rooftop") und hektischem Power-Pop ("Something's Gonna Happen") verliert sich die Sängerin zeitweise gänzlich. Ihre theatralische Performance in "Farewell To A Sex Symbol" findet unter der sterilen Produktion der frühen 1990er und unzähligen Synthesizern kaum Luft zum Atmen.

Zwei absolute Highlights hebt sich der Longplayer bis zum Schluss auf. Mit "Be My Baby" haben diese jedoch nicht im Ansatz etwas gemeinsam. Im Johnny Thunders-Cover "You Can't Put Your Arms Around a Memory" liefert Joey Ramone die Background-Vocals zu ihrer deutlich gealterten Stimme. Eine grandiose Nummer zwischen Tom Petty und Ramones. In "All I Want", von Amy Rigby geschrieben, greift Keith Richards in die Saiten.

"The Very Best Of Ronnie Spector" verknüpft die Jahre des Ruhms mit dem zweiten Teil von Spectors Karriere. Manchmal wird es eben erst richtig interessant, wenn der Erfolg ausbleibt.

Trackliste

  1. 1. Do I Love You?
  2. 2. So Young
  3. 3. You Baby
  4. 4. Baby, I Love You
  5. 5. Walking In The Rain
  6. 6. (The Best Part Of) Breakin' Up
  7. 7. Be My Baby
  8. 8. I Can Hear Music
  9. 9. Paradise
  10. 10. Try Some, Buy Some
  11. 11. Lover, Lover
  12. 12. You Mean So Much To Me (Live)
  13. 13. Baby Please Don't Go
  14. 14. Say Goodbye To Hollywood
  15. 15. Love On A Rooftop
  16. 16. Something's Gonna Happen
  17. 17. You Can't Put Your Arms Around A Memory
  18. 18. All I Want
  19. 19. Farewell To A Sex Symbol

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