laut.de-Kritik

Happy End eines tragischen Lebens.

Review von

Wenn irgendein Künstler im weiten Universum des Rock'n'Roll den Ehrentitel "Lebende Legende" verdient, ohne dass er der breiten Masse als solche aufgefallen wäre, dann ist das ganz sicher Roky Erickson. Hintergrund: Eine wilde, an persönlicher Tragik kaum zu überbietende Lebensgeschichte, die in ihren dunkelsten Teilen schwer an Ken Keseys Bestseller "Einer flog über das Kuckucksnest" erinnert.

Kesey entwickelte die Grundidee zu seinem Roman in den frühen 60ern, als er von LSD angetörnt in einer psychiatrischen Anstalt nahe San Franciscos den Pförtner markierte. Etwa zehn Jahre später fuhr ein vom Musikantenleben mit den Thirteen Floor Elevators und extensivem Drogenkonsum gezeichneter Erickson in das Rusk State Hospital For The Criminally Insane ein, wo man ihn mit Elektroschocks und Thorazin "behandelte".

Kein Wunder, dass er daraufhin in seiner zweiten Karriere als Roky & The Aliens mit Vorliebe von UFOs, Dämonen, zweiköpfigen Hunden und ähnlichem Getier sang. Ein Wunder alllerdings, dass er überhaupt noch sang.

Dass uns Roky nun anno 2010, über 20 Jahre nach seiner letzten LP, nochmals mit einem Album beglückt, ist hingegen geradezu unglaublich. Und auch ein Verdienst von Will Sheff, dem Kopf von Okkervil River, der gleichzeitig als Produzent der Platte fungiert. Das Material auf "True Love Cast Out All Evil" ist ein Konvolut von Roky-Kompositionen der letzten dreißig Jahre, aus dem Roky und Will gemeinsam ein Dutzend Stücke ausgewählt haben.

Dem Titel des Albums entsprechend singt sich der altersweise Haudegen milde und kein bisschen verbittert durch die fast durchweg getragenen Songs. Mal bluesig, mal pop-psychedelisch, mal soul-folkig angehaucht erinnert er sich vergangener Tage, beschwört die Liebe und vertraut auf Gott. Musikalisch sehr solide unterstützen ihn dabei Okkervil River, die ihm nun auch bei den seltenen Liveauftritten zu Diensten stehen. Der Sound ist so erdig und dick, wie man ihn sich auch auf seinen früheren Studio-LPs gewünscht hätte.

"True Love Cast Out All Evil" ist ein sehr persönliches, ganz spezielles Album, das genau die Facetten von Ericksons Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt, die beim Zombiejäger früherer Tage nicht so sehr beleuchtet wurden. Ähnlich wie bei Johnny Cash, der unter Rick Rubins Regie im hohen Alter nochmals eine neue musikalische Seite von sich entdeckte und auslebte, zeigt Roky hier, wie viel Wahrhaftigkeit und wieviel Soul in ihm steckt.

Mit "Forever", "Think Of As One", "Ain't Blues Too Bad" und dem großartigen "Goodbye Sweet Dreams" enthält die Platte auch gleich mehrere wunderbare Beispiele dafür, welch großartiger Songwriter und Sänger dieser Roger Kynard Erickson doch ist. So fügt "True Love Cast Out All Evil" einer sehr verschlungenen Lebensgeschichte und Karriere ein weiteres, schön versöhnliches Kapitel hinzu, das hoffentlich nicht das letzte bleibt. Denn eigentlich hat sie gerade erst begonnen, Rokys dritte Karriere, diesmal mit ihm als leicht verschrobener vollbärtiger Prediger der Liebe und Gelassenheit.

Trackliste

  1. 1. Devotional Number One
  2. 2. Ain’t Blues Too Sad
  3. 3. Goodbye Sweet Dreams
  4. 4. Be And Bring Me Home
  5. 5. Bring Back The Past
  6. 6. Please Judge
  7. 7. John Lawman
  8. 8. True Love Cast Out All Evil
  9. 9. Forever
  10. 10. Think Of As One
  11. 11. Birds’d Crash
  12. 12. God Is Everywhere

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