laut.de-Kritik

Lass dich niemals mit Schnaps und dicken Mädchen ein!

Review von

"R-warte das Unerwartete, hier nimm' es!" Damit versprechen die Kölner mal nicht zu viel. Angesichts des übel trashigen Coverartworks, hätte ich mit vielem gerechnet, aber nicht mit derart entspanntem Sound, der in Form des "Introh"s aus der Box tropft.

"Funky shit" strickt Jay Baez da. Satte Bläser verdichten die angenehm duselige Kulisse, in der GranTill und Ninjoe lässig "willkommen in unserem Leben heißen, bekifft (und entsprechend wenig gestresst) die Übersichtlichkeit des eigenen Erfolgs resümieren und ganz unverkrampft mit den Titeln der Tracks spielen, die am Horizont heraufziehen.

Noch ehe man sich in der wohligen Behaglichkeit allzu gemütlich eingerichtet hat, verdüstert sich der Himmel, macht Platz für "R.O.H. Muzik" und lehrt, nur eins ist gewiss: "O-h nein, nicht das Übliche, Junge. Wir sind es!" Ganz und gar nicht "Schlechter Als Erwartet" präsentiert sich der Nachfolger zu "All You Can Eat" aus dem Jahr 2006. Stattdessen regiert von Beginn an die musikalische Vielfalt.

Aus tiefster, verkaterter Seele grummelt der Drumkidz-Beat zu "Mir Egal". An anderen Stellen setzen Bläser ("Schnaps Und Dicke Mädchen", "Politics"), orientalisch gefärbte Saitenflirrereien ("So Schön"), melancholisches Pianogeklimper ("Lied Ohne Namen") oder Helium-geschwängerte Zwischenrufe angemessene Akzente.

Selbst für die Skits betreiben die Kölner amtlichen Aufwand, organisieren einen wahrhaft theatralischen Aufmarsch für "Volker Putt" und ein Streicheraufgebot, um das letzte Röcheln in "Ich Schaffs Nicht Mehr" zu untermalen.

Den produktionstechnischen Lukas schlägt Al Terego mit seinem "Roadtrip": Was wie ein schwachbrüstiger Klingelton anhebt, bekommt im Verlauf mit einer Akustikgitarre einen Country-Hau eingeprügelt, bis die Nummer groovt wie nichts Gutes.

Raptechnisch gestalten sich die derben Ansagen in "Applaus Für Scheiße" am interessantesten, was zweifellos an den von Ercandize, Sinuhe, Inzoe und Daez im Gepäck geführten, unterschiedlichen Styles liegt. Ein geschickt gesetzter Bass sorgt für die nötige Konstanz und hält Track und Protagonistenschar zusammen.

Unberechenbar, sprunghaft, im besten Sinne ungeschliffen folgen die Rohdiamanten keiner Konvention. Bieten sie - "Ich Mach Das Für Dich" - eben noch gemeinsam mit dem Retrogott großzügig Hilfe in jeder prekären Lebenslage feil, stopfen sie einem imaginären Gegenüber anschließend die Fresse mit fünf Pfund Spaghetti, nur um kurz drauf die Einsamkeit dessen zu sezieren, der konsequent seinen eigenen Film fährt.

Ein Ausflug nach Amsterdam, radikale Pläne, um unzulänglicher Politik Einhalt zu gebieten, herrlich kranke Selbstüberschätzung: Bei der Themenwahl legt das Kölner Doppel die herzerfrischende Unbekümmertheit der Orsons an den Tag, ohne dabei ähnlich in eine Klamauk-Ecke abzugleiten. "Ja, Mann. Das kriegen wir hin."

"H-alt deine Hand hoch, ball' eine Faust draus, steck' dein' Kopf in Brand - und dann schreis raus!" Ja, was denn?! Ewig gültige Wahrheiten, vielleicht? Nie verjährt schließlich ein Ratschlag des Kalibers "Lass' dich niemals mit Schnaps und dicken Mädchen ein." Beides kann bekanntlich üble Nachwehen nach sich ziehen.

Kein Grund offenbar, nicht Badelatschen und Liegestuhl auszupacken, sich die Sonne auf den Sixpack (gekühlt schlägt antrainiert um Längen) scheinen, und das Handy ungerührt klingeln zu lassen. Schließlich gehts darum, zu "Fühlen Das Ich Leb". Wen kümmert da schon geltende Rechtschreibung?

Trackliste

  1. 1. Introh
  2. 2. R.O.H. Muzik
  3. 3. Ich Mach Das Für Dich mit Retrogott
  4. 4. Volker Putt (Skit)
  5. 5. Oberkante Unterlippe
  6. 6. Lied Ohne Namen
  7. 7. Ich Schaffs Nicht Mehr (Skit)
  8. 8. Schnaps Und Dicke Mädchen mit Willi
  9. 9. Mir Egal
  10. 10. Politics
  11. 11. So Schön
  12. 12. Roadtrip
  13. 13. Fühlen Das Ich Leb mit Eylem
  14. 14. Applaus für Scheisse mit Ercandize, Sinuhe, Daez, Inzoe
  15. 15. Outroh

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3 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    Snippet hört sich gut an, werde ich mir mal geben das Album!

  • Vor 14 Jahren

    Irgendwie klingt das Album wie ne Mischung aus KIZ und Prinz Pi ;-) Es geht bisschen schwach los, mit dem typisch-langweiligen "wir sind anders" Track zu dem sich jeder Nicht-Gangsta-Rapper verplichtet fühlt, aber dann gehts los mit Witz, Charme und geilen Wortspielen.
    4/5 geht locker klar, und bei dem Müll der hierzulande erscheint wohl auch schon ein Platz unter den Top10 des Jahres ;-)

  • Vor 6 Jahren

    Cologne's most underrated. Schade, dass die Jungs so wenig Beachtung gefunden haben.

    4/5 auf jeden Fall gerechtfertigt. Für den 5 Punkt fehlt dann aber doch noch ein klein wenig. Schade, dass auf den besten Bonus-Hidden-Special-Track "Mach wie ein Affe macht" nicht eingegangen wurde.

    Wen es interessiert: Nynjoe geleast nach wie vor Tracks und EPs. Und abgelichtet kommt sogar bald ein neues Bastlaz Album.