laut.de-Kritik

Single Malt oder Orangenlimo? Meskalin oder echte Emotion?

Review von

Ein hierzulande noch recht unbekanntes Gesicht tritt auf den Plan: Robert Francis, 22 Jahre jung, gutaussehend, ohne Overstyle macht in seiner Heimat USA von sich reden. Nun bespringt er mit seinem zweiten Werk "Before Nightfall" auch den deutschen Markt.

Das schlicht schwarz-weiße Cover zeigt den Gitarrenbarden und Sängerknaben mit nacktem Oberkörper, geschlossenen Augen und gebetsartiger Geste im Bett. Um die potentiellen weiblichen Fans nicht direkt abzuschrecken, ist eine Frau neben ihm nur andeutungsweise zu sehen. Nachdenklich, versonnen, melancholisch: So gibt sich Robert nicht nur gern auf Bildern und in Videos.

Auch seine Platte will vor allem eines sein: Poetischer, emotional getexteter American Rock, gewürzt mit etwas Folk und Country. Wenn man den Stil des Singer/Songwriters nicht als pathetisch bezeichnen möchte, kann man sich wohl auf romantisch einigen.

Mit hell klimperndem Piano und wenig experimentierfreudigen Schlagzeugarrangements schwurbelt sich "Darkness" zu Beginn hoch: "I never was the one for you / You never were the one for me". Das Thema der Platte ist schnell ausgemacht: die verlorene, die schmerzhafte, die unmögliche Liebe.

Als konventionelle Indierock-Nummer geht die Single "Junebug" durch, die sich in der zweiten Strophe mit viel Percussion und Gitarre fast an U2 versucht. Im Radio kommt niemand an dem Song vorbei: Seine Eingängigkeit ist geradezu penetrant.

"Nightfall" ist klassischer Countryfolk mit Blues-Elementen und ein paar gospelartigen Backing Vocals, die von Joe Cockers "A Little Help From My Friends" inspiriert sein könnten. Auch andere Vorbilder blitzen auf: Bob Dylans Einfluss ist kaum zu überhören. Besonders "Knockin' On Heaven's Door" scheint dem Jungen beim Schreiben des Songs in den Sinn gekommen zu sein.

"Climb A Mountain" hört sich nach intimer Schlafzimmer-Session an: Schlagzeug, Gitarre und E-Piano sind bloße Begleitung, dem Gesang gilt die volle Aufmerksamkeit. Mit "I Like The Air" gehts auf die Straße: Ein schöner Road-Trip-Country-Blues, bei dem man lässig die Kippe aus dem offenen Fenster des Dodge schnippt - und den jungen Robert vom Beifahrersitz aus anhimmelt.

"Keep On Running" klingt wie eine Verfolgungsjagd durch die Wüste Kaliforniens. "We gotta get out of here before the cops start coming" - ein bissel Bonny und Clyde-Feeling muss halt auch mal sein. "Do What I Can" handelt von verschwundener Jugend, verlorener Leichtigkeit und grausamer Liebe.

Ein bisschen Rauch und Heiserkeit in der Stimme wie Louis Armstrong, ein bisschen Seelenqual in der Musik wie Jeff Buckley - das wirkt vielleicht stellenweise etwas aufgesetzt. Doch hier scheint jemand durchaus zu wissen, wovon er spricht.

"One By One" gibt sich im Text ebenfalls wehmütig: "And I lost all the things that I loved in you / From losing myself in each other like we used to do". Langsam kriegt man dann doch genug von dem Jungen, der schwermütig seine emotionalen Miseren verarbeitet und sich dabei ständig im Posen übt.

Robert kreiert dennoch assoziative Textgebilde, die nicht plump aufgetischt und fertig serviert werden, sondern subtil von Liebe am Rande der Selbstzerstörung erzählen. "You're a love desaster / Your heart beats faster / When it's with mine" heißt es in "Mescaline" zwischen Indieballade und Bluesnummer. Das Herz schlägt schneller - Meskalin-Einfluss oder doch echte Emotionen?

Genau diese Frage bleibt offen. Man ist unsicher, ob Roberts Melancholie nicht mehr Attitüde als Charakterzug ist. Tut er nur so unergründlich und gedankenverloren, wie er in einigen der Songs klingt, oder ist er wirklich so? Pseudo-Herzscheiße oder authentische Gefühle?

Für welche Seite man sich auch entscheiden mag - Roberts Blues bleibt schnörkellos, manchmal larmoyant und meist ohne besondere Ecken und Kanten. Zwar schmeckt man eindeutig die American Westcoast heraus, das Salz der Wüste und des Wassers. Der staubige Sand knirscht zwischen den Zähnen. Aber anstatt ihn mit einem ordentlichen Schluck Single Malt runterzuspülen, trinkt Robert zu oft Orangenlimonade.

Trackliste

  1. 1. Darkness
  2. 2. Junebug
  3. 3. Nightfall
  4. 4. Climb A Mountain
  5. 5. I Like The Air
  6. 6. Keep On Running
  7. 7. Mescaline
  8. 8. Where You Came From
  9. 9. One By One
  10. 10. Hallways
  11. 11. Playground
  12. 12. Do What I Can

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