30. Oktober 2011

"Wir haben nicht nur Gold geschürft"

Interview geführt von

Bruce Dickinson weilt mittlerweile seit über einem halben Jahrhundert auf diesem Erdball und gilt seit dreißig Jahren als eine der prägnantesten Stimmen der Heavy Metal-Szene. Dass der Sohnemann von Bruce nicht auf dem Bau seine Schichten abreißt, sondern emsig in Papas übergroßen Fußstapfen stapft, dürfte also genauso wenig überraschen, wie ein Sonnentag im Juli. Und so präsentiert sich Austin Dickinson seit gut vier Jahren als Frontmann der britischen Metal-Core-Band Rise To Remain.Kerrang Award, Metal Hammer Award und eine dicke Support-Tour mit den eisernen Jungfrauen geben mittlerweile eine heiße Vita ab - im vereinten Königreich ist das Geschrei besonders groß ob der neuen Metal-Core-Hoffnung aus der Heimat. Rise To Remain gehören zum Angesagtesten, was das britische Metal-Lager derzeit zu bieten hat. Vitamin B hin oder her, letztlich zählt die erbrachte Leistung, und die kann sich auf dem Debütalbum "City Of Vultures" durchaus hören lassen. Grund genug, "The Number Of The Beast" zu wählen, um mit Austin Dickinson kurz vor dem Debüt-Release über den derzeitigen Stand der Dinge im Lager von Rise To Remain zu sprechen.

Hi Austin, in wenigen Tagen erscheint euer Debutalbum "City Of Vultures". Ihr habt lange auf diesen Tag hingearbeitet. Wie groß ist die Vorfreude?

Austin: Unbeschreiblich groß. Wir können es wirklich kaum noch erwarten. Die Scheibe spiegelt genau das wieder, wofür die Band steht und zeigt, wie hart wir in den letzten Jahren gearbeitet haben. Es ist wie ein Traum, der in Erfüllung geht.

Das klingt auch ein wenig nach Befreiung. Ihr habt ja bereits im Vorfeld schon diverse Vorschusslorbeeren geerntet, wenn ich da an den Kerrang-Award und den Metal Hammer-Award denke. Haben euch diese Auszeichnungen hinsichtlich der Albumaufnahmen angetrieben oder eher gelähmt?

Austin: Um ehrlich zu sein, der Druck war schon immens. Es ist natürlich schön, wenn sich Dinge kontinuierlich entwickeln und du feststellst, dass dein Traum immer mehr zur Realität wird. Aber normalerweise ist der Weg ein anderer, als der, der uns vorbestimmt war. In der Regel erhältst du die ersten Preise nach deinem Debüt und nicht schon vorher (lacht). Bei uns lief es irgendwie andersrum, obwohl wir ja auch schon zwei EPs veröffentlicht hatten. Ich will die Preise nicht missen und ich fühle mich geehrt, aber dadurch wurde der Druck vor den Aufnahmen natürlich nicht geringer.

Denkst du, dass ihr ohne diesen Druck vielleicht noch etwas mehr hättet rausholen können?

Austin: Nein, das würde ich nicht sagen. Wir sind zu 100 % glücklich mit dem Ergebnis. Der Druck war auch eher vor den Recordings präsent. Als es dann ins Studio ging, waren wir alle fokussiert auf die Arbeit und hatten weder die Zeit, noch die Muße, uns mit Dingen außerhalb der Studioarbeit zu beschäftigen.

Das kann ich gut verstehen. Das Album klingt auch nicht nach einer Band, die die Hosen voll hat.

Austin: (Lacht) Das will ich doch hoffen.

"City Of Vultures" hört sich sehr ausgewogen und kompakt an. Ihr habt auf der einen Seite sehr intensive und brutale Passagen und auf der anderen Seite sehr melodische und fast schon epische Momente zu bieten. Gibst du mir da Recht?

Austin: Ja, grundsätzlich schon, wobei ich noch mehr in dem Album finde. Es geht nicht nur um die Balance zwischen laut und leise. Ich denke, das Album hat sehr experimentelle Züge und bietet viel Abwechslung. Wir haben versucht, so viel es geht zuzulassen, damit keine Langeweile entsteht. Wenn ich Songs höre, die in den ersten zwei oder drei Minuten interessant klingen und sich dann nur noch wiederholen, ärgere ich mich immer. Das wollten wir vermeiden, und ich glaube, das ist uns auch ganz gut gelungen.

"Wir haben nicht nur Gold geschürft"

Welchen Anteil hatte Produzent Colin Richardson am Endresultat?

Austin: Definitiv einen sehr großen, keine Frage. Wir alle kannten seine Arbeiten aus der Vergangenheit. Ich meine, hör dir die Machine Head-Alben an, die er produziert hat; die blasen dich weg. Genau das wollten wir auch. Wir haben das Album in Chesterfield aufgenommen, abseits von jeglicher Zivilisation. Es war eine tolle Erfahrung, mit ihm zu arbeiten, und wir sind alle mächtig froh, dass wir ihn für unser Debüt gewinnen konnten.

Wann habt ihr eigentlich angefangen, Material zusammenzutragen?

Austin: Wir haben letztes Jahr im Sommer angefangen, Songs zu schreiben und Ideen festzuhalten. Im Dezember waren wir dann mit den Aufnahmen fertig. Das Mixen zog sich noch bis Januar hin und seitdem ist die Scheibe im Kasten.

Eine ganz schön lange Wartezeit bis zum Release im September, oder?

Austin: Ja, absolut. Länger hätten wir es jetzt auch nicht mehr ausgehalten. Die Warterei macht einen echt kirre.

Bei all dem derzeitigen Hype um euch scheint dir aber auch so einiges gegen den Strich zu gehen; anders kann ich mir den Titel "City Of Vultures" und die Texte auf dem Album schwer erklären. Wie siehst du das?

Austin: Je glänzender die Oberfläche scheint, um so düsterer sieht es da drunter aus. Wir haben seit unseren Anfängen nicht nur Gold geschürft. Es gab immer wieder Momente, die uns aufgezeigt haben, wie egoistisch und falsch Menschen doch sein können, wenn Geld im Spiel ist. Das ist auch eines der Haupt-Themen auf dem Album, und da fühlt man sich bisweilen wie in einer Stadt voller Geier. Wichtig ist nur, dass du deinen eigenen Weg findest damit umzugehen und daraus deine Schlüsse zu ziehen, so dass du am Ende immer im Licht stehst, verstehst du?

Ich denke schon. Die Leute von der EMI scheinen aber nicht zu der Sorte Menschen zu gehören?

Austin: (Lacht) Ich hoffe nicht; bisher läuft jedenfalls alles bestens. Es ist für uns immer noch total surreal, dass wir bei einem Major untergekommen sind. Der Moment, wenn du als junger Musiker deine Unterschrift unter einen Vertrag bei einem Label setzt, ist einfach unbeschreiblich. Wenn es dann auch noch ein Major ist, musst du dich schon das eine oder andere mal zwicken, um dir bewusst zu werden, was da gerade passiert.

Von mir aus könnte es die nächsten zwanzig Jahre so weitergehen

Als Sohn von Bruce Dickinson wird in Bezug auf euren derzeitigen Aufstieg oftmals vom sogenannten "Vitamin B" gesprochen. Nervt dich das?

Austin: Nun, einerseits kann ich die Leute verstehen, denn auf den ersten Blick erscheint es offensichtlich, dass er uns Türen geöffnet hat. Aber es blieb letztlich bei Erfahrungsberichten, Tipps, Tricks und typischen Vater-Sohn-Gesprächen, die sicherlich geholfen haben, aber wenig damit zu tun haben, wo wir heute als Band stehen. Wir haben uns alles selber erarbeitet.

Hat er dir je vom Rock-Zirkus abgeraten?

Austin: Er hat immer gesagt: "Don't fuck the shit up" (lacht).

Das hast du bisher, glaube ich, ganz gut hinbekommen.

Austin: Ich denke auch.

Mittlerweile habt ihr auch an Orten gespielt, wo andere Bands auch nach zwanzig Jahren noch nicht hingekommen sind. Wie war es für euch beispielsweise in Russland oder Singapur aufzutreten?

Austin: Das waren definitiv mit die unglaublichsten Momente bisher, ohne Zweifel. Das ist schon eine völlig andere Welt. Die Leute, die Kultur, die Umgebung, die Reaktionen: Alles war irgendwie anders und inspirierend. Wir würden uns auf jeden Fall freuen, wenn wir irgendwann noch einmal die Möglichkeit hätten, dort zu spielen.

Zumal die Produktion (Rise To Remain spielten als Vorgruppe von Iron Maiden) euren bisherigen Rahmen gesprengt haben dürfte, oder?

Austin: Oh ja, die Dates auf der "Final Frontier World Tour" waren schon krass. Das ist normalerweise nicht unsere Größenordnung.

The Bigger, the better? Oder bevorzugst du eher die verschwitzten Clubs?

Austin: Wichtig ist einfach nur, dass der Vibe stimmt. Wenn in einer Halle vor zehntausend Leuten keine Stimmung aufkommt, trägst du denselben Frust mit dir rum, als wären nur zweihundert Leute anwesend. Umgekehrt ist es genauso. Ich liebe es einfach, wenn die Leute ausrasten, die Stimmung passt und du das Gefühl hast, eins zu werden mit der Location; egal wo und mit wie vielen Menschen. Natürlich ist eine Bühne, wie sie Iron Maiden haben, der Traum eines jeden jungen Metal-Musikers, aber letztlich geht es doch um die Intensität. Und die kann in einem kleinen Club genauso mitreißend sein, wie in einer großen Arena.

Davon dürfen sich demnächst vor allem die Briten überzeugen, richtig?

Austin: Ja, richtig. Bis Ende September spielen wir eine Headliner-Tour in unserer Heimat, bevor wir uns Mitte Oktober über den großen Teich machen, um Anthrax und Testament zu supporten. Danach geht es mit In Flames und Trivium wieder in Europa rund.

Klingt nach Akkord-Arbeit.

Austin: So soll es sein. Von mir aus könnte es die nächsten zwanzig Jahre so weitergehen.

Dein Wort in Gottes Ohr. Hab Dank für das Gespräch.

Austin: Gern geschehen.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Rise To Remain

London! Welch große Bands diese Stadt doch hervorbrachte. Von den Stones über Pink Floyd bis hin zu Queen, den Sex Pistols oder Deep Purple. Doch auch …

Noch keine Kommentare