25. Mai 2007

"Jan Delay finde ich zum Kotzen!"

Interview geführt von

The Artist formerly known as Prinz Porno wartet sechs Monate nach seinem Meilenstein "Donnerwetter" bereits mit dem nächsten Release "Das PrinzIp Prinz Pi" auf, und tourt währenddessen fröhlich mit Newcomer Kollegah und den Berliner Slapstickern von K.I.Z. durch Deutschland. Für die laut.de Hip Hop-Fraktion ein willkommener Grund, den Berliner im Rahmen eines Betriebsausflugs nach Freiburg in die Mangel zu nehmen.Drei ist eine besondere Zahl, das weiß jeder. Erst ab drei Leuten ist eine absolute Mehrheit möglich. Geometrische Formen mit weniger als drei Fixpunkten erweisen sich als erschreckend unspannend. Gott ist dreifaltig, und früher, als Zahnbürsten noch keinen Motor hatten, musste man sich dreimal täglich die Beißerchen schrubben. Auch in der Rapszene hat die Drei eine besondere Bedeutung: Nicht nur, weil viele Wortartisten sich gerne so präsentieren, als könnten sie nicht so weit zählen, sondern auch, weil eine traditionelle Rapkapelle aus drei Mitgliedern - MC, DJ, Produzent - besteht.

Gruselig wird es allerdings, wenn drei Rapverrückte auf ein Konzert mit drei Liveacts gehen, um den dreiunddreißigsten Geburtstag von Yo Mama Fromm zu zelebrieren. Zumindest so gruselig, dass drei Bier pro Nase definitiv nicht mehr ausreichen und wir zum After-Show-Interviewtermin betrunken erscheinen wie drei oder wahlweise auch zehn Russen. Laut.de versucht sich im Gonzojournalismus, und der Prinz des Deutschrap beweist glücklicherweise genug Humor: Er weigert sich, uns zu beleidigen und bietet an, sich notfalls selbst zu interviewen.

Gässlein: Ja, okay, ich habe aber vorher noch ein paar Fragen. Die habe ich mir gerade eben ausgedacht. Danach kannst du dich gerne selbst interviewen.

Das mache ich am liebsten.

Du bist ja neben deiner Rapkarriere auch Designstudent. In welchem Semester?

Ich bin jetzt im zehnten Semester und scheinfrei, und ich werde dieses Semester voraussichtlich mein Diplom machen. Danach kommt vermutlich so ein Post-Graduierten-Kurs, ein Doktoranden-Seminar, damit ich noch meinen Doktor in Kulturwissenschaften machen kann. Aber nicht auf die Pizza setzen hier!

Entschuldige. Ich kenne selbst ein paar Designstudenten, und die sind echt schwer ausgelastet, allein mit ihrem Studium. Denkst du, es wird Auswirkungen auf dein kreatives Schaffen haben, wenn du jetzt dein Diplom machst?

Nein, gar nicht. Ich habe die Uni bisher immer relativ leicht genommen und denke, dass man gerade das Diplom mit seinen privaten Projekten gut verknüpfen kann. Ich werde mir natürlich ein Thema aussuchen, das mich interessiert, und ich denke, das kann ich mit meiner normalen Arbeit - ich arbeite ja vollberuflich als Grafikdesigner - ganz gut verknüpfen.

Eine Frage zu deinem letzten Album "Donnerwetter": Du hast im Track "Keine Idole" eine Zeile gegen Angela Merkel. Wie sehr beschäftigt dich Politik, und wie würdest du die bisherige Arbeit der Kanzlerin bewerten?

Mittlerweile muss ich sagen, dass Frau Merkel mich etwas positiv überrascht hat. Erstaunlich finde ich, wie sie Deutschland nach außen hin repräsentiert. Das hätte ich nicht gedacht. Sie hat halt gerade am Anfang ihrer Amtszeit, zum Beispiel bei den Anti-Raucher-Gesetzen, große Inkompetenz bewiesen. Das war schon eine Blamage. Das Problem an der deutschen Politik ist, dass man immer nur zwischen mehreren Übeln wählen kann. Es gibt keine Partei oder auch nur einen Kandidaten, hinter dem ich zu 100% stehen könnte. Politik interessiert mich schon sehr, aber eher die internationale als die innerdeutsche.

Wenn du sagst, man müsste sich immer zwischen zwei Übeln entscheiden: Hast du bei der letzten Bundestagswahl gewählt, und wenn ja, dann was?

Ja, habe ich. Ich habe aus Trotz die Grünen und die FDP gewählt.

Okay, eine ganz andere Frage. Du bist gerade mit Kollegah auf Tour, und wie du sicherlich weißt, hat Kollegah vor ein paar Wochen Separate gedisst, der wiederum einer deiner langjährigen Wegbegleiter ist. Was hältst du davon? Nervt dich das? Ergreifst du Partei?

Ich muss dazu sagen: Als ich mich dazu entschlossen habe, mit Kollegah auf Tour zu gehen, gab es diesen Beef noch nicht. Der ist sozusagen erst während der Tour entstanden. Allerdings möchte ich mich zu diesem Thema jetzt auch nicht wirklich äußern.

Okay. Du warst jetzt innerhalb von eineinhalb Jahren dreimal auf Tour, oder?

Nee, nicht ganz. Letztes Jahr war die erste, das jetzt ist die zweite.

Du studierst, gehst auf Tour, releast ein Album nach dem nächsten, designst deine ganzen Releases auch noch und leitest die geschäftlichen Belange deines eigenen Labels. Bist du ein Workaholic?

Naja, das stimmt schon auf jeden Fall. Aber man muss dazu sagen, dass ich bei dem Label nicht direkt die geschäftlichen Belange mache. Ich mache eigentlich die Grafik, für das Geschäft an sich sind zwei Leute zuständig, mit denen ich die Firma No Peanuts zusammen gegründet habe. Und wegen Uni: Ich weiß nicht, wie es da bei dir ist mit Klausuren und so, aber ich bin ja an einer Kunst-Uni, und wir haben nicht so viele tägliche oder wöchentliche Verpflichtungen, bei denen wir immer erscheinen müssen. Wir haben da halt unsere Projekte, die wir am Ende präsentieren müssen. Aber natürlich hast du Recht: Ich mache schon sehr sehr viel, auch viele unterschiedliche Sachen, und ich kann ohne diese Arbeit auch gar nicht leben.

Okay, eine letzte Frage habe ich noch: Meine Kollegin Fromm hier hat heute Geburtstag ...

Oh. Herzlichen Glückwunsch!

...und ich hab jetzt ja keine Ahnung, ob du Lust hättest auf einen Freestyle?

Einen Freestyle? Oh. Das hab ich schon lange nicht mehr gemacht. Nein, lasst mal gut sein, da würde ich mich nur blamieren.

Fromm: Schade...

Na hey, weißt du ... wenn ich früher gefreestyled habe, habe ich das nur gemacht, um Leute zu batteln. Und ich könnte dich jetzt natürlich auf die eine oder andere Art und Weise beleidigen, aber das will ich nicht, und schon gar nicht an deinem Geburtstag.

Betrunkener Fotograf Ahner aus dem Off: Na dann nimm doch einfach mich!

Ne, bei dir habe ich ja überhaupt keine Angriffsfläche. Ich hätte auch gerne so einen Bart wie du. Nein, mir haben diese Freestyles, wie sie früher üblich waren, nie so wirklich gelegen, das fand ich zu langweilig. Ich mochte diese Battlefreestyles, in denen es darum ging, den anderen möglichst gekonnt platt zu machen. Aber das funktioniert natürlich, ebenso wie bei einem Boxkampf, leichter, wenn einem der andere erst einmal eine Vorgabe liefert.

Gässlein: Also müsste ich dich jetzt einfach nur stilvoll beleidigen?

(Lacht) Ja, aber trotzdem würde ich jetzt keinen Freestyle machen.

Slick One unterbricht das Interview mit einer organisatorischen Frage, bringt die Fragesteller aus dem Konzept und rettet Pi somit den Kragen.

Okay, dann kommen jetzt meine eigenen Fragen. Meine Wunschfragen. Stellt ihr das dann auch so dar, als ob ihr die gestellt hättet?

Gässlein: Nein, wir stellen das ganz genau so dar, wie es jetzt abläuft.

Prinz Pi interviewt sich selbst

Okay, alles klar. Die erste Frage: Prinz Pi ... Ich habe deine Rapkarriere schon lange verfolgt. Eigentlich schon seit dem ersten Tag. Gewissermaßen schon davor. Ich habe dich schon oft gesehen, im Spiegel vor dem Badezimmer (muss grinsend unterbrechen, weil Kollegin Fromm schallend lacht). Ich finde deine Sachen mal ganz gut, mal finde ich sie richtig scheiße. Wie findest du deine Sachen denn selbst?

Ja, das ist eine gute Frage, eine schwierige Frage. Und ich danke dir auch, dass du mir die Frage gestellt hast. Mein nächstes Album kommt übrigens im Dezember raus, und es wird vom Arbeitsaufwand so groß sein wie "Donnerwetter", wahrscheinlich sogar noch größer. Man kann jetzt schon sagen, dass es ein ziemlich epochales Meisterwerk sein wird ...

Du nimmst dich selber aber schon ganz schön für ernst, ne?

... ja ne, so kann man das jetzt nicht sagen. Aber so ein bisschen schizophren fühle ich mich schon manchmal. Es gibt so Tage, an denen ich mit mir selber rede, spreche, und mit mir selber Diskussionen anfange.

Ja, gut, kommen wir mal wieder zum Thema zurück. Du hast gerade deine DVD und dein Streetalbum gemacht, es heißt "Das PrinzIp Prinz Pi Vol.1". Was sagst du denn dazu, was hast du dir dabei gedacht, und wie gefällt dir die Resonanz darauf?

Auf laut.de ist ja dazu noch immer keine Review vorhanden. Ich habe ja schon zweimal geschaut, aber da gibt es leider immer noch keine. Was eigentlich eine Schande ist, denn die laut.de-Reviews sind immer gern gelesene Reviews, weil die mir immer sehr hohe Wertungen geben - höhöhöhö. Beim "PrinzIp Prinz Pi" ist ja noch eine Street-CD dabei, die vom Aufwand her aber vergleichbar mit einem normalen Rapalbum ist. Ich habe sie nur Street-CD genannt, weil sie gemessen an "Donnerwetter" natürlich sehr viel weniger arbeitsaufwändig war, viel mehr aus dem Handgelenk gerappt.

Okay, dann erzähl uns doch mal was über deine Lieblingssongs?

Ja, meine Lieblingssongs... also ein Song, der mir sehr gut gefällt ist "Fluch Der Besten".

Wieso ausgerechnet dieser Song? Ich finde den relativ schlecht, muss ich sagen.

Naja, einem Teil von mir gefällt der wahnsinnig gut, einem anderen dafür leider gar nicht. Es ist ein sehr persönliches Lied, und es befasst sich, ebenso wie "Wunderkind" damals mit dem Los, das man hat, wenn man in der Öffentlichkeit steht und viele Sachen macht. Viele Leute denken ja, dass Rapper eine Art Traumberuf ist, etwas das einem Spaß macht.

Aber was willst du denn sonst sein? Willst du etwa in einer Autowerkstatt arbeiten oder an der Kasse?

Nein, lieber Freund, das will ich nicht, aber Rappen ist trotzdem nicht mein Traumberuf, denn dieses Berufsbild erfordert, die meiste Zeit nur über oder mit sich selber zu reden, von teuren Autos anzugeben, die man sich höchstens mal mietweise leisten kann, von dummen Frauen zu erzählen und auf dummen Partys rumzurennen, auf denen die meisten Leute gefälschten Zirkoniaschmuck tragen. Das ist nicht ganz so mein Stil.

Aha okay. Was ist denn dann dein Stil? Wo siehst du dich denn in fünf Jahren?

Also, wenn nicht wegen Schizophrenie in der Psychiatrie, dann sehe ich uns an der Spitze der deutschen Musiklandschaft, weil ich es mir zur Aufgabe gesetzt habe, deutschen Rap aus diesen Klischees heraus zu führen. Ich will, dass Independent Musik auch im deutschen Hip Hop stattfinden kann, eine Musik, die sich nicht nur auf sich selber bezieht, wie cool man ist und wie uncool alle anderen sind, sondern dass man auch die Themen ansprechen kann, die zum Beispiel Rockmusiker oder Punkmusiker ansprechen.

Gut, dann danke ich mir für dieses Interview.

Ja, ich danke dir auch, für die schönen Fragen, die du gestellt hast ... oh, eine dritte Person betritt das Zwiegespräch!

Prinz Pi über Stereotype, die sich auf sich selbst beziehen

Besoffener Ahner: Was meinst du damit, wenn du von Rockmusikern oder Punkmusikern sprichst?

Naja, wenn mich jemand fragt, was ich mache, und ich antworte "deutschen Hip Hop", dann sagen sie alle "Ach Okay", in einem Tonfall, der schon verrät, dass sie das für Proletenmusik mit Inhalt von "Ich fick dich, blablabla" halten. Und denen muss ich dann jedes Mal erklären, dass diese Musik auch andere Inhalte transportieren kann als das, was die Leute so denken. Wenn jemand sagt, er macht Independent-Rockmusik, dann guckt ihn keiner böse an und sagt zu ihm: Aha, du bist also dieser Rockstar, der genau in dieses Stereotyp hineinpasst.

Bei Hip Hop ist das halt sehr krass, weil diese Musik fast nur über Stereotype verkauft wird, die sich auf sich selbst beziehen. Bei anderen Musikrichtungen ist das nicht so. Bei Punkmusik würde mir jetzt als einziges Stereotyp einfallen, dass es eben eine rebellierende Musikrichtung ist, aber ansonsten ist das Spektrum da auch sehr weit. Und das ist halt das, was ich für Hip Hop machen möchte: Den Leuten zeigen, dass man auch andere Themen ansprechen kann.

Ich habe ja diesen Song gemacht über die Atomwaffenarsenale, die es noch gibt ("Die Bomben Schlafen"), ich habe viele Tracks über Beziehungen - gute, schlechte, gescheiterte - und das ist ja das, was die meisten Pop- und Rockmusiker machen oder auch R'n'B bis hin zu Motown. Die Leute, die ich erreichen will, sind nicht unbedingt diejenigen, die bisher schon Hip Hop hören. Denjenigen, die denken, sie seien zu alt für Hip Hop, zu reif, oder zu cool, will ich zeigen: Hip Hop ist eine wunderbare Musikrichtung, eine unglaublich offene Musikrichtung, eine Musikrichtung die besser als jede andere Musik mit anderen Stilen vermischt werden kann, Rock, House, Grime, Garage, Jazz, R'n'B, fast jede Richtung.

Es ist unheimlich schade, wie engstirnig die meisten Leute sind, die Rapmusik machen, und auch die, die es hören. Das muss und kann man verändern. In England mit den Ninja Tunes, oder auch in den Staaten, mit diesen ganzen Leuten um Company Flow, die haben gezeigt was man alles aus Musik machen kann, welche Wege man begehen kann. Herbalizer oder DJ Shadow früher, das ist für mich absolut credibile Hip Hop Musik, und trotzdem geht sie einen Schritt weiter. In Deutschland gibt es so etwas bisher noch nicht. Jan Delay glaub zwar zum Beispiel, dass er so etwas macht, und seine Band ist auch cool, aber Jan Delay selbst finde ich so was von zum kotzen, sorry.

Besoffene Fromm: Da hilft ein Name wir "Prinz Porno" natürlich nicht unbedingt, solche Klischees zu überwinden!?

Das ist ja auch genau der Grund, weswegen ich den Namen geändert habe. Wir haben CDs verschickt, und die Leute haben sich die Musik nicht mal angehört, weil sie sich gesagt haben: "Okay, das ist jetzt wieder so ein Proletenrapper aus Berlin, mit dem Scheiß wollen wir uns gar nicht erst auseinandersetzen." Darum habe ich den Namen geändert, denn diese Redakteure sehen den Namen und hören es sich dann nicht an. So viele Leute sind zu mir gekommen und meinten, sie hätten sich die Musik niemals angehört, wenn sie den Namen "Prinz Porno" vorher gelesen hätten. Der Name hat mir und uns viele Sachen verbaut, das muss man einfach so sagen.

Fromm: Es war also ein Fehler mit dem Namen?

Naja, sagen wir es so: Wenn es darum geht, viele Leute zu erreichen, dann schon. Auf jeden Fall. Aber dieser Name ... ich habe früher "Porno" gemalt, das war mein erster Hip Hop-Szene-Name oder so was, und den wollte ich halt nicht ablegen. Aber ich habe dann gesehen, dass die Leute zu beschränkt sind, um mal hinter diesen Namen zu gucken.

Wir danken für dieses Interview. Und obwohl wir kaum gerade stehen können gehen wir jetzt noch auf die Aftershowparty!

Nachtrag: Fromm bekam ihren Geburtstagsfreestyle dann noch im Ausgang vom "Z" von einem unbekannten Freiburger Jugendlichen. Mag sein, dass es am guten Tannenzäpfle lag, aber wir fühlten uns prächtig unterhalten. Grüße an Slick One, der sich mit uns ablichten ließ, obwohl wir das geplante Kollegah-Interview im Anschluss partout nicht mehr hinbekamen. Und von Pi, der Kollegin Fromms Geburtstagswunsch in der Juice im Nachhinein mit der infamen Falschbehauptung abtat: "Gerade gestern wollte eine Frau von der Süddeutschen Zeitung (!), dass ich ihr einen Geburtstags-Freestyle vortrage. Da musste ich dankend ablehnen, denn ich hasse Spaß-Freestyles. Ich meinte dann, ich könne sie ja beleidigen - aber da hatte sie irgendwie keine Lust drauf. Nicht an ihrem Geburtstag", erwarten wir beim nächsten Mal nicht nur einen Freestyle, sondern einen Exclusive Track.

Das Interview führten Philipp Gässlein, eine doppelt zu sehende Dani Fromm und ein Thomas Ahner, der auch doppelt zu sehen war, obwohl man das gar nicht wollte.

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