laut.de-Kritik

Sieben Tage Blankziehen für die Verwirklichung eines Traums.

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Zwischen all den blutleeren Glöckchenstimmen, die sich Jahr für Jahr bei diversen Casting-Shows in Business-Marionetten verwandeln lassen, findet immer mal wieder einer, der so gar nicht in das Bügel-Format von DSDS, The Voice Of Germany und Co zu passen scheint. So sorgte beispielsweise im vergangenen Jahr ein in Deutschland lebender Halb-Cherokee namens Percival für Aufsehen, der als bekennender Globetrotter bereits die Bühne mit Größen wie Bette Midler, Michael Jackson und Alanis Morissette teilen durfte.

Da ging natürlich ein Raunen durch die biedere Casting-Landschaft. Mit schrillem Make Up, reichlich Klunkern und diversen Tattoos auf der nackten Haut erreichte der gebürtige Texaner das Viertelfinale von The Voice Of Germany. Doch Percival hält sich für jemanden, der für Größeres bestimmt ist. Und so landet er schließlich im Big Brother-Container, wohlwissend, für welch höheren Zweck er den zweiwöchigen Trash-Marathon über sich ergehen lässt: "Durch Big Brother konnte ich die Produktion meines Soloalbums finanzieren", so der Vollblut-Entertainer.

Nach einer Woche wird Percival von den Zuschauern des Hauses verwiesen. Ergo: Sieben Tage peinliches Blankziehen für die Verwirklichung eines Traums? Der Mann wills wirklich wissen. Vier Wochen später präsentiert er das Ergebnis all der Schmach unter dem Titel "Never Shut Up!".

Schon nach wenigen Sekunden des Openers "Berlin" wird jedoch klar: Sonderlich viel Kohle dürfte der Container-Spaß nicht eingebracht haben; denn was sich da unter dem Pseudo-Retro-Banner aus den Boxen zwängt, hat in etwa die strukturelle Qualität eines hippiesken Straßenmusiker-Sit-Ins. Fernab von gängigen Autoscooter-Sounds quält sich Percivals Diven-Organ durch drittklassige Black Sabbath-Vibes. Da zieht es jedem Fan vom wahren Madman die Nackenhaare hoch.

Auf dem folgenden "Bleed Out" versucht es die Band erstmals mit Zusammenspiel. Doch auch mit schunkelnden Pop-Rock-Rhythmen scheinen die Verantwortlichen überfordert zu sein. Im Stile einer auf die Schnelle zusammengewürfelten Background-Truppe für Karaoke-Abende reihen die Musikanten eine Valium-Spur an die nächste.

Drei Minuten später wird's dann richtig böse, denn der Versuch einer stimmigen Symbiose zwischen Alice Cooper und T.Rex, endet in einem Schulaula-Desaster, angeführt von einem theatralisch vor sich hin blubbernden Frontmann, der sich nicht so richtig entscheiden kann, ob er sich für die nächste Halloween-Party lieber als Freddie Mercury oder Dr. Frank N. Furter verkleiden soll ("Never Shut Up!").

Auch die anschließende Dorffest-Pianoballade "Wave Goodbye" geht völlig an den Gehörgängen vorbei, auch wenn sich Percival hier erstmals stimmlich behaupten kann. Das gelingt ihm mit Abstrichen auch noch auf den ebenfalls auf Rosen gebetteten Candlelight-Schmonzetten "Disgrace" und "Big Girl". Nur leider ersticken seelenlose Melodiethemen und plumpe Pianobar-Attitüden jeden Ansatz von entstehender Euphorie bereits im Keim.

Der einzige Erguss, den man sich am Stück geben kann, ohne dass die Handflächen Richtung Ohren wandern, hört auf den Namen "Are U Loved" – ein Song, den vielleicht sogar ein Lenny Kravitz auf einer B-Sides-Compilation parken würde.

Das war's dann aber auch. Ansonsten bleibt am Ende nur eins übrig – nämlich der unbändige Wunsch, die Zeit zurück drehen zu können, um Herrn Percival den Albumtitels auszureden. Dieser hier macht nämlich ganz schön Angst.

Trackliste

  1. 1. Berlin
  2. 2. Bleed Out
  3. 3. Never Shut Up!
  4. 4. Wave Goodbye
  5. 5. The Knife
  6. 6. Are U Loved
  7. 7. Killer Love Song
  8. 8. Disgrace
  9. 9. N.N.N.N.
  10. 10. His Majesty
  11. 11. Big Girl

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14 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Hab ich mal bei Promi-Big Brother gesehen, kam unglaublich tuntig rüber...jetzt weiß ich endlich, warum der einen 'Promi'-Status hat, er ist also Sänger, soso.

    Aber gut, mit Jacko und Alanis Morisette on stage...gibt schlimmeres, würde ich sagen.

  • Vor 10 Jahren

    "Durch Big Brother konnte ich die Produktion meines Soloalbums finanzieren"

    Das liest sich wie ein Auszug aus der Biographie von Christiane F, mit zwei gravierenden Unterschieden:
    - Christiane hatte noch genug Selbstachtung, um auf'n Strich und nicht in den Container zu gehen.
    - Das Geld hat sie weitaus sinnvoller investiert.

  • Vor 10 Jahren

    Ich habe die CD heute bekommen, vorher schon die Single gekauft. Habt ihr Watte in den Ohren oder seid ihr einfach nur Taub ?? Das ist Musik pur !!! Da werden Erinnerungen an echte Musiker aus alten Zeiten wach, obwohl ich noch zu jung war, um live dabei zu sein. Die mussten nämlich auch noch richtig singen können und nicht wie heute viele, die das im Ton Studio richten lassen, aber live nur Playback abliefern können. Wer Percival einmal live erlebt, weiss wo von ich schreibe. Zum Glück sehen das andere, und nicht nur seine Fans, z.B. Ampya genauso. Dort wird seine LP verdient gelobt.

  • Vor 10 Jahren

    ach und bevor ichs vergesse...
    kreuzfahrtschiffe!!!

  • Vor 10 Jahren

    Dieses Album laeuft bei mir auch in Dauerschleife. Dieses Review ist einfach so extrem oberflaechlich, an Aeusserlichkeiten und gegen die Person Percival und ueberhaupt nicht an seiner Musik festgemacht, dass Ich es wirklich nicht ernst nehmen kann. Finde dieses Review einfach nur eine Frechheit. Bin echt froh das es mal einen Musiker gibt, der nicht nach dem Mainstream tanzt, sondern der es auch gepackt hat,ohne sich einem riessen label zu unterwerfen, ueberhaupt so ein grossartiges Album alleine auf die Beine zu stellen. Wenn er dafuer zu BB musste "SO BE IT". Er war sich dafuer halt nicht zu schade um seinen Traum zu verwirklichen, eigenstaendig ein grandioses Album zu produzieren. Ich fuer meinen teil finde diess Album tausend mal besser als irgentwelchen plastik-pop. Go Percival!

  • Vor 10 Jahren

    LOL Gerade erst gesehen. Wie kann derselbe Mensch der Kritiken fuer zb. Celine Dion schreibt und Sie dabei hinschmelzend in den Himmel lobt, eine Kritik in der Kategorie Rock und fuer Percival schreiben? Habt Ihr dafuer keine Experten fuer verschiedene Genres? Finde Ich persoenlich einfach mehr als laecherlich. Das zb. ein Fan vom Musikantenstadl Percival nicht gut findet ist mir schon klar. Geschmaecker sind ja bekanntlich verschieden.