laut.de-Kritik

Über den saufenden, Frauen anbaggernden Rüpel.

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Der Text im Refrain von "The Ballad Of Serge Gainsbarre" klingt recht unüblich. "Er schleckt seine Lippen ab, er raucht und er trinkt, er trinkt und er raucht noch eine Gitane. Und er sagt: 'Ich möchte sie ficken'", trägt Paul James Berry mit tiefer Stimme zu einer gezupften akustischen Gitarre vor. Das Lied hört sich an wie aus der Feder Michel Houellebecqs, ist aber eine Hommage an einen der bekanntesten französischen Chansonniers.

Hinter "Serge Gainsbarre" verbirgt sich nämlich Serge Gainsbourg, der laut Berry zwei Persönlichkeiten besaß: "Gainsbourg, der ruhige intellektuelle Dichter, und Gainsbarre, der saufende, Frauen anbaggernde Rüpel." Sein Ziel war, "Hebel zu tätigen, um die langweiligen Mechanismen der Gesellschaft zu stören, um die Leute dazu zu bringen, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten." Eine Rolle, in der sich Berry auch gerne sieht.

Das Unterfangen gelingt ihm aber nur bedingt. Einerseits, weil er kaum den Bekanntheitsgrad des verstorbenen Franzosen besitzt, andererseits, weil es seiner Musik an Originalität fehlt. Gitarre und Stimme erinnern zu Beginn von "The Ballad …" frappierend an Leonard Cohen, im weiteren, etwas schnelleren Verlauf an Nick Cave in einer seiner finsteren, alttestamentarischen Geschichten. Lediglich eine Trompeteneinlage sorgt für eine Spur Neues. Eine Feststellung, die für das gesamte Album zutrifft: Zu Cohen und Cave gesellen sich Stewart Staples ("The Kite"), Brad Roberts ("Cable Ride") oder auch Joe Strummer ("Mexican Girl & The English Rose").

Berrys Texte handeln von unglücklicher Liebe ("Mary Blue"), den Perversionen der Mode-Szene ("Supermodel"), Lebensweisheiten ("Cable Ride", "Mr & Ms Cool"), Gesellschaftskritik ("Whiplash") und seiner ehemalige Band Rose Of Avalon ("Fever Van Rose"). Dabei setzt er neben einer Band auch unübliche Elemente ein; so stammt das Herzklopfen zu Beginn von "Cable Ride" von seiner damals noch ungeborenen Tochter. Am besten gelingt ihm das eher klassische Material: neben "The Ballad …" die Liebesballaden mit Gitarrenbegleitung "The Kite" und "C'est La Vie" sowie das an Calexico angelehnte "Mexican Girl & The English Rose".

Trotz aller Einschränkungen: Berry ist ein Künstler, der Respekt verdient. Er hat sich gegen alle Widrigkeiten durchgesetzt, geht unbeeindruckt seinen Weg und versucht, sich mit seiner Musik durchzuschlagen. Zwar bietet "Nations" kaum etwas Neues, dennoch ist es ein Album, das sich schön anhört und gemütlich vor sich hin fließt.

Trackliste

  1. 1. Con Brio
  2. 2. The Ballad Of Serge Gainsbarre
  3. 3. Mary Blue
  4. 4. Supermodel
  5. 5. The Kite
  6. 6. Mexican Girl&The English Rose
  7. 7. Cable Ride
  8. 8. Mr&Ms. Koool
  9. 9. Whiplash
  10. 10. C'est La Vie
  11. 11. Fever Van Rose

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