4. September 2009

"Jede Band braucht einen Schweden!"

Interview geführt von

In der Zeche Hugo luden Paradise Lost zur Listening Session für das neue Album "Faith Devides Us - Death Unites Us". Seit heute steht die Scheibe auch auf MySpace (siehe Surftipps).Nachdem der erste Höreindruck von "Faith Devides Us - Death Unites Us" ziemlich positiv ausfiel, war es natürlich keine Frage, dass wir Sänger Nick Holmes auch noch zum Gespräch baten. Während Gitarrist Greg Mackintosh von diversen Gläsern Rotwein bereits odentlich Schlagseite hat und seine Interviewpartner sich einigen Herausforderungen gegenüber sehen, den fiesen Akzent des Briten zu verstehen, macht Nick Holmes noch einen ausgesprochen frischen und aufgeweckten Eindruck.

Zwar ist die Aussprache des Sängers kaum weniger undeutlich, als die seines Gitarristens, doch man muss ja schließlich auch mal was arbeiten für sein Geld.

Nick, was hältst du denn von der ganzen Veranstaltung hier?

Oh, ich finde das eigentlich ziemlich cool. Die Location hier ist der Hammer.

Aber der Sound war jetzt leider nicht so der Brüller.

Naja, so schlimm fand ich das jetzt nicht. Man konnte schon erkennen, worum es geht (lacht).

Durchaus. Ich nehme mal an, du hast das Album schon mal zuvor gehört und das war nicht die Premiere für dich.

Puh, ich hab die Scheibe mindestens schon 500 mal gehört und ich bin ausgesprochen zufrieden damit. Das ging mir weiß Gott nicht mit jeder Scheibe von uns so (lacht).

Was hast du denn die ganze Zeit gemacht, während wir uns das Album angehört haben. Ist das für dich interessant, die ganzen Journalisten dabei zu beobachten und ihre Reaktionen zu sehen?

Auf jeden Fall! Das ist ja etwa wie wenn man als Maler bei seiner Ausstellung die Reaktionen der Besucher beobachtet. Ok, wir sind ziemlich stolz auf die Scheibe und setzen recht hohe Erwartungen in sie. Wenn wir nicht so überzeugt von den Songs wären, hätten wir uns wahrscheinlich nie hier raus mit euch gewagt (lacht). Dann hätten wir wahrscheinlich Aaron geschickt. Aber ganz ehrlich, ich hör mir das Album mindestens einmal die Woche an. So was habe ich sonst eigentlich kaum mit den eigenen Scheiben gemacht, und das Teil ist jetzt seit Februar im Kasten. Ich denke wirklich, dass wir mit "Faith Devides Us – Death Unites Us" viele Fans zufrieden stellen werden. Allen kann man es eh nie recht machen.

Da bin ich mir sicher. Einige der Songs haben mich deutlich an die "Icon"- und "Draconian Times"-Zeiten erinnert. Einer könnte mit seinen tonnenschweren Riffs sogar von "Lost Paradise" stammen.

Oha, nicht schlecht! Ich denke, dass auf dem Album alle Stärken von uns sehr gut gebündelt wurden. Man kann so ziemlich aus jeder Ära unseres Schaffens Merkmale finden, wobei der Schwerpunkt definitiv auf unserer früheren Phase liegt. Allerdings sind wir inzwischen in der Lage, aus geilen Riffs gute Songs zu schreiben. Das war früher nicht immer der Fall. Das kam meiner Meinung nach erst so in der "Host"-Phase. Jetzt kombinieren wir diese Fähigkeit mit den Riffs aus unserer Frühphase. Selbst einige Death Metal-Riffs können wir so nun anständig verarbeiten. Das ist wohl das, was du mit "Lost Paradise" verbindest.

Ihr arbeitet ja bei einigen Songs mit arabischen Skalen.

Ja, das war natürlich Gregs Idee. Ich war da eigentlich erst mal dagegen, weil das auch meine Art zu singen und die Arrangements beeinflusst. Aber letztendlich klingt das einfach so geil, dass man da nichts dagegen haben KANN (lacht). Also musste ich mir eben was ausdenken, das zu dem Sound passt.

Die meisten der Tracks zünden eigentlich direkt beim ersten Hören, aber eine Nummer wie "Living With Scars" muss doch auch für dich verdammt schwer gewesen sein. Wie hast du darauf denn bitte eine Gesangslinie gefunden?

Alter, da sprichst du was an … Ich arbeite bei so was gern so, dass ich das jeweilige Riff als Loop laufen lasse und dann mehrere Gesangslinien ausprobiere. So kann ich dann Stück für Stück vorgehen und das Ganze schließlich zusammen setzen. Wenn irgendwas nicht passt, kommt es eben in die Tonne. Aber an dem Song hab ich mir echt fast die Zähne ausgebissen. Greg hat auch Ewigkeiten an der Nummer gesessen und dran rumgebastelt. Der Song ging mir irgendwann richtig auf den Sack, weil ich echt nicht wusste, wie ich da ran gehen sollte. Aber letztendlich hat uns das so viel Arbeit gekostet und wir sind mit dem Ergebnis so zufrieden, dass er doch noch auf dem Album gelandet ist.

Hattet ihr schon mal die Situation, dass Greg mit einem Song ankam und du nur dachtest: 'Fuck you, dazu find ich nie ne Gesangslinie'?

Ständig, Mann. Ständig (lacht). Ich versuche dann natürlich doch immer was zu finden, aber manchmal funktioniert das einfach nicht und alles, was ich versuche, klingt irgendwie dämlich. Dann geht der E-Mail-Verkehr zwischen mir und Greg natürlich los und ich beschwer mich über die bekloppten Riffs und Melodien die er schreibt. Er sagt mir dann, dass ich mich gefälligst mal anstrengen und mir was ausdenken solle, usw. Da sind schon einige gepfefferte Mails zwischen uns hin und her gegangen. Manchmal läuft es aber auch einfach darauf hinaus, dass ich über einen bestimmten Part gar nichts singe, weil die Melodie von Greg einfach auch ohne bestens funktioniert. Aber eigentlich sollte man per E-Mail nie diskutieren, vor allem nicht, wenn es Streitpunkte gibt. Man weiß nie, wie das vom anderen jetzt genau gemeint ist, weil man ja keine Mimik, Gestik oder Klangfarbe der Stimme zur Verfügung hat. Das gibt meist nur noch mehr Missverständnisse. Aber bis auf den Song hatten wir eigentlich kaum Probleme bei der neuen Scheibe.

Zu "In Truth" schrieb Greg in der Songinfo: Ein experimenteller Song, der sicherlich die Meinung spalten wird.

Der Meinung bin ich auch. Wir haben lange an dem Song gearbeitet und versucht, ihn vielleicht ein wenig straighter und eingängiger zu gestalten, aber das Ergebnis klang irgendwie nur nach wischiwaschi. Deswegen haben wir letztendlich diese Version genommen. Das Stück erinnert ein wenig an "Christendom" von "Icon". Das war ebenfalls ein recht experimenteller Song. Ich glaube aber nicht, dass wir "In Truth" sonderlich oft live spielen werden. Der Song entstand aus einer besonderen Situation heraus und deswegen wollten wir ihn auf dem Album haben. Es hat einen ganz besonderen Vibe.

Du variierst deinen Gesang sehr stark auf dem Album. Denkst du beim Entwerfen der Gesangslinien eigentlich auch immer schon an die Live-Situation, oder ist es dir wichtiger, auf dem Album deine Vorstellungen genau umsetzen zu können?

Ich denke eigentlich schon jedes Mal auch an die Live-Situation. Viele Songs werden ja live schon mal von uns getestet, ehe wir sie im Studio aufnehmen. Bis auf wenige Ausnahmen gingen die Gesangsaufnahmen dieses Mal relativ schnell von der Hand, wobei die Growls deutliche schneller und einfacher aufzunehmen sind, als die Klargesang-Sachen. Wir haben beim Songwriting aber generell die Live-Situation im Hinterkopf, denn es hört ja mit den Aufnahmen nicht auf. Das kannst du machen, wenn du deine Band eh nur als Studiokonzept angelegt hast, aber Paradise Lost sind ja eine Liveband. Aber so konkret mach ich mir da auch keine Gedanken drüber, da ich ja im Studio auch nicht mit irgendwelchen Hilfsmitteln arbeite. Ich geh mal davon aus, dass ich das, was ich im Studio bringe, auch live reproduzieren kann. Noch bin ich nicht zu alt für den Scheiß (lacht).

"Brauchst du gute Metaller, such sie in Schweden!"

Was ist eigentlich mit Jeff Singer, dem ehemaligen Drummer von Paradise Lost passiert?

Was soll ich sagen. Er hat seine Entscheidung getroffen, und auch wenn wir seine Entscheidung bedauern, können wir ihn voll und ganz verstehen. Er hat zwei kleine Kinder und mit uns war er schon lange und viel unterwegs, weswegen er sie nicht so oft gesehen hat, wie er sich das wünschte. Außerdem kam letztendlich nicht genügend Geld bei der Sache rum, um eine richtige Familie ernähren zu können. Er hilft uns aber hin und wieder noch aus, wenn Adrian Erlandsson, der neue Drummer, gerade verhindert ist. Die Trennung von Jeff verlief in aller Freundschaft und wir treffen uns noch hin und wieder, da gab es kein böses Blut.

Adrian hat aber noch nicht auf der Scheibe gespielt, oder?

Nein, er ist erst später bei uns eingestiegen. Auf der Scheibe hat Peter Damin gespielt, der ein absolut fantastischer Drummer ist und wirklich alles spielen kann. Er hat sogar mal bei Doctor Alban gespielt, du weißt schon, der Zahnarzt mit diesem "It's My Life" …

Du verarschst mich!

Nein, ehrlich. Er hat auf der Scheibe gespielt und auch auf diversen Reggae-Sachen. Er spielt hauptsächlich als Studiodrummer, hat aber auch eine eigene Band in Schweden. Das ist eher so ne Hardrock-Sache, aber die Schweden stehen drauf. Schwedische Musiker sind echt der Hammer, der Kerl hat seine Sachen in drei Tagen eingespielt. Wenn du mal nen guten Metal-Musiker brauchst, such ihn in Schweden!

Die haben da aber auch ganz andere Möglichkeiten und werden schon in frühester Jugend als Musiker gefördert. Davon kannste in Deutschland höchstens träumen.

Klar, das ist in England nicht anders. In Schweden spielt ja auch jeder Metalfan in mindestens zwei Bands. Und jetzt haben wir mit Adrian schon den nächsten Schweden in der Band. Ich finde eigentlich, dass jede Band ihren eigenen Schweden haben sollte. Mindestens einen! (lacht).

Wie wahr, wie wahr …

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Paradise Lost

Als Death Metal Ende der 80er, Anfang der 90er kräftig rollt, geht es den meisten Bands darum, als so schnell und brutal wie möglich dazustehen. Ein …

Noch keine Kommentare