13. Oktober 2009

"Wir denken auf deutsch, wir leben hier"

Interview geführt von

Interviewanfragen bekommt laut.de täglich. Noch nie aber hat sich eine Band einen bestimmten Interviewer gewünscht, noch dazu einen recht angriffslustigen. Mut haben sie also, die Jungs von Panik ...Panik gehören zur Generation junger deutscher Teenie-Bands wie Tokio Hotel oder Cinema Bizarre. Unter dem vorherigen Bandnamen Nevada Tan haben die sechs Jungs aus Neumünster dennoch bereits ein beachtliches Auf und Ab im Showbiz erlebt.

Raabs Bundesvision Songcontest, Charterfolge und Echo-Nominierung stehen auf der Haben-Seite. Aber auch rechtliche Streitigkeiten mit dem ehemaligen Management, Häme, Spott und der Stempel zur BRAVO-Kapelle waren ihre Wegbegleiter.

Anlässlich des neuen selbstbetitelten Albums "Panik" steht mir ein fröhlich offener Christian Linke Rede und Antwort zur eigenen Standortbestimmung.

Bevor wir zur Musik kommen, erklärt doch bitte mal den Lesern und mir, wie man als junge aufstrebende Band auf die Idee kommt, den Namen der Gruppe zu verändern; von Nevada Tan zu Panik?

Naja, die Band gibt es ja immerhin schon seit 2001/2002. Wir kennen uns ja auch schon lange; teilweise noch aus der Schule. Damals ist die Band unter dem Namen Panik entstanden. Wir haben uns dann aber für Nevada Tan entschieden. Nur da gab es eben auch Stress mit unserem damaligen Management. Die haben sich einfach den Namen patentieren lassen. Wir konnten nicht mehr beweisen, dass Name und alles von uns kam. Da haben wir gedacht: "Kommt, wir wollen uns den Scheiß echt nicht antun. Wir haben Bock, unsere Mucke zu machen. Da nehmen doch lieber wieder den alten Namen." Einfach so back to the Roots und fertig ist die Geschichte!

Du sagst selbst gerade, es gehe Euch um die Musik selbst. Was würdet ihr jemandem sagen, der Euer Teenie-Bravo-Band-Image samt Manga-Kram und Geheimniskrämerei um eure Identität als bei Cinema Bizarre/Tokio Hotel abgekuckt bezeichnet?

Erst mal kann ich natürlich nachvollziehen, dass solche Parallelen gezogen werden. Weißt du, damals wussten wir alle noch nicht so genau, wie wir mit der neuen Situation und dem ganzen Medienzirkus überhaupt umgehen sollen. Wir wurden da einfach reingeschoben. Ich glaube, das Beste was man machen kann, ist, sich die Band heute einfach mal vorurteilsfrei anzuhören. Das klingt zwar immer ein bisschen dämlich, wenn man das so sagt. Aber es geht uns wirklich nur um die Musik. Nimm doch mal David. Ich meine, der hat ca. drei Jahre lang mit seinem klassischen Klavier bei "Jugend musiziert" mitgemacht. Dann kommt Timo mit den Raps und den Texten aus einer anderen Ecke. Wir haben uns einfach alle gefunden und wollten was machen, worauf wir alle Bock haben. Aber das kommt bei der Presse oft nicht so an. Wäre wohl ganz gut, sich mit uns zu beschäftigen, indem man unsere Mucke auch mal anhört.

"Was man erlebt, läuft ja oft echt nicht so schön"

Eure Songs lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen. Da gibt es die zornerfüllten, rotzig aggressiven Bestandsaufnahmen des Zustands unserer Gesellschaft wie "Perfekt" oder "Kinder, ist es nicht krank?" und die präzise formulierten emotionalen Dramen wie "Morgencafe". Seid Ihr die klassischen zornigen jungen Rockrebellen mit dem weichen Herzen?

(Lacht) Ja, ok, verstehe ich schon, dass man da zwei Kategorien sieht; grob gesagt. Aber es ist ja auch so: Wir sind alle ja auch einfach noch junges Volk. Und deshalb schreiben wir eben über die Probleme, die man als Jugendlicher hat. Vor einigen Jahren fing es an, dass man sich auch mit Politik beschäftigt hat. Man sieht ja auch als junger Mensch Probleme in der Gesellschaft. Dinge, die eben schlecht laufen. Nebenbei hat man dann auch Beziehungsscheiß und solche Sachen. Was man erlebt, läuft ja oft echt nicht so schön. Es geht einfach um den Alltag aus der Sicht von uns jungen Menschen. Das kommt auch alles von uns. Kannste echt glauben. Wir würden alle unsere Texte jederzeit genauso unterschreiben. Wir schreiben das ja, weil wir das meinen. Nicht weil uns das jemand erzählt oder es sich vielleicht verkauft.

Texte wie: "Ich schmeiß Steine auf dein Fenster und Du Felsen auf mein Haus. Das ist Krieg, doch das ist unser Krieg. Und Du bist das, was ich brauch" aus "Morgencafe" oder "Perfekte Welt unter einer Kuppel aus Licht. Perfekt heißt bequem. Mehr wollen wir nicht!" aus "Wir geben's zu" sind in unserer heimatsprachlichen Musikszene schon recht reife Lyrics, die man einer Band Eures jungen Alters ohne weiteres nicht unbedingt zutrauen würde. Aber gerade deshalb: Warum auf der Hälfte der Songs nur diese gut gemachte, aber sklavisch-schabloniert wirkende Nähe zu Linkin Park? Habt ihr das nötig?

Dazu musst du wissen, wie es bei uns angefangen hat. Wir sind ja komplett aus dem Freundeskreis entstanden. Da haben wir geschaut, wer was kann, wer welches Talent hat und was damit geht. Und dann haste einen in der Band, der gute Texte macht und auf Hip Hop steht. Oder einen wie den David, der kommt von der klassischen Schiene. Und solche Pianoläufe und Strukturen wirst du in dieser Form nicht bei Linkin Park finden. Klar, Jan bringt dann noch die elektronischen Elemente rein. Juri und ich eher den harten In-die-Schnauze-Rock. Dabei kommt als Mischung am Ende halt schon eine ähnliche Richtung heraus. Aber es sind nur die gleichen Grundelemente. Das ist schon sehr unser eigenes Ding. Außerdem können wir dem Timo ja schlecht sagen. "Pass mal auf, Alter. Du bist jetzt arbeitslos!"

"Nur Scheiße im Kopp"

Verstehe, manchmal macht ihr ja auch sehr überraschende Sachen. Der Hidden Track "San Diego" auf der Scheibe gefällt mir ausnehmend gut. Er zeigt auch eine sehr humorvolle Seite der Band.

(Lacht) Ach ja, den haben wir eigentlich auch nur aus Scheiß gemacht. Das war komplett spontan. Deshalb haben wir den auch so unbearbeitet gelassen, wie er als Demo war und einfach mit drauf gepackt. Natürlich haben wir auch Humor. Es gibt so viele Momente, wo wir - ich sag mal auf gut Deutsch - einfach nur Scheiße im Kopp haben. Und die kommt halt manchmal raus. Auf Konzerten machen wir ja auch allen möglichen Scheiß. Man sollte als Band doch nie den Spaß an der ganzen Sache und die Selbstironie vergessen.

Ihr seid eine rein deutschsprachige Band. Gibt es einen tieferen Sinn für Euch, die Texte in der Heimatsprache zu verfassen? Wollt ihr den internationalen Durchbruch verhindern? Kein' Bock auf Amerika?

Ganz so ist es ja nicht. Wir sind schon international unterwegs, in Frankreich, Russland, Weißrussland. Im Vergleich zu Deutschland natürlich noch in einem viel kleineren Rahmen. Was die Texte angeht: Wir schreiben ja letzten Endes über unsere persönlichen Erfahrungen. Die sind eben deutsch bzw. aus dem Norden von Deutschland.

Wir hatten ja nie das Ziel, mit der Mucke und den Texten um jeden Preis voll durchzustarten. Wir haben mit deutschen Texten angefangen, weil es am besten geht und wir da Bock drauf haben. Wir denken auf Deutsch. wir leben hier. Und die angesprochenen Sachen betreffen Deutschland. Da hätte es doch wenig Sinn, so was Spezifisches den Amerikanern in deren Sprache zu servieren. Wie du siehst, hat sich das ja so auch bewährt. Deshalb würden wir uns von außen nie überreden lassen, es auf Englisch zu versuchen (Pause) Zumal das im Endeffelt auch einfach an Timos Englisch komplett scheitern würde (lacht).

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