17. November 2016

"ABBA kennen uns."

Interview geführt von

Wenn es wieder unberücksichtigte "Black Rose Immortal"-Urschreie aus Fankehlen und Konzerthäusern weltweit schallt, kann das nur eins bedeuten: Opeth-Tour. Wegen der angeschlagenen Stimme Mikael Åkerfeldts freuen sich die Anhänger derzeit sogar über ein paar Old School-Songs mehr. Einen Schongang einzulegen und das Reden einzustellen ist für den Chefprogger aber weder auf der Bühne noch im Interview eine Option. Glück für uns.

Schon schön, so ein Nachmittag vor dem Venue, in dem am Abend Opeth spielen sollen. Ein Soundcheck der Schweden bietet nämlich gerne mal ein paar Schmankerl, die das später stattfindende Konzert ausklammert. Diesmal "Strange Brew" vom aktuellen Album "Sorceress". Zehn Minuten später haben Band und Tonmann genug gehört und Mikael Åkerfeldt wartet im verwinkelten Backstagebereich der Wiener Arena darauf, dass man ihm ein Aufnahmegerät ins Gesicht hält. Kann er haben. Eine verbockte Einleitung ebenso.

Was sagst du zur Kelly Family-Reunion?

Sorry?

Shit, ich dachte, die kennt man in Schweden vielleicht auch. Damit ist meine Einleitung wohl dahin.

Ja, glaube ich auch, hahaha. Ich kenne sie nicht. Oder vielleicht kenn' ich sie schon, aber nicht vom Namen.

Egal. ABBA kennst du mit Sicherheit. Im Stockholmer ABBA-Museum steht eine Karaoke-Bühne. Standest du da schon mal drauf?

Oh nein, nein, nein. Aber ich war im Museum mit meinen Kindern. Sie waren nicht wirklich an denselben Dingen dort interessiert wie ich. Ich mochte die Studiorekonstruktion, das fanden sie aber eher langweilig. Sie wollten lieber ein Video drehen. Du kannst dich da zu "Dancing Queen" aufnehmen. Ich bin nur rumgelaufen und hab' mir technische Apparate und Gitarren angeguckt.

Wusstest du, dass auch du Teil der Ausstellung bist?

Nein.

Im Swedish Music Hall Of Fame-Teil gibt es einen Artikel über Opeth.

Oh, das wusste ich nicht. Aber ich weiß, dass ein paar ABBA-Mitglieder uns kennen. Agnetha haben wir mal während der "Heritage"-Aufnahmen zum Abendessen getroffen. Und Benny Andersson ist anscheinend ein Fan. Joakims Bruder (Opeth-Keyboarder Joakim Svalberg kommt gerade zur Tür herein) hat mal für Bennys Frau gearbeitet. Und irgendwie kam wohl mal die Sprache auf Opeth und Benny meinte: "Tolle Band." oder etwas in der Art.

Joakim: Ja. Ich hab auch mal in einer Musicalaudition Klavier für Benny und Björn gespielt: "Kristina Från Duvemåla".

Aber mehr wurde dann nicht draus?

Joakim: Die Audition war nicht für mich, sondern für einen Freund. Ich nur bei "Jesus Christ Superstar" Klavier gespielt. Schon ein bisschen einschüchternd, aber sie waren cool.

Ihr seid auch nicht nur im ABBA-Museum präsent, sondern wart auch im diesjährigen ESC-Trailer zu sehen.

Oh ja. Das hat Jonas Åkerlund gemacht. Wir kennen ihn und er hat mich gefragt, ob er einen unserer Songs dafür verwenden darf.

Nicht dass das je passieren würde, aber falls euch jemand fragen würde, ob ihr für Schweden beim ESC antretet – was würdest du sagen?

Nein. Niemals. Nie. Ich mag es nicht, wenn Musik zum Wettbewerb wird. Ich finde nicht, dass Musik etwas ist, in dem man sich messen kann. Ich guck mir das gerne an, aber ich würde nie selbst mitmachen. Daran habe ich wirklich null Interesse. Das wäre eher eine kommerzielle Sache, ich glaube nicht, dass uns das etwas Gutes tun würde. Wahrscheinlich würde uns das mehr schaden als nutzen.

"Es wäre komisch, würden wir uns nicht verändern"

Seit ein paar Tagen seid ihr auf Europa-Tour, davor wart ihr in den USA. Fielen die Reaktionen unterschiedlich aus?

Sie waren ziemlich gut. Wir haben ja angefangen zu spielen, bevor das Album überhaupt draußen war. So ist das heutzutage: Du machst ein Album und fängst schon vor offiziellem Release zu touren an – es hat eh schon jeder die Songs gehört. Diesmal war es recht einzigartig, denn die Leute haben speziell nach neuen Songs geschrieen. Unsere Erfahrung mit dem amerikanischen Publikum zeigte seit "Heritage" eher, dass es sich gern aufregt und bloß das alte Zeug hören will. Diesmal war dem nicht so. Vielleicht sind sie mittlerweile warm geworden mit dem, was wir heute machen, anstatt uns weiterhin als Nostalgie-Act zu sehen.

Ihr habt zwischendrin die Setlist geändert...

Ja, das hängt alles von meiner Stimme ab. Oder wenn es sich seltsam anfühlt. Das ergibt sich immer erst, nachdem man ein paar Shows gespielt hat. Zum Glück können wir viele Songs und können entsprechend auswechseln.

Anfänglich hattet ihr ja vier Growl- zu acht reinen Clean-Vocal-Stücken. Mittlerweile steht das Verhältnis sechs zu fünf.

Ja, "Hex Omega" von "Watershed" war zum Beispiel noch drin. Das haben wir rausgelassen, weil ich krank und meine Stimme schlecht wurde. Ich komme nicht mehr in die hohen Lagen, wenn ich krank bin, meine Kehle angeschlagen ist oder ich mal zu viel Wein hatte. Deswegen haben wir angefangen, ein paar andere, gescreamte Songs zu spielen. Wir fanden, das hat auch ein bisschen mehr Energie in die Show gebracht. Was gut war, also haben wir sie dringelassen. Aber ab und zu ändern wir wohl noch was.

Auf dem neuen Album gibt es den Song "Era". Bevor wir gleich über Äras sprechen – werdet ihr den mal live spielen?

Ja, das Ziel ist, jeden Song wenigstens einmal zu spielen. Momentan befinden wir uns ja erst im zweiten Abschnitt der ersten Tour zum Album. Wenn wir das nächste Mal rausfahren, spielen wir möglicherweise andere Albumsongs.

Denkst du denn, dass "Sorceress" eine neue Ära für Opeth einläutet? Oder ist das "the end of an era"?

Weiß ich noch nicht. Es ist schwierig vorherzusagen, was die Zukunft für uns bereithält. Ich habe keine Ahnung, was wir als nächstes machen. Ich mag das irgendwie, haha. Ich mag die Tatsache, dass wir keinen Plan haben. Es passiert einfach.

Das Album verfügt über zwei Bonussongs – "The Ward" und "Spring MCMLXXIV" –, die deutlich weniger düster klingen als üblich. Könntest du dir vorstellen, beim nächsten Mal in eine ähnliche Richtung zu gehen.

Keine Ahnung. Ich kann gar nicht sagen, in welche Richtung es gehen wird. Diese beiden Songs wurden speziell als Bonustracks geschrieben, es war nie geplant, sie aufs Album zu nehmen. Ich mag es, wenn ein Album einen bestimmten Vibe hat. Manche Songs – auch wenn sie gut sind – passen dann einfach nicht dazu. Dadurch, dass die Genannten von vornherein als Bonustracks gedacht waren, konnte ich mit ihnen mehr oder weniger machen, was ich wollte. Und ich glaube, keiner der beiden ähnelt etwas, das ich vorher schon gemacht habe. Es hat Spaß gemacht, das umzusetzen. Die anderen Bandmitglieder haben die Songs erst gehört, als wir im Studio waren. Wir waren fertig mit dem Album und dann kam ich an und sagte: "Leute, ich hab diese Lieder, wollen wir die noch schnell aufnehmen?" – "Was ist das?" – "Spiels einfach." (lacht) Aber es sind gute Songs, finde ich.

Vorerst zu Ende gegangen ist mit "Sorceress" die Ära Steven Wilson...

Ja, "Heritage" und "Pale Communion" hat er noch gemixt. Ich würde auch auf keinen Fall sagen, dass wir nie wieder mit ihm zusammenarbeiten werden. Ich liebe es, mit ihm zu arbeiten. Aber ja, diesmal war er nicht involviert. Ab und an macht es auch einfach Spaß, mit neuen Leuten zu arbeiten und zu schauen, was sie beitragen können. Und Tom (Dalgety, A.d.R.), der "Sorceress" gemixt hat, war beim Album davor als Toningenieur dabei, also dachten wir, wir lassen ihn mal mixen und schauen, wie das hinhaut. Hat gut geklappt. Aber bloß weil Steven diesmal nicht dabei war, heißt das nicht, dass er beim nächsten erneut nicht mitmischt.

Viele Leute tendieren dazu, Opeths Karriere in zwei Äras zu unterteilen – Death- und Post-Death-Ära. Wie sehen deine Äras aus?

Ich habe mehr. Die ersten beiden Alben. Das dritte steht für sich allein. "Still Life" und "Blackwater Park" ähneln sich. "Damnation" steht allein, "Deliverance" steht allein. "Ghost Reveries" und "Watershed" sind wieder ein bisschen verbunden. Das sind musikalische Äras – ich denke, dass sich hier jeweils die Musik verändert hat. Klar verstehe ich die Unterteilung in die beiden Äras, die du genannt hast. Aber in der Mitte der sogenannten Death Metal-Ära hast du "Damnation" und das ist bestimmt kein Death Metal. Letztendlich spielt es keine Rolle, aber ja, wenn die Leute von uns sprechen gibt es oft dieses Pre-"Heritage"-Ding.

Warum glaubst du stören sich so wenige an "Damnation"?

Keine Ahnung. Wenn man das Album nennt, kommt immer so eine Art erschrockenes "Oh … ja, stimmt … sie hatten ja dieses Album … das war softer als "Heritage" … ich sollte das eigentlich nicht mögen, aber ich mag es...". Ich hoffe, irgendwann realisieren die Leute mal, dass ihre Musikwahrnehmung mehr mit ihnen selbst zusammenhängt als mit der Musik – damit, wo sie gerade in ihrem Leben stehen, wenn sie in Kontakt mit dem Album kommen. Ob sie es lieben, hat viel mit ihnen selbst zu tun.

Erst neulich hab ich mich darüber mit jemandem unterhalten: Theoretisch kann ja zum Beispiel eine Bruce Springsteen-Ballade denselben Vibe wie ein Opeth-Song haben. Aber wenn dir jemand sagt: "Das ist Springsteen" fällt deine Reaktion darauf ganz anders aus als wenn dir jemand sagt: "Das sind Opeth".

Ja, total. Es sind einfach so viele Referenzen, die dabei eine Rolle spielen. Die Leute nutzen Referenzen für Gut und Schlecht. Opeth sollen das eine Ding sein, nicht das andere. Wenn wir das andere machen, regt das die Leute auf. Irgendwie verrückt – aber ich mag, dass wir nicht richtig einzuordnen sind.

Gibt es einen bestimmten Abschnitt, für den du in sagen wir 20 Jahren am liebsten in Erinnerung sein willst?

Nein. Am liebsten wäre mir, man würde das Gesamtpaket wahrnehmen – dass wir niemals auf Nummer sicher gegangen sind und Musik nie als Vehikel für einen Job bzw. um Geld zu machen benutzt haben, sondern als Weg, uns selbst künstlerisch auszudrücken. Ich meine, da draußen existieren eine Menge Metalbands, die das machen. Sie fangen an mit der Unschuld, die du zu Beginn hast und wenn sie dann eine Karriere haben, haben sie Angst, sie wieder zu verlieren. Also machen sie den gleichen alten Scheiß, wovon sie wissen, dass es den Fans gefällt, obwohl sie in der Realität inzwischen völlig andere Sachen hören und möglicherweise auch andere Dinge schreiben wollen. Und dann gründen sie ein Nebenprojekt, um das rauszubringen. Wir verwenden alles in Opeth; Menschen verändern sich, werden älter – es wäre komisch, wenn wir uns nicht verändern würden.

"Sorceress" stand auf Platz 1 der Charts in Deutschland. Wie fühlt sich das an?

Gut, nehme ich an. Aber eine Chartposition heißt ja nicht, dass das Album besser ist. Ich meine, ich liebe das Album, aber...

Eine Menge Leute würden wohl eher sagen, je höher in den Charts desto schlechter.

Das stimmt, ja. Aber letztendlich hängt das einfach vom Label ab – wie dieses das Album promotet und ins Gespräch bringt. Wenn du viel von etwas hört, tendiert das dazu, aufzusteigen. Es freut mich natürlich. Es ist gut für uns zu wissen, dass die Plattenfirma, mit der wir zusammenarbeiten, arbeitet. Wir hatten Situationen in der Vergangenheit, in denen es schien als wäre das Label nicht sonderlich interessiert. Jetzt mit Nuclear Blast und unserer Eigenmarke geht es voran; das ist gut zu wissen.

Wie kamt ihr eigentlich dazu, euer eigenes Label Moderbolaget Records zu gründen?

Wir haben mit Nuclear Blast einen Lizenzvertrag abgeschlossen, keinen herkömmlichen Plattenvertrag. Wir haben früher schon darüber nachgedacht, sowas zu machen, und haben es mit unserem Merchandise ja bereits ausprobiert. Vor etwa zehn Jahren haben wir unser eigenes Merchandise-Unternehmen gegründet, um T-Shirts etc. zu verkaufen. Ursprünglich war das nur für unser eigenes Zeug gedacht, recht bald haben wir dann aber angefangen, gewissermaßen andere Bands zu "signen" und auch ihre T-Shirts zu verkaufen. Das war eine reine Business-Entscheidung. Das Record Label werden wir möglicherweise im selben Stil nutzen. Erstmal kümmern wir uns um unsere eigenen Alben. Die alten Platten gehören zwar für einen bestimmten Zeitraum den jeweiligen Labels, aber bald kriegen wir da auch die Rechte zurück und können sie selbst vertreiben. Wir können Neben- und Soloprojekte machen und in ein paar Jahren vielleicht auch andere Bands unter Vertrag nehmen.

Welche Bands würdest du denn gerne signen?

Nun, das ist ein Problem für mich, weil ich heutiger Musik nicht viel abgewinnen kann. Aber vielleicht können wir ein paar Reissues von alten Bands bringen, haha. So genau haben wir darüber noch nicht nachgedacht. Momentan bauen wir das erstmal auf, etablieren den Namen.

In einem Track-by-Track-Review für Metal Hammer hast du für beinahe jeden Song des neuen Albums eine Referenzband fürs Songwriting angegeben…

Ja, aber das bezog sich mehr auf die Titel als auf die Musik. Ein paar Songs sind allerdings schon dabei, die ich geschrieben habe, nachdem ich zum Beispiel Jethro Tull oder so gehört habe, das stimmt. Ich will nichts kopieren, sondern etwas Originales erschaffen, aber manchmal will ich einen Song einfach auf eine bestimmte Weise schreiben. Bei "Will O The Wisp" ist das passiert. Ich höre schon lange Jethro Tull, ich liebe sie, jedesmal wieder denke ich mir: "Das ist fantastisch." Diesen Song hat das stark beeinflusst. Mir fällt gerade kein anderer Künstler ein, beim dem ich das Gefühl hatte, einen ähnlichen Song schreiben zu müssen. Wenn sonst Referenzen zu anderen Bands bestehen, wie gesagt eher auf Titelebene, "The Seventh Sojourn" etwa.

"Goblin"...

Ja, wobei: "Goblin" war tatsächlich auch direkt von Goblin beeinflusst. Ich hab' nichts dagegen, sowas hin und wieder zu machen.

Deine Clean Vocals haben sich auf "Sorceress" nochmal verbessert, finde ich. Hast du gezielt daran gearbeitet oder kommt das einfach davon, dass du dich nach den ganzen Shows einfach wohler fühlst?

Vielleicht. Ich bilde mir gerne ein, ein besserer Sänger geworden zu sein, doch dann gehe ich auf Tour und verliere ständig meine Stimme, haha. Aber ich habe ein hohes Bestreben, weißt du? Das ist einer der Nebeneffekte, die Screams wegzulassen. Ich hab' sie ja nicht weggelassen, weil ich sie nicht mehr mache. Sondern, weil die Songs nicht mehr danach verlangen, sozusagen. Deswegen musste ich meine Range erweitern. Denn wenn ich etwas Aggressives wollte, musste ich das mit meiner Singstimme erreichen können und entsprechend dynamisch mit ihr arbeiten. Ich musste mich ins Zeug legen, dorthin zu kommen, wo ich hinwollte. Aber ich habe nie Unterricht genommen oder so. Ich strebte danach und hab es dann einfach gemacht.

Wenn du Vocallines schreibst, machst du das mit der Gitarre in Händen?

Meistens, ja. Manchmal auch am Keyboard. Oder Bass. Gern summe ich mal was im Auto vor mich hin, baue Akkorde dazu und so geht es dann weiter.

"Teile klangen magisch – andere wie Scheiße"

Ihr seid letztes Jahr mit einem Orchester aufgetreten. Auszüge davon sind auch als Bonus auf "Sorceress" enthalten. "Voice Of Treason" als James Bond-Mariachi zum Beispiel. Wird es sowas in Zukunft nochmal geben?

Nein. Das war damals nicht unsere Entscheidung und auch nichts, was wir unbedingt machen wollten. Unser Manager meinte, wir sollten das machen und dass es spaßig und toll wird. Ich hab' ihm nicht so recht geglaubt. Es geschah alles recht überstürzt. Wir sind nach Plovdiv gefahren, dort habe ich den Dirigent getroffen. Zuerst schien es, als hätte er keinen Plan, was er tun würde. Aber wir haben dann mit Orchester und Chor geprobt und sie hatten schon Ideen. Es klang ziemlich gut – mit einigen Ausnahmen. Als wir die Show gespielt haben, waren Teile davon schon magisch, finde ich. Teile klangen echt gut, andere dagegen wie Scheiße – wo wir keinen Input gegenüber dem Orchester hatten, was das Arrangement anging. Ich hab' nichts gesagt, nur: "Hier harmonieren die Noten nicht" oder: "Das klingt nicht gut." Und im Mix war ein Orchestermusiker, der wohl nicht ganz bei sich war – den haben wir schlussendlich rausgedreht.

Apropos Special-Shows: Momentan macht ihr ein paar zu "Deliverance"/"Damnation", letztes Jahr gab es das "Ghost Reveries"-Jubiläum. Was steht denn als nächstes an?

Naja, es gibt immer Jubiläen und so. Wie gesagt: Das ist nicht unsere Entscheidung. Ich sehne mich nicht danach, rauszugehen und alte Songs zu spielen oder verfolge, welches Album bald Geburtstag hat. Das Management schon. Es kontrolliert das Live-Ding wesentlich stärker als wir. Wir arbeiten hier einfach bloß. Ich meine: Das ist ja gerade keine kreative Arbeit für mich. Wenn also ein Jubiläum ansteht, teilt mir das das Management mit und sagt: "Okay, es sind jetzt 20 Jahre seit diesem oder jenem Album vergangen, ihr solltet rausgehen und was dazu machen." Von mir kommt: "Langweilig. Aber okay, ich machs." Ich bin eine total andere Person, was Live-Shows betrifft – im Vergleich zur kreativen Seite der Band. Wenn wir schreiben und an einem neuen Album arbeiten bin ich zu Leuten außerhalb der Band eher so: "Fuck off, ich will nicht hören, was du denkst." Wenn es ums Touren geht, bin ich ein Welpe – ich tue mehr oder weniger das, was man mir sagt.

Über eine Sache würde ich noch gerne sprechen: Leif Edlings neue Band Avatarium war ursprünglich als Kollaboration mit dir geplant oder?

Ja. Und Krux übrigens auch.

Oh, echt? Ich wusste, dass Fredrik (Akesson, Opeth-Gitarrist, A.d.R.) in der Band ist, aber das nicht.

Ja, Fredrik spielt bei Krux. Leif ist ein Freund von mir. Ich hatte ein kleines Studio, er nicht, also hat er mal gefragt, ob er rüberkommen kann, um etwas aufzunehmen. Ich hab auf diesen Demos gespielt und es waren Krux-Songs. Ihm hat das Spaß gemacht und er hat mich gefragt, ob ich Gitarre spielen oder sonst irgendwie daran beteiligt sein möchte. Ich habe ihm gesagt, dass ich keine Zeit habe. Weiß du, er arbeitet recht schnell, ist sehr in seinem Ding drin, während ich eher langsam bin, wenn ich nicht schnell sein muss. Also habe ich gesagt: "Wahrscheinlich kann ich nicht mitmachen. Auch wenn du mein Freund bist und mir die Musik gefällt die du machst. Aber ich wäre wohl ein Stein in deinem Schuh." Und Avatarium war eben noch eine Sache, die er mit mir machen wollte. Aber auch da meinte ich wieder, dass ich ihn aus Zeitgründen eher aufhalten würde. Er hat es ja dann trotzdem gemacht.

Verfolgst du, was er macht?

Ja klar, er gibt mir immer mal wieder was.

Naheliegender Anschluss: Storm Corrosion 2.

Ja, könnte passieren.

Gibts schon neue Musik?

Nein. Wenn wir das machen, dann in einer Session. Wir hocken uns hin mit Nichts und kommen mit irgendwas wieder raus. Aber jedesmal wenn wir sprechen, texten oder uns treffen kommt: "Sollten wir was machen" – "Ja, ja, sollten wir" Aber letztendlich...

Die Terminpläne...

Ja, Steven hat immer was am Laufen und dazwischen ist kaum Zeit. Aber ich denke über ein Sabbatjahr nach, wenn wir mit diesem Touring Run durch sind, währenddessen ich vielleicht etwas anderes machen möchte. Möglicherweise auch gar nichts Musikalisches. Einfach … etwas anderes.

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5 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Ich wundere mich immer wieder, dass sich Musiker in dieser Größenordnung noch Vorschriften von ihrem Management machen lassen. Hat Mustaine ja auch neulich im Interview behauptet. Ich bin mir nie sicher, ob das nicht einfach Ausreden und ein Abwälzen von Verantwortung sind.

    • Vor 7 Jahren

      Ich bin mir auch nicht sicher, aber vermutlich fehlt unsereins da einfach die nötige Einsicht in derlei Angelegenheiten. Jedenfalls gehen diese Jubiläums-Touren aktuell sehr sehr gut, weswegen das auch gar nicht so abwegig ist. Bei Katatonia wird ja sogar das "The Great Cold Distance" Album nochmal neu aufgelegt, eine Tour folgt. Mit diesem Schwelgen in der Vergangenheit lässt sich offenbar einfach richtig gut Kohle machen.

    • Vor 7 Jahren

      Wenn man sich das Interview durchliest, dann scheint Akerfeldt tatsächlich ein Mensch zu sein, dem es einfach nur um die Musik geht. Songs schreiben, Alben machen, Liveauftritte, alles andere ist eher zweitrangig. Dazu dann seine ohnehin eher ruhige Art. "Guuut, mach ich das halt, kein Stress..." Aber stimmt, nötig hätte er das wirklich nicht.

    • Vor 7 Jahren

      Vertragspflichten vielleicht?

  • Vor 7 Jahren

    "Ich höre schon lange Jethro Tull, ich liebe sie, jedesmal wieder denke ich mir: "Das ist fantastisch."

    Ja, denke ich auch fast täglich ;)

  • Vor 7 Jahren

    Super Interview, Daumen hoch. Akerfeldt, bester Mann.

  • Vor 7 Jahren

    zu Dammnation und wieso die Leute das mögen:
    es geht -glaube ich- nicht um den "ruhigen" oder "nicht ruhigen" Stil. Es geht mehr um den Stilbruch zwischen Metal an sich und dem Prog-Gefrickel dass sie da machen.

    Mein Problem ist tatsächlich dass ich für Sorceress im Moment so überhaupt keine Energie hab. Man muss sich auseinandersetzen mit dem Ding aber ich hab so krass kein Bock drauf grad.

    Dennoch, er geht sehr differenziert mit der ganzen Situation um und ich schätze es nach wie vor dass sie ihren eigenen Weg zu gehen scheinen auch wenn ich teilweise manchmal Probleme hab. Auf jeden Fall grundsymphatischer Typ Interviewtechnisch. Kann man sich immer gut durchlesen sowas.
    Hab letztes mal n Interview mit Hugh Grant gelesen, da haste auch die Arschkarte gezogen als Journalist wenne das führen musst. Klar, der mag das halt nich aber ist schon doof sowas.

  • Vor 6 Jahren

    Interessantes Interview. Der Åkerfeldt hat eine gesunde Einstellung zur Musik.