laut.de-Kritik

Vergangenheitsbewältigung in Metal und Moll.

Review von

Geoff Tate, einst so etwas wie der bewunderte Mittelpunkt der Progressiv-Metaller Queensryche, scheint bis zum heutigen Tag mächtig an seinem Rauswurf Mitte 2012 zu knabbern. Denn alles was er seither musikalisch veröffentlicht hat, nimmt mehr oder weniger deutlich und teils aggressiv Bezug auf seine alte Truppe. So auch auf dem vorliegenden Mittelteil einer geplanten Trilogie.

Schon das Cover zeigt am linken Bildrand zur Hälfte einen in schwarz gekleideten Helden - ziemlich sicher Tate selbst - mit dem typischen Queensryche-Symbol als Anhänger einer Halskette in der geballten Faust. Eben dieses Symbol erscheint als verschwommenes Luftgebilde über einer Stadt in der Ferne, verziert mit den Buchstaben OMC. Dass sich dieser Name auf das künstlerisch bedeutendste und gleichnamig betitelte Queensryche-Album bezieht, lässt tief blicken.

Es lässt sich trefflich weiterspekulieren: Ein "Resurrection" gabs etwa auf dem ersten Soloalbum von Rob Halford nach dessen freiwilliger Trennung von Judas Priest. Zufall? Und Songtitel wie "When All Falls Away", "Left For Dead", "Healing My Wounds", "Invincible" oder "Which Side You're On" bieten gleichfalls genügend Ansatzpunkte für tiefenpsychologische Betrachtungen.

Wie auch immer, die Musik dahinter ist ähnlich rätselhaft und verworren wie Geoff Tates Situation. Von starken Rockern über progressive Höhepunkte bis hin zu elektronisch verfremdeten Fingerübungen und akustischen Langweilern voller Melancholie und Larmoyanz reicht die Platte. Ein klares Urteil fällt ziemlich schwer.

Der bereits erwähnte und kurze Opener "Ressurection" kommt als schrille Klangcollage, das folgende "When All Falls Away" ist ein Keyboard lastiges Instrumental, danach gibts mit "A Moment In Time" 30 Sekunden gesangliche Anleihen an David Bowie, und an Nummer vier hört man mit "Through The Noize" eine Art schmerzvolles Selbstgespräch. Gerockt hat bis dahin noch nichts.

Erst "Left For Dead" klingt in etwa so, wie man sich einen Song in alter Queensryche-Tradition vorstellt. Doch auch die folgenden Stücke glänzen vordringlich durch elegischen Gesang, Pathos und Selbstspiegelung im mittleren Tempo - aber sicher nicht durch übergroßer kompositorischer Raffinesse.

Erst "Taking On The World" haut mal ordentlich auf den Putz. Man könnte es als den Protestsong der Geschassten bezeichnen, denn neben Tate singen hier Blaze Bayley, der bei Iron Maiden nur zwei Alben überstand, und Tim 'Ripper' Owens, der erst Judas Priest und danach auch Iced Earth nach recht kurzen Gastspielen wieder verlassen musste. Das Stück kommt dem Begriff Heavy Metal auf diesem Album noch am nächsten.

"Invincible" schleppt sich dann wieder dahin, genau wie "A Smear Campaign" und "Which Side You're On", das sich immerhin ein wenig an Progressive Rock à la King Crimson versucht. Auch "Into The Hands Of The World" schlägt in diese Kerbe. Dennoch: Auf Dauer geht einem das Ich-bezogene Jammern des Hauptprotagonisten auf die Nerven. Beim langsamen "Live From My Machine" schwappt es vor Schmerz und Selbstmitleid dann endgültig über.

Wenn man bedenkt, wie viele Musiker Geoff Tate für diese Produktion verheizt hat, allein drei Schlagzeuger, schaut am Ende doch etwas zu wenig heraus. Die neuen, alten Queensryche mit Todd La Torre am Mikrofon schlagen sich derzeit jedenfalls besser. Auf ewig in den alten Wunden pulen hat noch keinem geholfen. Das sollte auch Geoff Tate beherzigen.

Trackliste

  1. 1. Resurrection
  2. 2. When All Falls Away
  3. 3. A Moment In Time
  4. 4. Through The Noize
  5. 5. Left For Dead
  6. 6. Miles Away
  7. 7. Healing My Wounds
  8. 8. The Fight
  9. 9. Taking On The World
  10. 10. Invincible
  11. 11. A Smear Campaign
  12. 12. Which Side You're On
  13. 13. Into The Hands Of The World
  14. 14. Live From My Machine

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2 Kommentare

  • Vor 7 Jahren

    §Denn alles was er seither musikalisch veröffentlicht hat, nimmt mehr oder weniger deutlich und teils aggressiv Bezug auf seine alte Truppe.§

    ok, elegant ist das sicher nicht vom geoff. dennoch verstehe ich den bezug auf der inhaltlichen ebene schon ein wenig. denn eigentlich nimmt er selbigen doch nicht zur alten truppe, sondern auch zum eigenen werk, welches er maßgebend mitgestaltete.

    er hat es nur leider so gar nicht drauf, diese inszenierung ohne leberwurstfaktor zu inszenieren. songwriterisch ist das hier gebotene auch recht wenig.

    da lobe ich mir onkel fish. der macht solo einfach mal die "misplaced childhood" live klar und ist aufm platz so gut, dass man marillion mark II sofort vergisst.

  • Vor 7 Jahren

    Während ich das Review lese, höre ich parallel "Resurrection". Wie prima sich die Aussagen des Reviews mit meinen Gedanken ergänzen. Mit dem (gescheiterten)Versuch Operation:Mindcrime als eigenständige Band zu etablieren, hat sich Geoff Tate sein persönliches Waterloo geschaffen. Was ich höre ist in ein dumpfes Klangbild eingebettetes Mittelmaß. Anstatt sich von seiner Vergangenheit komplett zu lösen, hat Geoff Tate mit dieser Veröffentlichung ein "trotziges Kind bekommt seinen Willen nicht" Album aufgekommen. Ich schalte ab!