Matthias Manthe über Popfrauen in der Wüste, M.I.A.s "Story To Be Told" und ein GIF-Video-Mashup par excellence.

Berlin (mma) - Weibliches Take-over in den Wüsten dieser Welt: War dereinst das gestandene, sonnengegerbte Mannsbild Herr des Sandwinds, das vorzugsweise mit Flinte und Schweiß in ausgetrockneten Flussbetten auf Kojotenjagd ging, drängen nun auch in diesen heiligen Sektor der Geschlechterseparation immer mehr Frauen ein.

Vielleicht war es die ehemalige Grande Dame des Pop höchstpersönlich, die 1998 mit dem Mojave-Wüstenclip "Frozen" der Frauenquote in der Pampa Damm brach. Seit Madonna fand etwa Bat For Lashes' Natasha Khan Gefallen an der tradierten Stoner-Rock-Idee, im kargen Sonnennichts von Joshua Tree Inspiration zu finden und Magic Mushrooms zu konsumieren, dann folgte Karen O (Yeah Yeah Yeahs) … und nun also auch Lykke Li.

Depressionen in Super 8

Die vierundzwanzigjährige Stockholmerin attestierte sich laut Webseite nach der letzten Tour selbst leichte Depressionen und ein gebrochenes Herz – was sie kurzerhand dazu brachte, gewappnet mit Videoregisseur Moses Berkson in die Wüste zu gehen und einfach mal die Super 8 draufzuhalten. Im fünfminütigen Schwarzweißfilm "Solarium" schreitet, tanzt und steht sich Schwedens Popdarling so durch eine Sandlandschaft, die bloß durch einige Spiegelstücke im Boden verziert ist.

Reichlich merkwürdig gibt sich auch der retrofuturistische "2001: Odyssee"-Soundtrack von Peter Bjorn And Johns Björn Yttling, der genau wie die modisch adrette Hauptdarstellerin nicht recht zu wissen scheint wohin. Sehen wir Substanzmissbrauch? Dissoziative Störungen junger gartenarbeitender Popstars beim Blick in den Spiegel? Einen pädagogischen Aufklärungsfilm über die Gefahren von Sonnenbad und Stretching zur Mittagszeit? Oder doch nur die aktuelle H&M-Imagekampagne?

Stylisch ist's auf alle Fälle, so viel steht fest. Ebenso wie die Tatsache, dass Lis zweiter Langspieler Anfang 2011 erscheinen und am 1.11. im Berliner Heimathafen Neukölln eventuell schon angeteast werden wird. Ganz bestimmt eine ästhetisch einwandfreie Angelegenheit.

Captcha-Fluten statt Star-Persona

Was fürs visuelle Beiwerk der dritten M.I.A.-Platte mittlerweile irgendwie nicht mehr ganz so sehr gilt. Nach dem grandios streitbaren Massakervideo "Born Free" ging Maya Arulpragasam pünktlich zum Popmonolithen "XXXO" vom Gas, stülpte billig ausgeschnittene Schwan- und Rosen-GIFs über ihre Bluescreen-Performance. Das Pendant zur brandneuen Single "Story To Be Told" lässt an Charme allerdings schwer zu wünschen übrig (zu sehen unter der feinen Adresse yesthelittlepeoplewillneverwinbuttheycanfuckshitup.com).

Dass das dazugehörige Album ausgiebig von Internet, Web 2.0 und den Konsequenzen für die künstlerische Selbstdarstellung erzählt, haben wir ja mitgekriegt, liebe Maya - und zwar nicht erst, seit deine MySpace-Seite aussieht wie YouTube nach dem digitalen Fallout. Das entpersonalisierte, verpixelte Allerlei, das du jetzt aufbietest, braucht die Welt aber eher nicht. Ist nicht kontrovers, macht nicht mal nachdenklich.

Für den richtigen Flackerfaktor setzen wir uns aktuell lieber der überwältigenden Reizflut in Gaspar Noés jüngster Leinwandprovokation "Enter The Void" aus. Während "Drogenfilme" nämlich seit Jahrzehnten erwiesenermaßen Kinopublikum ziehen, könnte dein zeitgeistaffines Captcha-Gewimmel schon übermorgen völlig dated wirken. Aus Web-Ramsch Filmchen schnipseln können andere übrigens manchmal sogar besser als du.

Also: Bitte demnächst wieder etwas mehr Mühe beim Thema Musikvideo. Danke dafür, wir wissen ja, dass du das kannst.

Fotos

Lykke Li

Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger) Lykke Li,  | © laut.de (Fotograf: Lars Krüger)

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