Warum am Freitagabend in Kiel ausgerechnet das dümmste Liedchen die Grand Prix-Qualifikation schaffte, bleibt TEDs Geheimnis.

Kiel (rai) - Er hat wieder zugeschlagen: Ralph Siegel, der Godfather of Grand Prix, fährt samt Sängerin Lou und dem Liedchen "Let's Get Happy" am 24. Mai zum Finale des europäischen Song-Contests in die lettische Hauptstadt Riga. Er wird, so viel ist sicher, sein letztjähriges Debakel mit Corinna May und dem 21. Platz glorios unterbieten.

Denn die Zuschauer wollten es so: Von den 5,5 Millionen Menschen vor den Fernsehgeräten beteiligten sich nach NDR-Angaben rund 600.000 am ersten Wahlgang und 367.000 an der Finalabstimmung (was bei 49 Cent pro Anruf übrigens ein stolzes Sümmchen von über 470.000,- Euro ergibt).

Mit 38 Prozent der Stimmen gewann "Let's Get Happy" - teutonische Balla-Beats und englische Viertklässler-Lyrics gegen den gemeinen Trübsinn. Vorgetragen von Lou, Typ Fleischwarenfachverkäuferin, eine "Kreuzung aus Rollmops und Feuerlöscher" (FAZ). So etwas wird in Europa viel Mitleid aber keine Punkte ernten.

Prompt kamen nach der Veranstaltung erneute Schummel-Gerüchte auf. Siegel habe "jedes verfügbare Callcenter in Brandenburg angeheuert" spekuliert etwa der Onlinedienst faz.net. Glaubend an den letzten Rest von Geschmackssinn im deutschen TV-Seher mag man sich dieses Verdachts nicht gänzlich verschließen. Denn es gab Alternativen. Nachdem in den vergangenen Jahren meist Klamauk-Eskapaden Raabscher Schule den Grand Prix dominierten, schien dieses Mal ein halbwegs ernsthafter Sängerstreit zustande zu kommen.

Natürlich gab es auch heuer noch genug zu lachen. Der ungeheuer fade Kanzler-Imitator Elmar Brandt gehörte allerdings nicht dazu. Größeres leistete da schon Esoterik-Tante Isgaard mit pathetischem Gejammer aus der untersten Enya-Liga. Hübsch auch die Englisch-Versuche des Moderators Axel Bulthaupt ("Tiwi Mekse Sjupastah"). Und die von der linken Tageszeitung taz unterstützte Sängerin Senait lieferte mit "Herz aus Eis" einen rechtsgültigen Grund, sein Soli-Abo zu kündigen. Fristlos.

Doch es gab auch Lichtblicke: Tobias Schacht aka Der Junge mit der Gitarre bot - mit weisser Gitarre nicolesque auf einem Hocker sitzend - ordentliches Singer-Songwritertum. Unterstützt wurde er von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Smells like Hochkultur. Vorletzter Platz. Die Stuttgarter Band Beatbetrieb schaffte es dagegen sogar in die Finalabstimmung. Ihr R&B-lastiges "Woran glaubst Du?" gehört zu den besten Songs, die deutsche Grand Prix-Bewerber in den letzten Jahren vorgetragen haben. Er hätte aller Voraussicht nach auch in Riga okaye Chancen gehabt. Doch Deutschlands Telefonvolk wollte es offenbar anders. Auch egal, let's get happy, bum bum bum.

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